Fragen und Antworten - Rahmenbruchgefahr: Was der Babboe-Lastenrad-Rückruf für Betroffene bedeutet
Für die in Berlin beliebten Lastenfahrräder gibt es schon länger einen Verkaufsstop. Jetzt hat Babboe in Deutschland eine Rückrufaktion gestartet. Sie sollen auch nicht weitergenutzt werden. Was das für Besitzer, Käufer und Nutzer bedeutet.
Was sind Babboe-Räder und wofür nutzt man sie?
Babboe-Räder sind Lastenräder der niederländischen Marke Babboe. Die Kinder sitzen hier in meist hölzernen Kisten, der Erwachsene strampelt. So können bis zu sechs Kinder oder Einkäufen durch den Stadtverkehr oder übers Land gefahren werden. Die Räder gibt es auch in einer Elektrofahrrad-Variante. Kostenpunkt: ab 1.800 Euro (ohne E-Antrieb).
Lastenräder sind seit einigen Jahren besonders in Städten gefragt, um Kinder, Hunde oder Großeinkäufe zu transportieren.
Was ist los mit den Rädern?
In den Niederlanden und kurz darauf europaweit wurde im Februar der Verkauf aller Lastenräder der Marke Babboe gestoppt. Der Grund: erhebliche Sicherheitsmängel. Es komme immer wieder zu Rahmenbrüchen. Auch Ladeboxen selbst sollen teils betroffen sein.
Nach Angaben der Behörde für die Lebensmittel- und Verbrauchsgütersicherheit (Nederlandse Voedsel- en Warenautoriteit NVWA) sollen bei den Fahrrädern zuletzt vermehrt Rahmenbrüche aufgetreten sein. Dies sei im Straßenverkehr ein lebensgefährliches Risiko. Die NVWA wirft dem Unternehmen vor, die Mängel nicht gemeldet zu haben. Auch sei die Ursache der Defekte nicht ausreichend untersucht und es seien keine Maßnahmen ergriffen worden. Zurzeit werde untersucht, ob strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet werden sollten.
Zuerst in den Niederlanden und inzwischen (seit Dienstag) auch in Deutschland wurde der Rückruf für vier Modelle eingeleitet. Babboe verspricht, bislang ohne Details zu nennen, eine "geeignete" Alternative und eine Entschädigung für entstandene Unannehmlichkeiten und empfiehlt weiterhin, sämtliche betroffenen Lastenrad-Modelle nicht zu nutzen.
Was bedeutet ein Rückruf und die Warnung, die Räder nicht zu benutzen?
Wenn ein Produkt einen Mangel hat, der zu Personenschäden führen kann, ist der Hersteller verpflichtet, seine Kunden zu warnen. Das kennt man aus der Kfz-Branche. Wenn er nicht informiert, und es passiert ein Unfall, macht er sich schadenersatzpflichtig. Mit dem Hinweis "Fahr nicht" hat er den Produktsicherheitsvorschriften erstmal Genüge getan. (Quelle: ADAC)
Ein Rückruf bedeutet in erster Linie, dass der Artikel aus dem Verkehr gezogen wird, aber nicht zwangsläufig, dass es dafür eine Entschädigung gibt. Das Recht auf Entschädigung hat nur, wer sich noch in der Gewährleistungsfrist befindet, die in der Regel zwei Jahre nach dem Kauf abläuft. Allerdings wird auch dann nur der Restwert ausgezahlt anhand grober Richtwerte: Im ersten Jahr verliert ein Fahrrad bis zu 30 Prozent an Wert, nach zwei Jahren ist es nur noch knapp die Hälfte wert. In jedem Fall sind also mehrere Tausend Euro verloren.
Welche Räder bzw. Modelle der Firma sind vom Rückruf betroffen und sollen – auch in Deutschland – nicht mehr benutzt werden?
Die Rückruf-Aktion gilt für: Babboe CITY, CITY-E, MINI und Mini-E Lastenfahrrad.
Folgende Modelle sollen aber vorsichtshalber auch nicht mehr genutzt werden:
Babboe Curve / Curve-E / Curve Mountain
Babboe Big / Big-E
Babboe Dog / Dog-E
Babboe Max-E
Babboe Mini Mountain
Babboe Pro Trike / Trike-E
Babboe Pro Trike XL
Babboe Carve-E / Carve Mountain
Babboe Slim Mountain
Babboe Go-E, Go Mountain
Babboe Flow-E, Flow Mountain
Babboe City Mountain
Ab sofort können Besitzerinnen und Besitzer eines Babboe CITY, CITY-E, MINI oder Mini-E Lastenfahrrads ihre Rahmennummer auf kontrollieredeinenrahmen.de [Babboe] eingeben, um zu sehen, ob ihr Lastenfahrrad von der Rückrufaktion betroffen ist. Sie können sich registrieren und werden dann so schnell wie möglich über die nächsten Schritte informiert.
Was genau ist eigentlich hinsichtlich der Rahmen passiert?
Bei den Bildern, die im Netz kursieren, sind die Rohre glatt durchgebrochen. Teilweise auch die Kisten, Lenker und Sättel. Die niederländische Behörde NVWA hat Ende 2023 eine Untersuchung gestartet. Diese habe gezeigt, dass die Firma Babboe in den vergangenen Jahren "zahlreiche Berichte über kaputte Rahmen" erhalten habe.
