Kommune am Limit - Neuhardenberg weiterhin mit Geflüchteten überfordert
In Neuhardenberg leben 2.700 Einwohner, 500 davon sind Geflüchtete. Im Frühjahr eskalierte die Lage und es gab Fälle von Jugendgewalt. Monate später beklagen Gemeindevertreter fehlende Mittel und fordern Unterstützung von Land und Bund.
Mitten in Neuhardenberg (Märkisch-Oderland) stehen fünf große unsanierte Häuserblocks. Sie beherbergen die Gemeinschaftsunterkunft (GU) für Geflüchtete. Die Neuhardenberger nennen die Gebäude "das Pentagon". In den ehemaligen Armeeunterkünften leben nun hunderte Geflüchtete. Angefangen hat es 2013 mit 120 Menschen in der GU. "Da hatten wir einen sehr guten Kontakt", sagt Neuhardenbergs ehrenamtlicher Bürgermeister, Mario Eska (Linke) am Donnerstag.
In Neuhardenberg leben inzwischen etwa 500 Geflüchtete bei einer Bevölkerungszahl von etwa 2.700 Menschen. Anfang des Jahres geriet die Gemeinde in die Schlagzeilen, weil Vandalismus und Schlägereien zunahmen. Tatverdächtig waren laut Polizei unter anderem auch minderjährige Migranten. Doch davon ist seit Monaten nichts mehr zu hören.
Willkommenskreis hat sich aufgelöst
Bürgermeister Eska kritisiert die hohe Anzahl der Geflüchteten. "Durch die Vielzahl haben die Flüchtlinge für mich kein Gesicht mehr, sondern sind nur noch eine Masse", sagt der Bürgermeister. Die GU sei eine Art Ghetto, Integration nicht möglich. Viele Flüchtlinge leben schon seit zehn Jahren im Heim. Arbeit gebe es keine. "Man müsste die Flüchtlinge besser auf dem Land verteilen."
Das macht auch die Helfer hilflos, der Willkommenskreis in Neuhardenberg hat sich aufgelöst, wie Horst Nachtheim sagt. Der Schwabe hat sich für Sprachkurse für Geflüchtete engagiert und beklagt ihre Perspektivlosigkeit: "Das sind zum Teil Leute, die mit sechs oder sieben Jahren als Kinder hierhergekommen sind. Sie sind zum Teil jetzt 16 oder 17 Jahre alt und haben eine klassische Heimsozialisation durchgemacht."
Der rbb hat versucht, mit Geflüchteten zu sprechen, doch keiner der Angefragten wollte sich öffentlich äußern.
"Hier ist nichts angekommen"
Im Mai dieses Jahres beschließt der Bund in einem Flüchtlingsgipfel, den Kommunen mit einer Milliarde Euro zur Seite zu springen. Die Verantwortlichen in Neuhardenberg stehen aber fünf Monate später immer noch mit leeren Händen da, sagt Bürgermeister Eska: "Wir als Kommune hätten tatsächlich den Bedarf an finanziellen Mitteln, um hier bestimmte Sachen zu gewährleisten. Aber hier ist nichts angekommen."
Nötig sei etwa der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Die Gemeinde habe inzwischen Mühe, ihre rechtlichen Verpflichtungen nachzukommen – auch bei den Kindern. Ihre ausreichende Versorgung sei kritisch, sagt Dieter Arndt, Neuhardenbergs stellvertretender Bürgermeister (parteilos): "Schule, Kita: Da sind wir an der Kapazitätsgrenze." Als Kommune könne man sich weder den Anbau noch den Neubau von Bildungsstätten leisten, so Arndt.
Geflüchtete sollen nach sechs Monaten arbeiten dürfen
Den erwachsenen Geflüchteten in Neuhardenberg fehlt es an einer Perspektive: Viele wollen arbeiten, dürfen aber nicht. "Wenn ich hier eine Duldung habe und nicht arbeiten darf, meine Berufsabschlüsse nicht anerkannt werden oder ich die Sprache nicht kann, dann müssen Lösungen her", sagt Arndt. Das könne die Gemeinde vor Ort nicht lösen. "Es ist ein rechtliches Problem, das auf Bundesebene geklärt werden muss."
In Sachen Arbeitsverbot gibt es nun Bewegung: Die Bundesregierung hat einen Gesetzesentwurf vorgelegt, wonach Geflüchteten schon nach sechs statt bisher neun Monaten arbeiten dürfen. Zudem sollen Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern einfacher werden. Laut Tagesschau soll der Beschluss noch vor der Ministerpräsidentkonferenz im November im Kabinett verabschiedet werden.
Die Landkreise gehen dabei einen Schritt weiter: Vor Beginn des Migrationsgipfels von Bund, Ländern und CDU am Freitag forderte der Deutsche Landkreistag eine Arbeitspflicht für alle Migranten in Deutschland. "Wer gesund ist und nicht gehandicapt ist, muss arbeiten. Eine Arbeitspflicht muss her", sagte Verbandspräsident Reinhard Sager der "Bild"-Zeitung. Dabei sei es egal, ob es sich beispielsweise um gemeinnützige Arbeit oder eine Arbeit in der Gastronomie handele.
Inzwischen hat sich die Gemeinde Neuhardenberg etwas ausgedacht, um sich mehr Gehör bei der Landes- und Bundespolitik zu verschaffen: Einen Integrationsausschuss, geleitet von Dieter Arndt. Damit wolle man Forderungen stellen – beispielsweise mehr Geld für die Ausbildung der geflüchteten Kinder. "Wir können und wollen nicht davonlaufen. Wir leben alle hier und müssen miteinander klarkommen, möglichst im Guten", sagt Arndt.
Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 12.10.2023, 19:45 Uhr
Mit Material von Maximilian v. Mauch