Lastwagen mit Elektro-Betrieb - "120 Kilometer, 63 Prozent Batterieladung - und weiter geht's"

Fr 23.06.23 | 17:57 Uhr | Von Riccardo Wittig
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Elektro-Lkw
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 23.06.2023 | Riccardo Wittig | Bild: rbb

Zwischen Schwedt und Berlin fahren erste Elektro-LKW mit einem Gewicht von bis zu 40 Tonnen. In der Transportbranche wird der Versuch kritisch beäugt - doch er zeigt auch, wie weit die Elektromobilität bereits ist.

An einem Hof in Angermunde steht am frühen Morgen ein scheinbar gewöhnlicher Lastwagen: Ein weißer, neuer 40-Tonner Sattelschlepper, hinten ein gelber Anhänger mit roten Buchstaben darauf. Berufskraftfahrer Przemyslaw Kaszmarek zieht das Ladekabel ab. Er ist 26 Jahre lang Diesel-LKW gefahren – nun sitzt er in einem Elektro-Lastwagen am Steuer. "Elektro ist gut, perfekt, keine Probleme", sagt der polnische Fahrer und lächelt.

Als Kaszmarek das Firmengelände verlässt, sind nur die Rollgeräusche der Räder zu hören. Heute wird er zwischen Schwedt und Berlin Papier transportieren. In der Hauptstadt werden für Lastwagen stetig die Umweltauflagen verschärft. Auch deshalb investiert sein Arbeitgeber, die Euba-Logistik, in Elektromobilität. Das Angermünder Unternehmen besitzt laut eigenen Angaben 88 Diesel-LKW und jetzt zwei Elektro-Laster. Vier weitere sollen in diesem Jahr dazukommen.

"Steht ihr im Stau oder was ist da los?"

300 Kilometer Reichweite hat der Elektro-LKW, den Kaszmarek fährt. Für den polnischen Fahrer geht es zunächst mit seinen 22 Tonnen Papier an Bord nach Wustermark (Havelland). Dort steht eine Wellpappenfabrik. Kaszmarek fährt die A11 herunter bis zum Dreieck Barnim. Kurz dahinter gibt es Stau. 62 Kilometer ist er bereits gefahren, seine Batterie zeigt noch eine Leistung von 77 Prozent an.

In der Firmenzentrale wird der Stillstand schnell bemerkt. "Hallo? Steht ihr im Stau oder was ist da los?", sagt Kaszmareks Chef Ronald Garkisch am Telefon. Jede Bewegung wird wegen der vergleichsweise kleinen Reichweite genaustens überwacht. "Es ist eine andere Planung, es hat mit Speditionen mit Dieselfahrzeugen nichts mehr zu tun", erklärt Garkisch.

Elektro-Lkw wird geladen

"Da muss ein Umdenken geschehen"

Klimafreundlichkeit sei dem Unternehmer wichtig, sagt Garkisch. Er habe immer zwei Zahlen im Kopf: "Elektro null CO2-Austoß, Diesel sieben Tonnen im Monat." Der 600 PS starke Elektrolaster verbraucht während der Fahrt nicht nur Strom - er kann auch seine Batterie wieder etwas auffüllen: Sein Elektromotor speist bei jedem Bremsvorgang wieder Energie in die Batteriezellen zurück. Ein Diesel-Laster verbrauche dagegen im Durchschnitt etwa 25 Liter Kraftstoff, sagt Garkisch. "Da muss ein Umdenken geschehen."

Die Papierladung ist inzwischen schon beim ersten Kunden in Wustermark entladen - 120 Kilometer, 63 Prozent Batterieladung - und weiter geht es nach Berlin. Im Bezirk Reinickendorf wird Altpapier geladen.

Zwar kosten die Elektrofahrzeuge mehr als das doppelte in der Anschaffung, aber Garkisch sieht auch Einspareffekte: durch die Nutzung von Energie aus der eigenen Solaranlage in Angermünde, staatliche Förderung und den Wegfall der Mautgebühren für Elektrofahrzeuge.

