Fragen und Antworten - Was bei Eigenbedarfskündigungen zu beachten ist
Wenn Vermieter ihren Mietern kündigen, ist der häufigste Grund: "Eigenbedarf". Doch so einfach geht die Kündigung gar nicht über die Bühne - besonders nicht in Berlin. Was Mieter und Vermieter beachten müssen. Von Efthymis Angeloudis
Seit über drei Jahren häufen sich die Fälle von Eigenbedarfskündigungen in Berlin. "Man kann da schon einen Sprung feststellen", sagt der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins Sebastian Bartels. Die Zahl der Rechtsberatungen unter den Mitgliedern des Vereins betrugen 2019 einige Hundert. "Jetzt haben wir weit über Tausend."
Gefühlt seien Eigenbedarfskündigung eher selten in der Rechtsabteilung des Berliner Mietervereins gelandet. "Jetzt ist es so, dass man die Fälle kaum noch auseinanderhalten kann, weil sie sich so ähneln", sagt Bartels dem rbb.
Eigenbedarf ist mittlerweile der bekannteste und häufigste Kündigungsgrund für Vermieter. Der Deutsche Mieterbund schätzt, dass das rund 80.000 Mietern jährlich passiert. In einem eindeutigen Zusammenhang ist der gestiegene Eigenbedarf laut Berliner Mieterverein mit der Umwandlung von Wohnhäusern in Eigentumswohnungen. "Wenn ein Wohnhaus aufgeteilt und einzelne Wohnungen verkauft werden, wollen Käufer entweder selbst einziehen oder die Wohnung gewinnbringen neu vermieten", sagt Bartels.
In Berlin sind in den vergangenen Jahren viele Wohnungen in Mietshäusern in Eigentumswohnungen umgewandelt worden. Allein zwischen 2011 und 2020 betraf dies laut Mieterverein 124.421 Wohnungen.
Wann ist Eigenbedarf möglich?
Grundsätzlich haben Vermieter das Recht, den Mietern zu kündigen, um die Wohnung für sich selbst, Verwandte oder Angehörige des Haushalts zu nutzen. Das umfasst auch Haushaltshilfen oder Pflegepersonal. Doch den Eigenbedarf muss der Vermieter auch begründen, so dass er für Richter nachvollziehbar ist.
Vermieter müssen bereits im ersten Schreiben detailliert aufzählen, warum sie die Wohnung für sich selbst oder nahestehende Personen beanspruchen. Nachgereichte Begründungen gelten nicht und können die Eigenbedarfskündigung unwirksam machen.
Es gibt laut dem Berliner Mieterverein auch Vermieter, die die Gründe vortäuschen. "Es gibt zum Beispiel Fälle, in denen ein Eigentümer versucht, in mehreren Objekten gleichzeitig für verschiedene Personen Eigenbedarf geltend zu machen", sagt Bartels dem rbb. "Das ist schon sehr merkwürdig."
Auch andere Fälle erscheinen dem Mieterverein wenig plausibel. "Wenn der Vermieter die 1-Zimmer-Wohnung in Mitte für seine älteren Eltern haben möchte, die bis jetzt in Zehlendorf wohnten, weil das kulturelle Angebot in Mitte besser sei, ist da irgendwo der Wurm drin."
Wann ist Eigenbedarf nicht möglich?
Eine Eigenbedarfskündigung ist jedenfalls unwirksam, wenn das Besitzrecht des Mieters schwerer wiegt als das Eigentumsrecht des Vermieters. Das trifft bei bestimmten Härtefällen zu. Zum Beispiel können ein hohes Alter und eine lange Mietdauer einer erfolgreichen Kündigung im Weg stehen.
Oder aber: Ist der Mieter hochbetagt und tief am Wohnort verwurzelt, verletzt es ihn nach einem Urteil des Landgerichts Berlin in seinen Grundrechten, wenn er seine Wohnung verliert. Denn dann sei es für ihn aus eigener Kraft nicht möglich, sein Privatleben an einem anderen Ort wiederaufzubauen. Diesen Grund folgen aber nicht immer die Gerichte, weil man sich eine Ersatzwohnung im näheren Umfeld suchen oder auch in andere Bezirke umziehen könne.
