Windpark-Erweiterung in Spremberg - Windräder im Wald: Wenn Energiewende mit Naturschutz kollidiert

Mi 04.12.24 | 06:06 Uhr | Von Andreas Rausch
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Symbolbild: Luftaufnahme eines Bauplatzes mit einem Kran, umgeben von einem dichten Wald im Schwarzwald, aufgenommen am 18.10.2024. (Quelle: Picture Alliance/Manuel Kamuf)
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Audio: Antenne Brandenburg | 04.12.2024 | Andreas Rausch | Bild: Picture Alliance/Manuel Kamuf

Spremberg streitet darüber, ob im Stadtwald weitere Windräder gebaut werden sollen. Für die einen sind sie unabdingbar, um ein neuartiges Kraftwerk mit grünem Strom zu versorgen - andere sehen Naturzerstörung. Von Andreas Rausch

Die grüne Lunge der Schwarzen Pumpe im Süden Brandenburgs war der Spremberger Stadtwald. Er umarmt quasi das große Industriegebiet, zu DDR-Zeiten eine gigantische Dreckschleuder mit Gaswerken, Kokereien, Kraftwerken, Brikettfabriken. 15.000 Menschen holten hier Jahrzehnte alles aus der Braunkohle, was herauszuholen war.

Nach 1990 wurde das meiste von diesen Anlagen weggesprengt. Doch damit war für Schwarze Pumpe, einen Ortsteil von Spremberg, die Industriegeschichte nicht vorbei. 1998 weihte der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) das heutige Leag-Kohlekraftwerk ein - einen immer noch futuristisch anmutenden Bau, in dessen Umfeld mittlerweile mehr als 5.000 neue industrielle Jobs in unterschiedlichsten Ansiedlungen entstanden sind.

Windpark-Größe soll fast verdoppelt werden

Eines der aktuell spannendsten Projekte ist das "Referenzkraftwerk Lausitz", kurz RefLau genannt. Hier soll unter Realbedingungen getestet werden, ob es möglich ist, mit erneuerbaren Energien eine zuverlässig-stabile Stromversorgung hinzubekommen. Anfang 2023 brachte Bundeswirtschaftsminister Habeck dafür einen Förderbescheid über 28,5 Millionen Euro nach Schwarze Pumpe. Kosten wird das Projekt wohl etwa das Doppelte.

Längst sollte der Bau begonnen haben, doch er stockt – weil eine zentrale Voraussetzung fehlt: ein zusammenhängender Windpark, der grünen Strom in ausreichenden Mengen für das Kraftwerk zur Verfügung stellt. Mit dem Strom soll grüner Wasserstoff erzeugt werden, der dann wiederum dem Kraftwerk als Brennstoff dient. "Wenn wir diesen Grün-Strom nicht in dem Umfang bekommen können, wie wir ihn benötigen, kommt das RefLau nicht“, sagt Ben Schüppel, der Geschäftsführer des künftigen Werks gegenüber rbb|24.

Den Windpark will die Stadt in den Wald pflanzen, als Erweiterung einer schon länger bestehenden Anlage. 17 Windräder drehen sich schon über den Baumkronen, 13 weitere sollen dafür nun hinzukommen. Dafür hatte Spremberg noch 2023 einen Flächennutzungsplan beschlossen, mit dem Stadtwald-Areal als sogenannter Konzentrationszone.

Davon versprachen sich die Abgeordneten mehrheitlich gleich Mehreres: Zum einen sollte der notwendige Zubau an erneuerbaren Energien auf kommunalem Land erfolgen, was über die nächsten 30 Jahre mehr als 30 Millionen Euro an Pacht in den Haushalt spült. Zum anderen könnte der große Windpark direkt ins Stromnetz der städtischen Werke einspeisen. Durch die damit nicht anfallenden Netzentgelte würde der Strom für jeden Spremberger Haushalt preiswerter. Und nicht zuletzt würden Investoren im Industriepark zunehmend Wert auf klimafreundliche Energieanbindung legen, der Windpark also als Standortvorteil.

Karte mit der Windkraftfläche gemäß bestehendem, rechtskräftigem Flächennutzungsplan, blau markiert (Quelle: CDU Spremberg/Bränzel)
Windkraftfläche gemäß bestehendem, rechtskräftigem Flächennutzungsplan (blau)

Nach den Kommunalwahlen in diesem Juni haben sich die Mehrheitsverhältnisse in der Stadtverordnetenversammlung geändert. Stärkste Fraktion ist die AfD, die bei der Wahl auf 39,1 Prozent der abgegebenen Stimmen kam. "Im Stadtwald, das wäre der schädlichste Standort überhaupt, weil eben Bäume gefällt werden müssten", sagte AfD-Fraktionschef Michael Hanko rbb|24. "Deshalb sagen wir: Wollen wir nicht."

Kai-Uwe Reipert von ProNatura (Quelle: rbb)
Kai-Uwe Reipert

Gegenwind kommt auch von der Fraktion Natura/UWG/BS. Auch sie will erreichen, dass der Flächennutzungsplan von 2023 noch einmal geändert wird. Der Verein "Pro Natura" hatte dazu eine Unterschriftensammlung initiiert. Mehr als 4.000 Menschen hatten darin gegen den Windpark unterschrieben.

Für Kai-Uwe Reipert von "Pro Natura" ein klares Zeichen. "Wir sehen durch diese Industrieanlagen - und Windräder sind Industrieanlagen - unter anderem unser Trinkwasser-Einzugsgebiet in Gefahr." Reiperts Fraktion hat alternative Vorschläge gemacht - will nicht verhindern, sondern anders gestalten, sagte er dem rbb.

Ohne Nutzungsplan Wildwuchs?

Auf einer ersten Stadtverordnetenversammlung Anfang Oktober stand das Thema bereits zur Debatte, diese wurde aber ergebnislos vertagt. Nach stundenlangem Schlagabtausch verständigten sich die Fraktionen darauf, sich nochmals in Ruhe über Vor- und Nachteile der geänderten Windparkplanung zu informieren.

An diesem Mittwoch wollen die Stadtverordneten nun eine Entscheidung fällen. Kritiker sagen, dass die Aufhebung des gültigen Flächennutzungsplans einen chaotischen Wildwuchs von Windrädern im Stadtgebiet nach sich ziehen würde - ohne dass die Einwohner davon profitieren würden: Es gebe dann erheblich mehr Windeignungsflächen in und um Spremberg als die jetzt ausgewiesene Konzentrationszone.

Und ohne Flächennutzungsplan könne möglichen Vorhabensträgern der Bau von Anlagen schwerlich untersagt werden. Spremberg würde damit die Hoheit über seine Entwicklung als Industrie- und Energiestandort aus der Hand geben. Das sei fatal, meint Bürgermeisterin Christine Herntier (parteilos). "Wir brauchen für die Wirtschaft und den Bürger Einflussmöglichkeiten. Und die bekommen wir nur über die Beteiligung an Windparks."

Karte mit Windkraftanträgen, wenn der bestehende Flächennutzungsplan aufgehoben wird (rot markiert) (Quelle: CDU Spremberg/Bränzel)
Windeignungsflächen (rot) nach Aufhebung des bestehenden Flächennutzungsplans

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 04.12.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Andreas Rausch

118 Kommentare

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  1. 118.

    Ihr letzter Absatz? Nein, dass ist nicht meine Meinung, sondern Tatsache. Nur das passt nicht in Ihre Argumentation. Wie gesagt, Sie werden wohl nicht von einem WKA Park betroffen sein. Und weil die Stadt Geld bekommt werden mehr WKA gebaut? Und gleich bringen Sie auch das Beispiel "Schule". Das ist Ihre Meinung, ich habe da meine Zweifel.

  2. 117.

    So ist es. Eine JAZ von 4 mit der Luft-WasserWP ist eine Illusion. Der WP Markt ist eingebrochen. Deswegen versucht die WP Industrie den Bestandsimmobilien-Markt zu erreichen. und bietet teure Hochtemperatur-Wärmepumpen an, die bis 70 Grad arbeiten. Letztere sind erforderlich, weil bei einer Bestandsimmobilie sonst die Stube nicht warm wird. Verschwiegen wird dann in den Werbeanpreisungen regelmäßig, dass bei 70 Grad Celsius keine thermodynamische Hebung stattfindet und faktisch mit elektrischem Strom geheizt wird.

  3. 116.

    Die Frage war ernst gemeint. Das Kraftwerk arbeitet mi dem Strom der Windmühle. Woher kommt der Strom, wenn die Windmühle wegen Flaute keinen Strom liefert?

  4. 115.

    Hallo Ines,
    keine Ahnung, wie Sie auf diese Zahlen kommen. Ein Elektromotor im Pkw hat einen Gesamtwirkungsgrad von ca. 65 % (TÜV Nord), ein moderner Dieselmotor von ca. 45%. Da ist nix mit 1:6! Eine JAZ von 4 bei einer Wärmepumpenheizung werden die wenigsten erreichen, zumal dann nicht, wenn sie mit ihrer Wärmepumpe auch noch Warmwasser von 60°C erzeugen wollen. Ich bin durchaus kein Gegner einer Elektrifizierung, durch den zukünftigen Wegfall fossiler Energieträger gibt es vermutlich auch keine Alternative. Aber man sollte sich keine Illusionen über die damit verbundenen Dimensionen und Investitionen machen. Wenn wir jetzt aber die Ressourcen für Luftschlösser verbrauchen, werden sie uns für die eigentlich notwendigen Investitionen fehlen und da führt nun einmal kein realistischer Weg an der Kernenergie vorbei.

  5. 114.

    "Flächenbedarf pro WKA" Ja Abstand zwischen den WKAs, dh 1 WKA in 1 ha, dieser Hektar besteht aber dann zu 99% aus Bäumen.
    "Und wozu braucht Spremberg die 4fache Menge Strom von WKA des eigenen Bedarfs?" Weil die Gemeinde dadurch Geld bekommt für Schulen etc.
    "in 2 km Entfernung war" Ok ist ihre Meinung, bezweifel das aber stark.

  6. 112.

    Lieber Eric,
    könnte es sein, dass verstehendes Lesen nicht so zu Ihren Kernkompetenzen zählt? Ich muss das leider so formulieren, da man auf den Seiten des UBA nun einmal eindeutig die Kategorien "Bruttostromverbrauch" und "Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch" findet. Unter der ersten Kategorie finden Sie für 2023 die Zahl 525 TWh und für den zweiten Wert die Zahl 51,8%. Nun können Sie ja selbst ausrechnen, wie viel 51,8 % von 525 TWh sind ...

  7. 111.

    Komisch, die Planung sieht einen Flächenbedarf pro WKA von gut einem ha vor. Und bei der Windeignungsfläche sind über 600 ha angegeben. Wer sagt Ihnen denn, dass in ein paar Jahren nicht noch weitere WKA im Eignungsgebiet aufgestellt werden? Und nun zu Ihrem #110 von 13:22 Uhr: Die Geräusche nehmen Sie noch in 2 km Entfernung war und das schon bei mäßigem Wind. Dadurch bin ich in meiner Annahme bestätigt, dass Sie selbst von den WKA nicht betroffen sind, oder? Alles andere ist nur die Werbetrommel drehen und die anderen sollen sich mal nicht so haben. Wer selbst so ein Ding nicht vor der Nase hat, hat immer gute Ratschläge. Und wozu braucht Spremberg die 4fache Menge Strom von WKA des eigenen Bedarfs?

  8. 110.

    Dann die Bundesstraße, sah von oben aus wie eine Autobahn. Es geht doch um das Windrad was Nord-Westlich von Luckenwalde an der Bundesstraße liegt? Kann mir nicht vorstellen, dass es lauter als der Autolärm ist. Kann ja ein Einzelfall bei ihnen sein. Das "wischwischwisch" hören sie aber nur bei starken Wind und wenn sie darunter stehen?

  9. 109.

    Man muss einfach die Vor- und Nachteile abwägen. Nur weil eine Technologie wie die WK nicht perfekt ist, hat sie dennoch Vorteile.

    Die Folgen des Braunkohletagebaus sind ja in der Lausitz sichtbar und werden es für immer bleiben. Was ist nun die Alternative?
    Andere fossile Energieträger, deren Umweltschäden der Förderung wir hier vor Ort nicht direkt sehen, sind ok? Regenwaldabholzung, großflächige Zerstörung des Lebensraumes von Mensch und Tier, Ölkatastrophen, Freisetzung von Gasen durch sogenannte Ölfackeln, Defekte an Bohrinseln, verseuchte Flüsse, Verschmutzung der Meere durch Austreten von Öl...
    Es wird keine Energiegewinnung geben, die nicht auch Nachteile mit sich bringen, aber welche Katastrophen sind durch WK zu erwarten?
    Was ist denn Ihre Vision?

  10. 108.

    Die 5% beziehen sich auf die tatsächliche Fläche die durch die 13 WK Anlagen vom Wald entfernt werden.
    Die Windeignungsfläche über 600 ha hat ja eine ganz andere Bedeutung. Sie denken doch nicht, dass man die 600 ha voll mit WK stellt. 0,05 Hektar verbraucht das Fundament einer WK, dh. nur so viel werden versiegelt. Bei 13 sind das 0,65 Hektar versiegelte Fläche, demnach also keine 5% sondern etwa 0.1 %.