Beim ADAC in Deutschland hat man "bisher keine Fälle von Rahmenbrüchen erlebt". Dort heißt es aber, die Behörde in den Niederlanden "verhänge nicht grundlos Verkaufsverbot und Rückruf." Was genau zu den gemeldeten Rahmenbrüchen geführt hat, wie wahrscheinlich diese sind und wie plötzlich sie auftreten, wisse man aber leider auch noch nicht.
Wie geht es jetzt für die betroffenen Kunden weiter?
Der Geschäftsführer von Babboe hat Kunden, in allen Ländern, in denen sie verkauft wurden, eine angemessene Alternative und eine Entschädigung in Aussicht gestellt. Das Angebot des Herstellers - Ersatz zu liefern - ist nach Einschätzung des ADFC vor allem für Menschen, deren Rad älter ist als zwei Jahre ist (vorher gilt Gewährleistungsfrist) und die sich innerhalb der 5-jährigen Rahmengarantie befinden, eine Option.
Doch Radieins-Experte Henrik Barth warnt: alleine der Transport aus Fernost über den Seeweg könne lange dauern. Davon abgesehen müssten die Rahmen eventuell erst neu konstruiert oder produziert werden. Auch das dauere mit Sicherheit Wochen.
Eine weitere Hürde sind laut Barth die Garantiebedingungen, dafür muss man meist Erstbesitzer sein. Außerdem könnte es sein, dass eine unterlassene Inspektion oder Wartung die Garantie erlöschen lassen - dies ist noch nicht grundsätzlich geklärt. Das kann laut ADFC auch davon abhängen, ob die betroffenen Teile in die Inspektion oder Wartung einbezogen waren.
Wer sein Rad noch nicht länger als zwei Jahre hat, für den gilt die Gewährleistungsfrist. Diese Radbesitzer sollten sich an ihren Händler wenden, empfiehlt Roland Huhn vom ADFC. Kann der Händler keinen Ersatz liefern und auch das Rad nicht reparieren, weil kein Ersatzrahmen vorhanden ist und auch kein anderes Babboe-Rad anbieten, weil der Verkauf von allen Babboe Modellen derzeit untersagt ist, sollte man vom Kauf zurücktreten. Denn rechtlich gilt laut ADFC: Entweder kann innerhalb der ersten zwei Jahren nachgebessert oder nacherfüllt werden. Oder der Händler muss sich auf das Rückgängigmachen des Kaufes einlassen, dazu ist er verpflichtet.
Für Kunden, die aktuell ein Rad in Bestellung gegeben haben, bedeutet der Verkaufsstopp, dass das Rad nicht ausgeliefert werden darf. Fahrradhändler in Deutschland dürfen die vom Verkaufsstopp betroffenen Räder nicht weiterverkaufen beziehungsweise an Kunden abgeben.
Was sagt der Hersteller zu Ersatz und Entschädigung?
Babboe-Chef Gerard Feenema versprach zwar zuletzt, man werde im Rahmen des Rückrufs den Betroffenen "ein Ersatzlastenrad oder eine andere geeignete Alternative sowie eine Entschädigung für die entstandenen Unannehmlichkeiten" zukommen lassen. Auf Nachfrage des Manager Magazins erklärte eine Babboe-Sprecherin der Firmenzentrale aber, man wolle den Betroffenen einen Wertgutschein für ein neues Rad im Tausch gegen ihr altes Rad geben. Auch die avisierte Entschädigung für Unannehmlichkeiten soll in Form eines Gutscheins erstattet werden.
Was bedeutet das Ganze für die Firma und die Händler?
Das Unternehmen Babboe ist nach eigenen Angaben Marktführer für Lastenfahrräder in Europa und sei vor allem bei Familien beliebt. Nun ist der Verkauf gestoppt und darf erst fortgesetzt werden, wenn die Sicherheit nachgewiesen wurde.
Neben den immensen Kosten für Rücknahme, Ersatz und Entschädigungen sowie dem Verkaufsausfall drohen Babboe strafrechtliche Ermittlungen. Das Unternehmen soll die Sicherheitsrisiken gekannt und dennoch nichts unternommen haben.
Auch für Händler ist die Situation bitter - die haben zwar Regress-Ansprüche gegen Babboe, aber was daraus wird, ist noch völlig unklar. Und die betroffenen vorrätigen Modelle können ja nicht mehr verkauft werden. Da geht es ja bei einem durchschnittlichen Verkaufswert von 3.000 Euro um richtig viel Geld, so Radioein-Experte Henrik Barth.
Kann man die Räder trotz Rückruf und Warnung weiter benutzen?
Wie der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) mitteilte, können die Babboe-Lastenräder zwar auf eigene Gefahr genutzt werden. Bricht dann jedoch der Rahmen und es kommt zu einem Unfall, wird es brenzlig.
Denn die Krankenversicherung zahlt zwar, wenn man sich selbst verletzt. Aber mit der privaten Haftpflichtversicherung, die die Schäden anderer übernehmen müsste, könnte es Probleme geben, sagte ein ADAC-Sprecher. Er rät dazu, die Räder – wie empfohlen – wirklich stehenzulassen.
Kann man Babboe-Räder, für die kein Rückruf gilt weiter benutzen?
Vom Rückruf betroffen sind acht Modelle mit 18 Varianten - die decken im Prinzip ab, was man so sieht. Wer trotzdem ein Rad besitzt, dass nicht von Rückruf oder Warnhinweis betroffen ist, sollte dies benutzen können und vollumfänglich versichert sein.
Sendung: Radioeins, 05.03.2024, 08:35 Uhr