Mietmarkt - Wie der Wohnungstausch in Berlin in Gang kommen soll
Neben Mieten und Kaufen gibt es noch einen dritten Weg, um in Berlin an eine neue Wohnung zu kommen: Tauschen. Doch so recht will der Tausch-Markt nicht in Gang kommen. Nun liegen neue Ideen vor, das zu verbessern. Von Sebastian Schöbel
- Der Tauschmarkt bei Wohnungen in Berlin kommt kaum in Gang.
- Seit 2018 wurden im Portal der landeseigenen Immobilienunternehmen rund 15.000 Tauschangebote inseriert.
- Es wurden aber nur 454 Tauschgeschäfte abgeschlossen.
- Ein Grund: Viel mehr Menschen wollen größere Wohnungen. Nur wenige wollen kleinere.
- Alle Landesparteien befürworten Wohnungstausch, haben aber unterschiedliche Ideen zur Förderung.
Es klingt ein wenig nach Verzweiflung, wenn man die Idee der Berliner Wohnungstauschbörsen auf ihren Kern reduziert: Die Hoffnung, dass irgendwo in dieser Stadt jemand in einer Wohnung wohnt, die perfekt für einen selbst wäre – und man selbst in der Wohnung wohnt, die für genau diese Person ebenso perfekt wäre. Ein einfacher Tausch wäre die ideale Lösung für beide Seiten.
Ganz so einfach ist es allerdings nicht: Zwar gibt es bereits seit einigen Jahren Wohnungstauschbörsen, sowohl privatwirtschaftliche als auch die der landeseigenen Unternehmen. Doch richtig in Gang gekommen ist die Tauscherei bislang kaum.
Auf dem Portal der sechs landeseigenen Immobilienunternehmen, inberlinwohnen.de, wurden seit Ende 2018 zwar etwas mehr als 15.000 Inserate eingestellt, doch erfolgreiche Tauschgeschäfte gab es bislang nur 454. Das ergibt sich aus aktuellen Zahlen des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), die dem rbb vorliegen. Zwar wurden seit Gründung des Portals, bei dem Mieter der landeseigenen Unternehmen Tauschwohnungen anbieten und suchen können, mehr als 200.000 Tauschverfahren angeregt - doch nur knapp 1.000 davon wurden in den vergangenen vier Jahren tatsächlich in Gang gebracht.
Der Grund dafür ist offenbar ein grundsätzlicher: Angebot und Nachfrage passen nicht zueinander. Das räumte auch Snezana Michaelis, Vorstandsmitglied bei der Gewobag, im September 2022 ein. "Wir haben eine ungefähr fünfmal höhere Nachfrage nach Wohnraumvergrößerung, als wir eine Nachfrage nach Wohnraumverkleinerung haben", sagte Michaelis damals im Bauausschuss des Abgeordnetenhauses.
Tatsächlich zeigen das auch die neuen Zahlen des BBU: 51 Prozent der Interessenten suchten eine größere Wohnung, 11 Prozent eine kleinere. Der Rest wollte sich aus anderen Gründen verändern, zum Beispiel wegen der Ausstattung der Wohnung oder der Lage. "Wir stellen fest, dass in der Theorie die Wohnungstauschbörse sicher ein gutes Instrument ist, aber bei einer derart geringen Fluktuation und einem so geringen Leerstand, den wir im Bestand haben, ist schlicht und ergreifend das Matching von Angebot und Nachfrage an der Stelle schwierig."
Der wohnungspolitische Sprecher der Linken, Niklas Schenker, fordert nun, dass die Politik den Tauschbörsen entgegenkommt. Das Recht auf Wohnungstausch müsse im Bundesmietengesetz verankert werden, so Schenker. Vorbilder seien Schweden und Österreich. Die Justizminister haben sich im Herbst 2022 bereits auf ein gesetzliches Wohnungswechselmodell geeinigt: Es soll den einvernehmlichen Wohnungstausch beim selben Vermieter möglich machen.
