Konzertkritik | The Residents in Berlin - Es hämmert, bollert, knarzt und bellt
Die Residents sind seit Jahrzehnten ein Geheimnis. Wer steckt hinter den Masken, die die Musiker aus San Francisco auf der Bühne tragen, wenn sie ihren Avantgarde Pop unter die Leute bringen? Auch am Sonntag bei ihrem Berlin Konzert blieb das ein Mysterium. Von Hendrik Schröder
Das erste Album der Residents erschien 1974. Angenommen, die Musiker der Band waren damals um die 20, dann müssten sie jetzt in ihren Mitt-70ern sein. Aber so bewegen sich die vier Männer in den engen Ganzkörperanzugkostümen, mit maskenartigen Tüchern vor dem Gesicht überhaupt nicht.
Flink und wuchtig spielt der Typ an den E Drums, geschmeidig der an den Sytnhis, ruhelos der Gitarrist. Sie wirken jünger, viel jünger, geschmeidiger. Das Konzept von The Residents also ist im Grunde zeitlos, könnte mit immer neuen Leuten noch Jahrzehnte immer weiter gehen. Naja, nur so ein Gedanke. Dann aber brüllt und knarzt und bellt und fleht und flüstert der Sänger los und man denkt: Ja, also immerhin das ist schon, die Stimme, die man von den Alben kennt.
Avantgardeundergrounperformanceindustrialnoise?
60 Platten haben The Residents im Laufe ihrer Karriere veröffentlicht. Das muss man sich mal vorstellen. Dazu zahllose DVDs, Clips, Remixes, Soundtracks, sogar CD-Roms, falls noch jemand weiß, was das ist. Man kann sagen, sie haben schon derart viel Musik veröffentlicht, dass ein durchschnittlicher Musikkonsument rein quantitativ mit dem Output nur dieser einen Band alt werden könnte, ohne sich zu langweilen. Mit ein paar hundert Leuten ist das Columbiatheater gut halbvoll an diesem Abend, das ist ok, die Stimmung ist freundlich, gut gelaunt, gespannt, weniger euphorisch und knisternd. Am Ende sind die meisten langjährige Fans und wissen schon ungefähr, was kommt.
The Residents sind eine dieser Bands, zu denen man geht, weil man immer schon hingegangen ist und nie enttäuscht wurde. Die erste Reihe sieht aus wie von einer fernen Zeit angereist. Lange, leidlich gekämmte Haare schwingen im Takt, einer mit Hut, Lederjacke und Sonnenbrille ist völlig in der Musik versunken, eine Frau im Samtkleid macht Fotos von sich und der Band im Hintergrund. Und selbige redet zwar kein Wort in den knackigen 90 Minuten Auftritt, legt sich aber ordentlich ins Zeug. Es hämmert und scheppert, mal bollert es schleppend, dann wieder treibt der Drummer mit gefühlt 100 Schlägen pro Minute den Sound gen Ekstase. Keine Ahnung, wie man das nennt: Avantgarde Underground Art Performance Rock Industrial Punk Noise oder so? Jedenfalls ist das echt abgefahren, was die machen, aber ohne dass es in belanglose Jams ausufert oder den roten Faden verliert.
Ein Blick in eine kranke, spannende Welt
Sehr passend sind auch die Bühnenvisuals dazu: Über den Musikern blinken Leuchtstäbe in alarmrot, hinter ihnen sind Wände mit psychedelischen schwarz-weiß Streifen darauf aufgebaut, darin ein Loch, in das wüste Filmsnippets projiziert werden. Ein Kermit mit sechs Augen, Friedenstauben, ein halber, schreiender Kopf. Als würde man mitten in eine andere, etwas kranke, aber sehr spannende Welt schauen. Und so ungefähr ist ja ehrlich gesagt auch die Musik der Residents. Das Musikmagazin Rolling Stone listet The Residents unter den 50 Bands, die man in seinem Leben gesehen haben muss. Zu Recht.
Sendung: rbb24 Inforadio, 13.02.2023, 09:00 Uhr