Elektro-Lkw
Bild: rbb

"So weit sind wir einfach noch nicht"

Doch nicht für alle lohnt sich bereits den Einstieg in die Elektromobilität. "Unsere LKW fahren im Schnitt 563 Kilometer", sagt Felix Lösch, Geschäftsführer des Papierlogistikers Leipa aus Schwedt, der dem Angermünder Unternehmen Euba Aufträge erteilt. "An jeder Ladestelle bräuchte man eine entsprechende Möglichkeit, die Wartezeiten auch zum Nachladen nutzen zu können. Und das bieten wir ja selbst noch nicht an", so Lösch weiter. "So weit sind wir einfach noch nicht."

Leipa-Der Geschäftsführer ist überzeugt, dass Wasserstoff auf lange Sicht eine sinnvollere Lösung als Elektrofahrzeuge ist. Damit könnte man auch mit LKW größere Reichweiten erreichen. "Aber dafür braucht es natürlich ein anderes Tankstellennetz", sagt Lösch.

Für Fahrer Kaszmarek reichen die 300 Kilometer Reichweite seines Elektro-Lasters aber erstmals aus. Nach fünf Stunden, 246 Kilometern und einem Verbrauch von 77 Prozent der Batterieleistung ist der Lastwagen-Fahrer wieder auf dem Firmenhof in Angermünde. Nun muss er nachladen - und eine Pause zum Einhalten der Lenkzeit machen.

Sendung: Brandenburg aktuell , 23.06.2023, 19:30 Uhr

Mit Material von Riccardo Wittig

Beitrag von Riccardo Wittig

13 Kommentare

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  1. 13.

    "semiflexiblen PV-Modulen" gab es mal hier aus der Gegend von Odersun als CIS-Zellen im roll-to-roll-Verfahren.

  2. 12.

    Nach 4 Jahren nur 80000 km? Sie fahren nicht gerade häufig, da sollte der Akku noch "lächeln".

  3. 11.

    "Studien ab 2030 dann ohne Förderung billiger als der Einsatz von Diesel- oder Wasserstoffantrieben sein." Schon möglich. Wasserstoff wird nicht ganz billig in der Produktion sein. Aber bei Diesel werden es nicht die Produktionskosten sein, sondern die künstliche Verteuerung über die CO2-Steuer.

  4. 10.

    "Leika-Der Geschäftsführer ist überzeugt, dass Wasserstoff auf lange Sicht eine sinnvollere Lösung als Elektrofahrzeuge ist." Bin ich nicht so richtig überzeugt. Was stellt er sich denn für Tanks dafür vor? Ziel sollte doch die massenebezogene Energiedichte von Diesel sein, das wird schon mit Batterien schwierig, aber mit Wasserstoff (Hydridspeicher sind schwer und Kryotanks sind wohl auch nicht die Lösung)?

  5. 9.

    "300 Kilometer Reichweite hat der Elektro-LKW" Das ist ein Witz, oder? Fehlt da eine Null oder ist das Ernst gemeint?

  6. 8.

    Sattelauflieger mit semiflexiblen PV-Modulen werden dann noch eine nennenswerte Reichweitenverlängerung bringen insbesondere bei Kühltransporten.
    <2kg/qm kriegt man jetzt schon ohne weiteres hin. Da ist die LKW Plane nicht mehr viel leichter.
    Mein Kühlschrank im Campingbus bleibt den ganzen Sommer an, egal ob ich ihn nutze oder nicht. Die Solarmodule speisen ausreichend nach.

  7. 7.

    Zum einen gibt es Förderung für die Anschaffung, zum anderen wissen gerade Profis wie Spediteure um die Bedeutung der TCO und schielen nicht nur auf den Kaufpreis. Der Betrieb von Batterie-Lkw soll laut versch. Studien ab 2030 dann ohne Förderung billiger als der Einsatz von Diesel- oder Wasserstoffantrieben sein. Bei letzteren schlägt u.a. der deutlich höhere Primärenergiebedarf zu Buche.

  8. 6.