Ein Härtefall kann auch eintreten, wenn der Mieter eine Krankheit hat, die ihn daran hindert, eine Wohnung zu suchen. Das sei zum Beispiel, eine Depression, sagt Bartels. "Wenn die so schwer sind, dass ich sogar suizidgefährdet bin, dann kann ich mich darauf als Härtefall berufen. Ich bin dann praktisch nicht mehr in der Lage, nach einer anderen Wohnung zu suchen."
Wann und wie lange sind Wohnungen vor Eigenbedarf geschützt?
In Berlin sind Mieter umgewandelter Wohnungen besonders lang vor Eigenbedarfskündigungen geschützt. Der Eigentümer darf nach einer Umwandlung den Mietern zehn Jahre lang nicht wegen Eigenbedarfs kündigen.
Doch nicht alle unterliegen dieser Schutzvorschrift. "Mieter, die erst nach der Umwandlung eingezogen sind oder deren Wohnung nach der Umwandlung ein weiteres Mal verkauft wurde, haben im Grunde nur die normale Kündigungsfrist", erklärt der Mieterverein. Diese beträgt bei Eigenbedarf in der Regel drei Monate und kann sich je nach Dauer des Mietverhältnisses um drei weitere Monate verlängern.
Wie sollen sich Mieter bei einer Eigenbedarfskündigung verhalten?
Erhält ein Mieter eine Eigenbedarfskündigung muss er schnell reagieren, weil es Fristen gibt. "Auf keinen Fall sollte man die Kündigung erstmal weglegen. Man sollte sie immer auf dem Tisch lassen und sich das möglichst genau durchlesen, denn der Härtefalleinwand muss zwei Monate vor dem Ablauf der Kündigungsfrist erhoben werden. Wenn man die Frist verpasst, kann man keine Härtefälle wie gesundheitliche Probleme angeben", sagt Bartels.
Bei einem Vergleich wiederum melden sich Mieter oft viel zu früh bei den Vermietern und riskieren damit für viel zu wenig Geld aus der Wohnung auszuziehen, berichtet der Berliner Mieterverein. Denn in vielen Fällen bieten Vermieter ihren Mietern Geld an, um aus der Wohnung auszuziehen. "Da kann man sehr viele Fehler machen und sollte sich gut beraten lassen, denn meistens kalkuliert man gar nicht genug ein."
Kann man sich nach Auszug noch wehren?
Sollten Mieter die Vermutung haben, dass die Wohnung doch nicht so benutzt wird, wie in der Eigenbedarfskündigung angegeben, können sie sich auch nach dem Auszug aus der Wohnung dagegen wehren. "Wenn die Nachbarn sensibilisiert sind, kann man sie schauen lassen, ob denn die Bedarfspersonen wirklich dort eingezogen ist", erklärt der Mieterverein.
"Natürlich möchte man nicht jemanden hinterher spionieren, aber eine Überprüfung lohnt sich angesichts der nicht unerheblichen Fallzahlen und der Entschädigung, die bei einem bewiesenen vorgetäuschten Fall auch gezahlt werden müssen."
In die Wohnung komme man, so Bartels nicht wieder rein, aber man könne sich die Mietdifferenz von der alten zur neuen Wohnung für bis zu drei Jahren bezahlen lassen. "Also, vorher informieren, dranbleiben, Nachbarn ansprechen, selber vielleicht mal vorbei gucken, wer auf dem Klingelschild steht."
Sendung: rbb24 Inforadio, 17.08.2023, 14:35 Uhr
Korrekturhinweis: In einer früheren Version dieses Textes hier es, "der Härtefalleinwand muss spätestens zwei Monate, nachdem man die Kündigung bekommen hat, erfolgen". Tatsächlich muss der Härtefalleinwand zwei Monate vor dem Ablauf der Kündigungsfrist erhoben werden. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen.