Wasserproben durch Greenpeace - Umweltschützer messen in der Oder höheren Salzgehalt als im Meer
Nach der Umweltkatastrophe in der Oder hat die Umweltschutzorganisation Greenpeace untersucht, wo besonders viel Salz in den Fluss geleitet wird. Unterhalb von Bergbau-Betrieben fanden sie Salzkonzentrationen, die über denen von Meerwasser liegen.
Nach dem Fischsterben in der Oder im vergangenen Sommer erhärten Wasseruntersuchungen der Umweltorganisation Greenpeace den Verdacht, dass die Katastrophe durch die polnische Bergbau-Industrie verursacht worden ist. Wie aus einem Greenpeace-Bericht hervorgeht, der dem SWR [tagesschau.de] und dem "Tagesspiegel" vorliegt, wies das Flusswasser unterhalb von einigen Steinkohle-Minen besonders hohe Salzkonzentrationen auf.
Im August verendeten ein erheblicher Teil des Fischbestandes und zahlreiche weitere Tierarten. Lange Zeit war unklar, was zu der Umweltkatastrophe geführt hat. Wissenschaftler von Greenpeace Polen haben in den letzten Wochen mehrfach Wasseranalysen im Süden Polens durchgeführt. Laut dem Abschlussreport sind die Verursacher mehrere Betriebe der Steinkohle-Industrie in der Region Schlesien, die in großen Mengen Salzwasser in die Zuflüsse der Oder einleiten.
Gewässer-Experten waren sich schon länger einig, dass ungewöhnlich hohe Salzgehalte im Sommer zur Vermehrung einer giftigen Algenart (Prymnesium Parvum) geführt hatten. Diese Alge löste das Fischsterben aus. Woher das Salz kam, war bisher unklar.
Bergbau-Betriebe leiten abgepumptes Wasser ein
Im Fokus der aktuellen Greenpeace-Untersuchungen standen die Zuflüsse der Oder, in die Bergbau-Betriebe ihre Abwässer einleiten. In der Region gibt es zahlreiche Steinkohle-Minen. Diese pumpen unentwegt sehr große Mengen Wasser aus den Stollen ab, damit dort gearbeitet werden kann. Es ist bekannt, dass dieses "Pumpwasser", je nach Region, sehr salzhaltig sein kann.
Salzgehalt teils höher als im Meer
Die höchsten Salzkonzentrationen dokumentierte Greenpeace in den Oderzuflüssen Klodnica, Bierawka und Bielszowicki (Region westlich von Katowice), an denen mehrere Steinkohle-Minen liegen. Hierbei ergab sich, laut dem Untersuchungsbericht, ein eindeutiges Bild: Während oberhalb, also flussaufwärts, die Salzgehalte sehr niedrig lagen, stiegen die Salzgehalte ab den Einleitungsstellen der Minenbetriebe massiv an. Die Salzkonzentration war an mehreren Stellen sogar höher als in Meerwasser.
Die Toxikologen von Greenpeace sind sich sicher, dass diese Salze zu der massenhaften Vermehrung der giftigen Algen geführt haben. Christian Wolter, Fischökologe des Leibniz-Institutes für Gewässerökologe und Binnenfischerei (IGB) begrüßte gegenüber dem SWR die Greenpeace-Untersuchung: "Es war wichtig, dass Proben an den Einleitungsstellen genommen wurden, um die Verursacher klar zu identifizieren", sagte er. "Damit bestätigen die Ergebnisse dieses Berichts, worauf das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei schon lange hinweist: Die optimalen Wachstumsbedingungen für die giftige Alge, also die hohe Salzkonzentration in der Oder, wurden vom Menschen verursacht."
Auch Behörden messen hohe Salzgehalte im Oberlauf
Das größte polnische Bergbauunternehmen "Polska Grupa Górnicza" (PGG), das die meisten Minen im Einzugsgebiet betreibt, beantwortete Fragen des SWR trotz mehrfacher Nachfrage nicht. Das Unternehmen "JSW SA", das dort eine Mine betreibt, teilte auf Anfrage mit: "Die Einleitung von Salzwasser in die Umwelt basiert auf Genehmigungen der zuständigen Behörden. Es gab zahlreiche Überprüfungen, bei denen keine Unregelmäßigkeiten festgestellt wurden."
Das polnische Umweltministerium beantwortete konkrete Fragen des SWR ebenfalls nicht, sondern teilte lediglich allgemein mit, dass das zentrale Forschungslabor für Umweltschutz "derzeit zweimal wöchentlich an 20 Mess- und Untersuchungsstellen Proben des Oderwassers" entnimmt.
Informationen zu Grenzwertüberschreitungen beim Salzgehalt finden sich aber in öffentlich verfügbaren Messergebnissen polnischer Behörden. Dazu schreibt das polnische Umweltministerium, welches zu ähnlichen Ergebnissen kommt, wie Greenpeace: "Die höchsten Salzgehalte werden im Oberlauf des Flusses beobachtet, wo unterirdisches Wasser aus dem Steinkohle-Bergbau eingeleitet wird."
Warnung vor erneuter Umweltkatastrophe
Greenpeace Polen warnt davor, dass sich solch eine Umweltkatastrophe wiederholen könnte. Zudem seien von den massiven Salzwasser-Einleitungen der Bergbau-Industrie nicht nur die Oder, sondern auch die Weichsel massiv betroffen. In seinem Abschluss-Report fordert Greenpeace daher die polnischen Umweltbehörden zum Handeln auf. Es müssten sofortige Umweltprüfungen bei den Bergbaubetrieben durchgeführt, die Abwassermengen reduziert und Entsalzungsanlagen eingebaut werden.
Experten und Politiker fordern zum Handeln auf
Ob und wie die polnischen Umweltbehörden nun handeln, ist noch unklar, da die Untersuchungsergebnisse von Greenpeace Polen erst am Donnerstag veröffentlicht wurden. Fischereiexperte Christian Wolter vom Leibniz-Institut fordert Konsequenzen: "Wir hoffen, dass hinter den Kulissen auf politischer Ebene bereits an Lösungen wie Rückhaltebecken oder der Festlegung eines ökologisch verträglichen Grenzwertes auf wissenschaftlicher Basis gearbeitet wird. Die Einleitungen müssen dringen reduziert werden, damit sich diese Umweltkatastrophe in diesem Sommer nicht wiederholt."
Als Reaktion auf die aktuellen Ergebnisse fordert auch Benjamin Raschke, Vorsitzender der Grünen-Fraktion im Brandenburger Landtag, von der polnischen Regierung zügiges Handeln. "Wir sind sehr froh, dass Greenpeace etwas Licht ins Dunkel gebracht hat und fordern die polnischen Behörden auf, dem umgehend nachzugehen", sagt Raschke. Auch er warnte vor einer erneuten Katastrophe.
Um diese zu verhindern, müssten alle Anrainer jetzt zusammenarbeiten, sagte Sascha Maier vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (Bund) dem rbb. "Das könnte jetzt wirklich ein Anstoß sein, dass die Behörden in Deutschland, Polen und Tschechien zusammenarbeiten und zusehen, dass sie gemeinsame Messungen entlang des Flusses auf den Weg bringen." Dies sehe auch die Europäische Wasserrahmenrichtlinie zum Schutz von Gewässern vor, so Maier weiter. Allerdings würden entsprechende Messungen nur bei wenigen Flüssen tatsächlich erfolgen.
Sendung: Antenne Brandenburg, 02.03.2023, 14:00 Uhr