    Beim Kilometerstand haben Sie sich um eine Zehnerpotenz vertan. Gerade Fahrer von E-Autos mit eher großer Reichweite und vergleichsweise wenigen Kilometern sollte man besser nicht fragen. Degradation ist da noch lange kein Thema. Z.B. wird Toyota schon wissen, warum die auf deren Traktionsbatterien eine Million Kilometer Garantie geben, auf die Brennstoffzelle aber nur 100.000 km. Jenseits der Verbrenner-Stammtische sind auch die Untersuchungen zur geringen Degradation der Akkuzellen von VW bekannt wie der sehr geringe Anteil an Batterien, die bei der Zoe ausgetauscht werden mussten.

  9. 5.

    Na wer will sich das heute noch antun. Neuer Tachgraph wird gerade eingeführt,neue Fahrerkarte mit Speicherkapazität von 56 Tagen. Nebenbei steht man mit einem Bein sowieso im Gefängnis oder wird vielleicht für ein Vergehen bestraft, dass 1,5 Monate zurückliegt. Über die Arbeitsbedingungen brauchen wir nicht extra mehr reden, sind ja allgemein bekannt.
    Und weniger Geld bekommt der Polnische Fahrer sicher nicht, sonst wäre er längst woanders. Wieviel die Firma zahlt ist ja nicht bekannt. Für die Firma ist das sicher Zuschussgeschäft. Ich glaube nicht, dass es für eine Tour Schwedt-Berlin-Schwedt, einmal am Tag, soviel Frachrate gibt um wenigstens auf Plus-Minus Null zu kommen. Zumal gesagt wurde, daß das Fahrzeug doppelt so teuer ist wie ein normaler LKW.

  10. 4.

    Nein, traurig ist, dass es dort einfach kein/kaum deutsches Fachpersonal mehr gibt. Übrigens in allen Branchen...

  11. 3.

    Vollkommen nicht zukunftträchtige Technologie, fragt doch bitte mal einen Tesla- Fahrer nach 4 Jahren ( ca.80.000 km) nach der Leistung seines Akku's?
    Wieviel kostet solch ein LKW ?
    Was kostet der LKW Fahrer während der Ladezeit? etc.
    Milchmädchenrechnungen vom feinsten..

  12. 2.

    Es geht noch weiter: Ab nächsten Jahr sollen batterieelektrische LKW für den Fernverkehr wie der, den MAN vor gut einem Jahr in Tempelhof gezeigt hatte, in Serie gehen. Da Ladenetz word gerade gebaut. Dank neuer Battterietechnik soll die für vier bis fünf Stunden Fahrt reichen. Die Schweizer E-LKW Marke Futuricum bietet schon länger Fahrzeuge mit noch grösserer Reichweite an, die im schweren Verteilerverkehr eingesetzt werden.

    Dem gegenüber erfüllten die Wasserstoff-Solowagen von Hyundai die Erwartungen in Bezug auf die Reichweite bei weitem nicht. Dke kamen nur 300km weit. Das Projekt wurde nach 50 von 1600 LKW gestoppt, zumal grüner Wasserstoff kaum verfügbar ist und für andere Zwecke dringender benötigt wird. Der GenH2 von Daimler mit 1200 l tiefkaltem H2 im Tank wird vsl. frühestens Ende des Jahrzehnts verfügbar sein.

  13. 1.

    Prima, dass solche Fahrzeugen nun auch im Regionalverkehr über längere Strecken zum Einsatz kommen und dabei lokal emissionsfrei fahren. Hoffentlich wird, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht dann nicht mit Braunkohlestrom oder AKW-Strom geladen. Dann wäre die lokal schön gerechnete CO²-Bilanz ganz schnell im A...h

    Traurig ist jedoch, dass ein in DE / BRB ansässiges Unternehmen es nötig hat, auf innerdeutsch eingesetzten Fahrzeugen statt einheimischer Fahrer polnische einzusetzen, weil die vermutlich billiger fahren als die örtlichen gut ausgebildeten Berufskraftfahrer....

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