Morddrohungen gegen linke Aktivistin - "Meine Eltern machen sich Sorgen, wenn ich am Tag das Haus verlasse"

Di 05.09.23 | 14:04 Uhr | Von Lucia Heisterkamp und Janine Reinschmidt
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Morddrohungen gegen eine 16-Jährige, weil diese sich in der Linksjugend engagiert, sorgen immer noch für Entsetzen. (Foto: Lucia Heisterkamp/rbb)
Audio: Antenne Brandenburg | 04.09.2023 | Lucia Heisterkamp | Bild: Lucia Heisterkamp/rbb

Morddrohungen und rechte Hetze gegen eine 16-Jährige, die sich in der Linksjugend engagiert: In Eisenhüttenstadt ermittelt nun der Staatsschutz. Die betroffene Schülerin will sich nicht von ihrer politischen Arbeit abhalten lassen. Von L. Heisterkamp und J. Reinschmidt

Nach Morddrohungen gegen eine Jugendliche in Eisenhüttenstadt (Oder-Spree) ermittelt inzwischen der Staatsschutz.

Unbekannte hatten am 24. August an eine leerstehende Schule in der Stadt Hakenkreuze und die Worte "Pia wir kriegen dich" sowie "Tod für Links" gesprüht. Die Drohungen richten sich gegen eine 16-jährige Schülerin, die sich bei der Linksjugend Brandenburg engagiert.

16-Jährige bereits in Vergangenheit angefeindet

"Besonders in der ersten Woche nach dem Geschehen saß der Schock tief", teilte diese dem rbb schriftlich mit. "Auch meine Eltern haben sehr mit der Situation zu kämpfen. Sie machen sich Sorgen, wenn ich am Tag das Haus verlasse." Sie sei in der Vergangenheit schon wegen ihres Engagements bespuckt oder beleidigt, niemals aber mit dem Tode bedroht worden. Mittlerweile gehe sie nur noch selten allein vor die Tür.

Hakenkreuze übermalt - Morddrohungen noch nicht

Die bedrohte Schülerin selbst und auch die Stadt Eisenhüttenstadt hatten Anzeige erstattet. Die Hakenkreuze wurden inzwischen im Auftrag der Stadt übermalt, sind allerdings immer noch zu erkennen. Die Morddrohungen wurden bislang nicht entfernt. Man müsse sich zuerst mit dem Eigentümer des leerstehenden Gebäudes verständigen, teilte ein Sprecher der Stadt mit.

Dass Mitglieder der Linksjugend Brandenburg angefeindet werden, komme immer wieder vor, so Marek Lipp von der Jugendorganisation. Viele junge Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus engagierten, hätten die Region inzwischen verlassen.

Walter: "Brandenburg hat Problem mit Rechtsradikalismus"

"Der Vorfall reiht sich ein in verschiedene Vorfälle der letzten Monate und zeigt, wir haben ein massives Problem mit Rechtsextremismus in Brandenburg", sagte Brandenburgs Linken-Fraktionschef Sebastian Walter. Im April hatten zwei Lehrkräfte an einer Schule in Burg im Spreewald öffentlich gemacht, dass sie täglich mit Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie konfrontiert seien. Sie waren danach rechten Anfeindungen ausgesetzt und verließen die Schule.

Walter forderte unter anderem mehr Mittel für Projekte, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren. Die Bundesregierung plane in dem Bereich massiv Gelder zu kürzen. "Hier muss Brandenburg Widerstand leisten. Wir müssen deutlich machen: Brandenburg hat eine starke Demokratie, wir werden es nicht mehr zulassen, dass es Angsträume gibt in diesem Land."

Solidarität für Schülerin

Unterdessen erhält Pia, die bedrohte Schülerin, Unterstützung von der Brandenburgischen Gesellschaft für Kultur und Geschichte. Die Gesellschaft erklärte am Dienstag in Potsdam, sie verurteile "jede Form rechter Gewalt und Bedrohung" und solidarisiere sich mit ihrer Projektmitwirkenden. Die Drohungen und andere rechtsextreme Schmierereien waren in der Nacht zum 24. August unter anderem auf Teilen eines Kunstprojekts der Gesellschaft angebracht worden.

Das Museum Utopie und Alltag in Eisenhüttenstadt erklärte, es herrsche Entsetzen über die rechtsradikale, verfassungsfeindliche Straftat. Das Museum stehe für eine offene, demokratische und vielfältige Gesellschaft und verurteile die Tat sowie jede Form rechter Gewalt und Bedrohung auf das Schärfste. Das Wichtigste sei nun, die bedrohte Jugendliche zu schützen. Ihr Engagement sei "von unschätzbarem Wert für die Stadt und für eine offene und demokratische Gesellschaft".

"Werde mich nicht unterkriegen lassen"

Pia will sich trotz der Drohungen weiter politisch engagieren. "Ich werde mich davon nicht unterkriegen lassen und weiter für eine hass- und gewaltfreie Gesellschaft kämpfen und mich für meine Heimatstadt, Eisenhüttenstadt, engagieren." Der Vorfall zeige einmal mehr, wie wichtig das ist.

