Windpark-Erweiterung in Spremberg - Windräder im Wald: Wenn Energiewende mit Naturschutz kollidiert
Spremberg streitet darüber, ob im Stadtwald weitere Windräder gebaut werden sollen. Für die einen sind sie unabdingbar, um ein neuartiges Kraftwerk mit grünem Strom zu versorgen - andere sehen Naturzerstörung. Von Andreas Rausch
Die grüne Lunge der Schwarzen Pumpe im Süden Brandenburgs war der Spremberger Stadtwald. Er umarmt quasi das große Industriegebiet, zu DDR-Zeiten eine gigantische Dreckschleuder mit Gaswerken, Kokereien, Kraftwerken, Brikettfabriken. 15.000 Menschen holten hier Jahrzehnte alles aus der Braunkohle, was herauszuholen war.
Nach 1990 wurde das meiste von diesen Anlagen weggesprengt. Doch damit war für Schwarze Pumpe, einen Ortsteil von Spremberg, die Industriegeschichte nicht vorbei. 1998 weihte der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) das heutige Leag-Kohlekraftwerk ein - einen immer noch futuristisch anmutenden Bau, in dessen Umfeld mittlerweile mehr als 5.000 neue industrielle Jobs in unterschiedlichsten Ansiedlungen entstanden sind.
Windpark-Größe soll fast verdoppelt werden
Eines der aktuell spannendsten Projekte ist das "Referenzkraftwerk Lausitz", kurz RefLau genannt. Hier soll unter Realbedingungen getestet werden, ob es möglich ist, mit erneuerbaren Energien eine zuverlässig-stabile Stromversorgung hinzubekommen. Anfang 2023 brachte Bundeswirtschaftsminister Habeck dafür einen Förderbescheid über 28,5 Millionen Euro nach Schwarze Pumpe. Kosten wird das Projekt wohl etwa das Doppelte.
Längst sollte der Bau begonnen haben, doch er stockt – weil eine zentrale Voraussetzung fehlt: ein zusammenhängender Windpark, der grünen Strom in ausreichenden Mengen für das Kraftwerk zur Verfügung stellt. Mit dem Strom soll grüner Wasserstoff erzeugt werden, der dann wiederum dem Kraftwerk als Brennstoff dient. "Wenn wir diesen Grün-Strom nicht in dem Umfang bekommen können, wie wir ihn benötigen, kommt das RefLau nicht“, sagt Ben Schüppel, der Geschäftsführer des künftigen Werks gegenüber rbb|24.
Den Windpark will die Stadt in den Wald pflanzen, als Erweiterung einer schon länger bestehenden Anlage. 17 Windräder drehen sich schon über den Baumkronen, 13 weitere sollen dafür nun hinzukommen. Dafür hatte Spremberg noch 2023 einen Flächennutzungsplan beschlossen, mit dem Stadtwald-Areal als sogenannter Konzentrationszone.
Davon versprachen sich die Abgeordneten mehrheitlich gleich Mehreres: Zum einen sollte der notwendige Zubau an erneuerbaren Energien auf kommunalem Land erfolgen, was über die nächsten 30 Jahre mehr als 30 Millionen Euro an Pacht in den Haushalt spült. Zum anderen könnte der große Windpark direkt ins Stromnetz der städtischen Werke einspeisen. Durch die damit nicht anfallenden Netzentgelte würde der Strom für jeden Spremberger Haushalt preiswerter. Und nicht zuletzt würden Investoren im Industriepark zunehmend Wert auf klimafreundliche Energieanbindung legen, der Windpark also als Standortvorteil.
Nach den Kommunalwahlen in diesem Juni haben sich die Mehrheitsverhältnisse in der Stadtverordnetenversammlung geändert. Stärkste Fraktion ist die AfD, die bei der Wahl auf 39,1 Prozent der abgegebenen Stimmen kam. "Im Stadtwald, das wäre der schädlichste Standort überhaupt, weil eben Bäume gefällt werden müssten", sagte AfD-Fraktionschef Michael Hanko rbb|24. "Deshalb sagen wir: Wollen wir nicht."
Gegenwind kommt auch von der Fraktion Natura/UWG/BS. Auch sie will erreichen, dass der Flächennutzungsplan von 2023 noch einmal geändert wird. Der Verein "Pro Natura" hatte dazu eine Unterschriftensammlung initiiert. Mehr als 4.000 Menschen hatten darin gegen den Windpark unterschrieben.
Für Kai-Uwe Reipert von "Pro Natura" ein klares Zeichen. "Wir sehen durch diese Industrieanlagen - und Windräder sind Industrieanlagen - unter anderem unser Trinkwasser-Einzugsgebiet in Gefahr." Reiperts Fraktion hat alternative Vorschläge gemacht - will nicht verhindern, sondern anders gestalten, sagte er dem rbb.
Ohne Nutzungsplan Wildwuchs?
Auf einer ersten Stadtverordnetenversammlung Anfang Oktober stand das Thema bereits zur Debatte, diese wurde aber ergebnislos vertagt. Nach stundenlangem Schlagabtausch verständigten sich die Fraktionen darauf, sich nochmals in Ruhe über Vor- und Nachteile der geänderten Windparkplanung zu informieren.
An diesem Mittwoch wollen die Stadtverordneten nun eine Entscheidung fällen. Kritiker sagen, dass die Aufhebung des gültigen Flächennutzungsplans einen chaotischen Wildwuchs von Windrädern im Stadtgebiet nach sich ziehen würde - ohne dass die Einwohner davon profitieren würden: Es gebe dann erheblich mehr Windeignungsflächen in und um Spremberg als die jetzt ausgewiesene Konzentrationszone.
Und ohne Flächennutzungsplan könne möglichen Vorhabensträgern der Bau von Anlagen schwerlich untersagt werden. Spremberg würde damit die Hoheit über seine Entwicklung als Industrie- und Energiestandort aus der Hand geben. Das sei fatal, meint Bürgermeisterin Christine Herntier (parteilos). "Wir brauchen für die Wirtschaft und den Bürger Einflussmöglichkeiten. Und die bekommen wir nur über die Beteiligung an Windparks."
Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 04.12.2024, 19:30 Uhr