  11. 107.

    "Mit dem Strom soll grüner Wasserstoff erzeugt werden, der dann wiederum dem Kraftwerk als Brennstoff dient. " Erstens, für Heizwecke ist grüner Wasserstoff (den es bis dato nicht gibt)viel zu teuer und Zweitens stellt das Kraftwerk den Betrieb ein, wenn der Wind nicht weht?

  12. 106.

    Im Zuge der Elektrifizierung sinkt der Energiebedarf. Ein E-Auto braucht zum Beispiel nur etwa ein sechstel der Energie eines Verbrenners und eine Wärmepumpe nur etwa ein Viertel der Energie eines Ölkessels.

  13. 105.

    Naja, die ersten xx% beinhalten eine Menge R&D Kosten. Durch diese Investitionen sind die marginalen Kosten für zusätzliche Leistung um einige Größenordnungen gefallen, und tun es noch. 1990 lagen die Kosten für ein Watt Solar noch bei rund 10€, heute kostet das Watt nur noch ein paar cent. Es wäre daher naiv anzunehmen, dass wir erst 10% des nötigen Geldes ausgegeben haben, wenn wir 10% der Energie erneuerbar erzeugen.

  14. 104.

    Aus welcher Quelle haben Sie eigentlich die 5%??? Laut des FNP der Stadt Spremberg beträgt die Windeignungsfläche über 600 ha. Der Stadtwald hat insgesamt eine Größe von ca.1100 ha. Und vergessen Sie bei Ihren Berechnungen nicht die Flächen der Zuwegung zu den WKA, denn diese bleiben dauerhaft erhalten bzw. müssen laut Gesetz ständig befahrbar sein. Und damit dürfte sich die genannte Zahl von 5% wohl erledigt haben. Haben Sie selbst eigentlich auch so eine oder mehrere WKA in Ihrer unmittelbaren Umgebung? Ich ja, und manchmal sind die Geräusche schon störend.

  15. 103.

    Welche Autobahn? Sie schreiben Unsinn und von Infraschallunsinn zur Herabsetzung solider Kommentare?
    Fahren Sie (um beurteilen zu können) z.B. mal nach Luckenwalde und hören Sie in 500 m Abstand dann das:
    wischwischwischwischwischwischwischwischwischwischwischwischwischwischwischwischwischwischwischwischwischwischwischwischwischwischwischwischwischwischwischwischwischwischwischwischwischwischwischwischwischwischwischwisch
    Es hört nie auf! Nach 20 Jahren sollte abgebaut werden, nachdem die unlautere Genehmigung nicht zurückgenommen wurde. So die Argumentation der Behörde damals. Heute droht noch viel Schlimmeres: Repowering.

  16. 102.

    Nicht nur die US Tech Giganten setzen auf Kernkraft. Beim ersten Treffen der Atom-Allianz in Brüssel kündigten mehr als 30 Regierungen an, den Ausbau bis 2050 zu verdreifachen.
    Deutschland ist in der Welt bei der Kernkraft isoliert.

    https://www.tagesschau.de/ausland/europa/atomenergie-allianz-abschlusserklaerung-100.html

  17. 101.

    Lassen Sie es mich so sagen: die Preise sind Krisenbedingt vorübergehend angestiegen und genau dieser krisenbedingte Preisaufschlag ist nun wieder abgebaut worden. Rechnen wir diese krisenbedingten Schwankungen heraus, so bleibt es bei einem kontinuierlichen Anstieg. Die steigenden Profite kommen allein den Stromerzeugern zugute.

  18. 100.

    "zwischenzeitlichen Preisanstiege" Die sind ja offensichtlich wegen dem Krieg. Ihre Aussage war aber, dass die Preise immer weiter steigen, was nicht der Fall ist. Sie sind jetzt wieder auf normal Niveau. Wer zu viel zahlt, sprich mehr als 35 Cent, sollte den Anbieter wechseln.

  19. 99.

    "Primärenergiebedarf" ?
    Würde mal ehr sagen, Gesamtenergiebedarf ist die Energie aus Verkehr, Industrie, Haushalten und Gewerbe. Aber keine Ahnung ob er diese Definition meint, weil die Zahlen bei ihm nicht stimmten. Deswegen die Frage, was er mit seinem Begriff meint.

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