E-Mobilität in Brandenburg - Kann Bio-Ethanol ländlichen Regionen zu mehr E-Ladestationen verhelfen?
Seit 2019 ist die Zahl öffentlicher E-Ladestationen in Brandenburg um das Sechsfache gewachsen. Ein Unternehmen aus Wildau will nun dort Mobilität bereitstellen, wo das Stromnetz an seine Grenzen kommt. Von Torsten Sydow
Die Kurve zeigt kontinuierlich nach oben. In den vergangenen vier Jahren haben viele Brandenburgerinnen und Brandenburger tief in ihre Taschen gegriffen: Bis Juli dieses Jahres hat sich die Zahl der E-Autos fast verzehnfacht - sie stieg von 2.156 auf 23.020.
Nach Aussagen des Wirtschafts- und Energieministeriums in Potsdam laden rund 80 Prozent die Batterien ihrer Elektroautos zu Hause oder im Unternehmen auf. Für die Fahrten durchs Land stehen öffentliche Ladestationen bereit – an Tankstellen aber auch an Supermärkten. In den vergangenen vier Jahren stieg deren Zahl von 338 auf 2.095 - also etwa um das Sechsfache.
Statistisch gesehen müssen sich in Brandenburg elf E-Autos eine öffentliche Ladestation teilen, im Bundesschnitt sind es zwölf E-Autos, wie aus den Zahlen der Energieagentur Brandenburg hervorgeht. Die Ladeleistung liege mit 4,2 KW deutlich höher als im Bundesmaßstab.
Mobile Schnellladestation verbrennt Bioethanol
Doch die netzgebundenen E-Ladestationen sind in Brandenburg sehr ungleich verteilt: In Potsdam finden sich viele, in der Uckermark kaum Stationen. Dort fehlt oft die Strommenge, die benötigt wird, um die Batterie eines Lastwagens oder eines Teslas schnell laden zu können. Es bräuchte so viel Strom, wie für die Versorgung von 50 Haushalten erforderlich ist.
Für ländliche Regionen könnte das Wildauer Unternehmen "me energy" eine Lösung anbieten. Denn nach dessen Darstellung sind im Moment noch etwa zehn bis 20 Prozent der Orte in Brandenburg noch nicht für Schnelllade-Systeme ausgelegt.
Das will das Unternehmen ändern. Die Idee: Elektroenergie erzeugen durch die Verbrennung von Bio-Ethanol. Der sogenannte "Rapid Charger 150" des Unternehmens hat fast Ausmaße eines Lkw-Anhängers und produziert auf diese Weise Strom für E-Autos. "So kann in jedem Ort mit Schnelllade-Stationen Strom bereitgestellt werden", schildert "me energy"-Geschäftsführer Alexander Sohl. Er spricht von einem wichtigen Puzzlestein für die Bereitstellung von Elektroenergie.
Seiner Meinung nach könnte mit Bio-Ethanol aus Pflanzenfasern bis zum Jahr 2030 etwa zehn Prozent des Ladestroms erzeugt werden. Es sei ungefähr die gleiche Menge an Bio-Ethanol, die nicht mehr als Beimischung für die sinkende Menge herkömmlichen Kraftstoffs benötigt werde.
Nischentechnologie – mehr nicht
Bestehende Unterschiede in Sachen E-Mobilität im Land Brandenburg bestreitet auch Volker Quaschning nicht. Er ist Experte für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Ähnlich wie beim Ausbau der Mobilfunknetze müsse der Staat dafür sorgen, dass ländliche Regionen nicht benachteiligt bleiben bei der Versorgung mit Ladesäulen, sagt er. Auf den freien Markt werde man sich jedoch nicht allein verlassen können.
Bis die Stromnetze so ausgelegt sind, überall E-Ladestationen zu versorgen, könnten "Rapid Charger" eine Nischentechnologie sein. "Für eine Übergangszeit, bis Stromanbieter eine Ladesäule anschließen, wäre das interessant. Aber keine gute Alternative für 20 Jahre", urteilt Wissenschaftler Quaschning. Mit Bio-Ethanol seien überdies Kohlendioxid-Emissionen verbunden – weil Dieseltraktoren bei der Pflanzenernte und Lkw beim Bioethanol-Transport zum Einsatz kommen würden.
Wenig Hoffnung auf öffentliche Förderung
Seit 2021 produziert das Unternehmen in Wildau die Schnellade-Stationen mit dem hellgrauen Gehäuse. Firmenchef Sohl wünscht sich, dass sein Projekt bei der Förderung so berücksichtigt würde wie die netzgebundenen Ladestationen - und dass nicht mit "willkürlichen Argumenten" reagiert werde, wie er sagt.
Wie Sebastian Saule von der Energieagentur Brandenburg im Interview mit rbb|24 Brandenburg aktuell erklärt, gibt es keine direkte Förderung vom Land für diese Ladestruktur. "me energy" sei aber in der Anfangsphase vom Land unterstützt worden. Hochschulprofessor Quaschning betont: Gefördert werden sollte das, was man langfristig haben wolle.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 12.12.2023, 19:30 Uhr