Sendung: Antenne Brandenburg, 05.08.2023, 16:40 Uhr

Beitrag von Lucia Heisterkamp und Janine Reinschmidt

13 Kommentare

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  1. 13.

    Nun ja, es war aber m. E. nicht schon immer so, dass, wenn man sich für bestimmte Ziele einsetzt, sofort massiv Hass, Hetze und Morddrohungen auf einen einprasseln, Renate.

  2. 12.

    Es war schon immer so, dass man in jeder Gesellschaftsform, ob auf dem Land oder in der Stadt, im Familien-, Freunden- und Kollegenkreis, für seine Meinung und Ideale stehen musste/stehen muss.

  3. 11.

    Sogar Kinder werden nun schon bedroht! Wie furchtbar und erbärmlich! Bleib stark, Pia.
    Ansonsten kann ich mich Anja nur anschließen: Mehr gesellschaftliches Engagement auf allen Ebenen verbindet und erhöht Akzeptanz und Toleranz. Den Rechten darf man diesen Raum nicht überlassen.

  4. 10.

    Boah und gruselig, wie selbst hier bei den Kommentaren versucht wird, das Ganze zu relativieren...

  5. 9.

    Was für ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft, wenn ein junger Mensch sich gegen Rassismus engagiert und dafür mit dem Tode bedroht wird. Ich wünsche den Betroffenen viel Kraft und Mut, wir stehen hinter euch! Wir sind auch Antifaschisten!

  6. 8.

    Meiner Tochter(9.Klasse, Oberschule) würde intersagt, einen Sticker mit durchgestrichenem Hakenkreuz (keine Macht den Nazis) auf dem Schulgelände zu tragen,aus Angst vor Diskussionen so die Lehrerin....keine Pointe.

  7. 7.

    In Deutschland ist die antisemitische Vergangenheit eines Politikers völlig akzeptiert aber Linke Meinungen in der Öffentlichkeit zu vertreten ist lebensbedrohlich. Ich lache über unsere Vergangenheitsbewältigung bei 25% AfD Umfragen. Wir haben ein Problem von Rechts und wenn nicht bald was passiert wiederholt sich die Geschichte von vor 100 Jahren.

  8. 6.

    Dann nennen Sie mal bitte konkrete Beispiele für Ihre Unterstellung. Aber bitte solche, die sich nicht durch wissenschaftliche Erkenntnisse begründen lassen.

    Kläglicher Versuch, Rechtsextremismus zu relativieren...

  9. 5.

    "Wenn jeder seine Meinung als absolut hinstellt und versucht, andere damit zu bekehren, führt das zu den beschriebenen Auswüchsen."

    So ist es. Jedoch sind Linke und Grüne hier absolut führend...

  10. 4.

    Die Mittel zu kürzen, wäre ein katastrophaler Fehler. Wir brauchen mehr engagierte Menschen, wir brauchen ein Netz, Kommunikation, örtliche Aktivitäten von der Beratung und Hilfe bis zum Volksfest. In Anglervereinen, Fußballvereinen, überall könnten Initiativen entstehen. Hausaufgabenhilfe, Einkaufsservice, all diese bürgernahen Dienste, sollten unterstützt und ermöglicht werden. Die Rechten haben sich in diesen Bereichen längst etabliert. Zum einen brauchen wir den Kampf gegen Rechtsextreme, zum anderen aber auch die Stärkung der solidarischen Gemeinschaft.

  11. 3.

    Auch in dieser Sache warte ich die Ergebnisse der Ermittlungen ab, bevor man vorschnell ein Urteil fällt. In Leipzig haben linke Aktivisten selbst Aktionen initiiert und publiziert und letztlich war nichts von rechten gewesen. Unabhängig davon finde ich Morddrohungen, Drohungen und Gewalt gegen andersdenkende zum k...., das untergräbt Meinungsfreiheit und Demokratie.

  12. 2.

    Ich kann Kirsten nur beipflichten. Wir sollten als Gesellschaft wieder mehr lernen, andere Meinungen zu akzeptieren. Man muss sie nicht teilen, aber akzeptieren wäre gut. Wenn jeder seine Meinung als absolut hinstellt und versucht, andere damit zu bekehren, führt das zu den beschriebenen Auswüchsen. Das ist leider in den letzten Jahren schlimmer geworden.

  13. 1.

    Es hat jedem Menschen egal zu sein für welche politische Strömungen sich Andere engagieren. Verharmlosung des Nationalsozialismus und Stalinismus davon ausdrücklich ausgenommen. Es hat auch jedem Menschen die sexuelle und religiöse Ausrichtung egal zu sein. Es ist erschreckend zu sehen, wie Menschen meinen, anderen ihre Auffassungen, Neigungen und Aktivitäten zu verübeln. Wenn Gewalt angedroht wird, müssen die Sicherheitsbehörden eingreifen. Zu viel wurden und werden in diesem Land Menschen massiv bedroht, angegriffen und verletzt. Es werden gesellschaftspolitisch engagierte Menschen sowie gewählte Volksvertreter bedroht und organisiert angegriffen. Parteibüros werden attackiert. Autos werden angezündet. Menschen werden an ihren freien Willensentscheidungen gehindert. Dieser Gewalt muss mehr entgegengetreten werden!

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