Mehr Energiesicherheit - Leag holt für reaktivierte Kraftwerksblöcke Ex-Mitarbeiter aus Rente zurück
Eigentlich sollte das Kraftwerk Jänschwalde schrittweise runtergefahren werden. Stattdessen läuft es gerade wieder auf Hochtouren, um für mehr Energiesicherheit zu sorgen. Betreiber Leag braucht plötzlich Personal - und hat ein paar Rentner angerufen. Von Sascha Erler
Zugegeben: Die erste Zeit als Rentner war für Andreas Sparmann nicht leicht, nach 39 Jahren im Kraftwerk Jänschwalde (Spree-Neiße). Nach rund zwei Jahren hatte er sich gerade daran gewöhnt, als im August der Anruf kam. "Ich habe es immer geahnt, dass die Anlage nochmal in Betrieb genommen wird", sagte der 68-Jährige am Dienstag dem rbb. Er ist einer von aktuell neun Rentnern, die der Energiekonzern Leag ins Kraftwerk zurückgeholt hat.
Denn das Kraftwerk läuft seit einiger Zeit statt mit weniger Blöcken wieder mit allen, der Konzern braucht plötzlich mehr statt weniger Personal - aber Kraftwerker kann man sich nicht backen. Das Bundeswirtschaftsministerium hatte die Blöcke E und F aus der Sicherheitsbereitschaft geholt, damit während der aktuellen Krise weniger Gas zur Stromerzeugung genutzt wird. Block E war Anfang Oktober wieder an das Stromnetz angeschlossen worden, wenige Tage später ging auch Block F wieder in Betrieb.
"Mein Herzblut hängt hier dran"
Und so sitzt jetzt Andreas Sparmann zwar nicht wieder in seinem alten Büro, aber im Zimmer daneben. Die meiste Zeit ist er allerdings in der Anlage unterwegs - in seiner Anlage. Schließlich hat Sparmann die Rauchgasentschwefelung des Kraftwerkes geplant, gebaut und jahrelang verbessert. "Das ist mein Kind. Das Herzblut hängt hier dran."
Überlegen musste er deshalb nicht lange, als er gefragt wurde, ob er nochmal arbeiten könnte. Auch seine Frau war lange Zeit bei der Leag und genauso schnell wieder mit im Boot. Nur für seine Eltern hätte er gerne mehr Zeit, aber auch die haben Verständnis.
140 neue Mitarbeiter anlernen
Viel Geld bringt die Arbeit laut Andreas Sparmann nicht. Ihm gehe es um die Ehre, sagt er. "Die soziale Komponente des Einsatzes, die ist unbezahlbar." Außerdem mache es ihm Spaß, mit seinen alten Kollegen "zu kämpfen und zu lachen."
Die ins Unternehmen zurückgeholten Rentner haben vor allem die Aufgabe, die neuen Kollegen anzulernen. Der Personalbedarf ist laut Kraftwerkschef Andreas Thiem - anders als ursprünglich geplant - enorm. "Wir haben durch die Versorgungsreserve einen Mehrbedarf von ungefähr 140 Mann, die den Betrieb fahren." Sie würden alle ausgebildet werden, deshalb seien "solche Lehrmeister" wie Andreas Sparmann wichtig.
Zurück am Netz für einige Monate
Die Kraftwerksblöcke E und F waren im Zuge des Braunkohleausstiegs für den Fall von Notsituationen noch in der sogenannten Sicherheitsbereitschaft. Block F sollte eigentlich im Oktober endgültig stillgelegt werden, Block E ein Jahr später. Nun sind sie zunächst befristet bis zum 30. Juni 2023 am Markt zurück. Sie konnten wieder in Betrieb genommen werden, obwohl sie Umweltstandards nicht erfüllen. Das Brandenburger Landesamt für Umwelt hatte dafür eine Sondergenehmigung erteilt.
Andreas Sparmann ist gerade dabei, eine neue Kollegin einzuarbeiten, die später in der Anlage Betriebsingenieurin werden soll. Das wird vermutlich bis zum Frühjahr dauern. Und dann? "Vielleicht werde ich auch noch was ran hängen", so der 68-Jährige. Diese angehängte Zeit soll aber überschaubar bleiben, sagt er. "Dann ist auch mal Schluss."
Sendung: Antenne Brandenburg, 06.12.2022, 16:40 Uhr