Schenker will aber auch erreichen, dass Mieter bei einem Tausch den günstigeren Quadratmeterpreis mitnehmen können. Das soll das Problem der fehlenden großen Wohnungen im Angebot beheben. "Wir schlagen vor, dass beide Mietparteien ihren alten Preis behalten", so Schenker. Bislang ist es bei der Tauschbörse der landeseigenen Unternehmen so, dass lediglich die Nettokaltmieten der beiden Wohnungen gleich bleiben, also keine Miete erhöht wird.
Zudem sollen zusammenziehende Haushalte Prämien bekommen: Das soll, so Schenkers Kalkulation, vor allem viele ältere Mieter dazu bewegen, ihre großen Wohnungen mit vor allem jüngeren Mitbewohnern zu teilen. "Das ist auch eine gute Maßnahme gegen die wachsende Vereinsamung in der Stadt." Das Land könne diese Generationen-WGs unterstützen, indem Umzug und sonstige Kosten erstattet und eine Prämie gezahlt würde.
Versuche in diese Richtung gab es bereits 2014: Damals einigten sich Senat und landeseigene Wohnungsunternehmen, dass Mieter, die von größeren in kleinere Wohnungen umzogen, eine Prämie erhalten konnten, zwischen 1.500 und 2.500 Euro. "Eine spürbare Erhöhung der Tauschaktivitäten war hieraus nicht ersichtlich", resümierte die Stadtentwicklungsverwaltung im vergangenen Jahr auf Nachfrage der Grünen.
Beim bisherigen Koalitionspartner, den Grünen, rennt Schenker mit seinem Vorstoß offene Türen ein. "Der Wohnungstausch ist ein wichtiger Baustein, um Wohnflächen bedarfsgerechter und effizienter zu nutzen", sagt deren wohnungspolitische Sprecherin Karin Schmidberger. Auch sie setzt sich dafür ein, dass Mieter der landeseigenen Unternehmen, die von großen in kleine Wohnungen wechseln wollen, den niedrigeren Quadratmeterpreis mitnehmen können. In der Pflicht seien aber auch die privaten Vermieter, so Schmidberger. Unternehmensübergreifender Wohnungstausch sei im Rahmen des Wohnungsbündnisses vereinbart worden. "Eine Umsetzung sind Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel und die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey bisher schuldig geblieben. Nichts ist in diesem Bereich passiert."
Die SPD spricht sich in ihrem aktualisierten Wahlprogramm ebenfalls dafür aus, Wohnungstausch zu fördern – spricht mit Blick auf die Privaten allerdings nur von einer "Aufforderung", keiner Pflicht. Die Idee der Mietmitnahme unterstützen die Sozialdemokraten ebenfalls. "Ältere Menschen sollen mit ihrem Mietvertrag in kleinere Wohnungen wechseln können."
Konsensfähig ist der Wohnungstausch aber auch über die rot-grün-roten Parteigrenzen hinweg. Die CDU will ein "Recht auf Tausch" auf Bundesebene rechtlich prüfen, unterstützt die Idee aber grundsätzlich. "Zwei Mietparteien sollen einfach in das Vertragsverhältnis des anderen eintreten können, ohne dass der Vermieter dem ohne wichtigen Grund widersprechen kann", heißt es im Wahlprogramm. Allerdings sollen kleine Vermieter mit weniger als zehn Wohnungen davon ausgenommen werden.
"Der Wohnungstausch muss raus aus seiner Nische", sagt auch AfD-Bauexperte Harald Laatsch. Er fordert, dass vor allem die Informationsangebote zu Tauschmöglichkeiten ausgebaut werden, zum Beispiel mit Tauschbörsen in Ladenlokalen. "Wichtig ist, dass der Zugang niedrigschwellig ist und nicht erst durch komplexe Verwaltungswege führt", so Laatsch.
Dass der Wohnungstausch ein brauchbares Instrument sein kann, um den Berliner Mietmarkt zu entspannen, darin sind sich alle Parteien weitgehend einig. Ein Blick auf die aktuellen Angebote der landeseigenen Wohnungstauschbörse zeigt allerdings, wie weit der Weg noch ist: Stand heute sind dort lediglich knapp 90 Wohnungen inseriert – davon weniger als zehn mit mehr als vier Zimmern, und bis auf zwei alle außerhalb des S-Bahn-Rings.
Sendung: rbb24 Inforadio, 01.02.2023, 15 Uhr
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