#musikistkeinhobby | Rayne - "Musik fördert die Selbstheilungskräfte so stark"
Rayne mischt HipHop und RnB, malt und produziert Musikvideos mit einem Kollektiv. Angefangen zu rappen hat sie in Berliner Parks. Als sie Geld für Equipment brauchte, klopfte sie auch bei Strip Clubs an. Von Hendrik Schröder und Christoph Schrag.
In der rbb|24-Reihe #musikistkeinhobby treffen Hendrik Schröder und Christoph Schrag Musiker:innen aus der Region, die gerade auf dem Sprung nach oben sind - und ihre ganz besondere Message und Geschichte erzählen.
Ich würde mich als multidisziplinäre Künstlerin beschreiben. Ich zeichne und male auf großen Leinwänden und schreibe Songs. Ausgebildet bin ich in keiner der Künste, aber ich fand zum Beispiel Zeichnen in der Schule inspirierend und wichtig. Geboren bin ich in Hong Kong, seit zehn Jahren lebe ich wieder in Berlin. Meine Eltern hatten sich in Hong Kong kennengelernt, in einer Bar, ganz zufällig. Nach meiner Geburt sind wir nach Berlin gegangen und dann aber, als ich sieben war, nach Saudi-Arabien. Mein Vater arbeitet für die Regierung und deswegen sind wir ein paarmal umgezogen.
Behütete Kindheit in der Wüste
Wir haben in Saudi Arabien in einer Art Gated Community gewohnt, in der es mehrere Restaurants gab. Aber außen rum ist dann eine große Wand, und man hat mit dem Rest der Stadt wenig zu tun. Berührung zu irgendeiner Musik oder kulturellen Szene hatte ich da eigentlich gar keine. Man fährt dann mit dem Auto überall hin. Öffentlichen Nahverkehr gab es, gerade für Frauen und Kinder, kaum. Aber ich hab das gemocht, ich hab viel Zeit in der Wüste verbracht, wir haben da gecampt, Steine gesammelt, das war keine schlechte Zeit.
Meine Mutter ist Lehrerin. So eine mit einem riesigen Herzen für Kinder. Eine sehr emotionale Frau, die mich sehr geprägt hat. Als ich zwölf war, sind wir zurück nach Berlin gegangen. Das war schon krass, weil ich in Saudi-Arabien ein total behütetes und beschütztes Leben hatte. Ich musste dann die Sprache quasi neu lernen und war total geschockt von der Freiheit, aber auch davon, dass ich plötzlich alles alleine machen musste. Alleine zum Zahnarzt, alleine im Bus.
Rappen im Park
Ich hab dann aber gute Freunde gefunden, vor allem später in der Musikszene. Musik und Musikinstrumente habe ich immer schon geliebt. In Deutschland habe ich dann angefangen Hip Hop zu hören und mit meinen Freunden zu freestylen, also selbst auf einen Beat einfach loszurappen, im Park, mit ner Box. Da habe ich mir dann auch meine ersten eigenen Texte ausgedacht.
Eigentlich hatte ich gar nicht vor, dass irgendwann professionell zu machen. Karriere machen oder so. Weil ich mein Gesicht gar nicht in der Öffentlichkeit haben wollte. Ich fand das immer komisch, dass man sein Gesicht zeigen soll, wenn man seine Musik präsentieren will, warum? Aber irgendwann hatte ich so viele Lieder geschrieben, dass ich das auch mal Leuten zeigen wollte. Und dieses Gefühl weitergeben.
Strippen für die Unabhängigkeit
Als ich 18 war und mit der Schule fertig, wollte ich nichts anderes, als endlich unabhängig zu sein. Und dafür braucht man natürlich Geld. Ich brauchte Geld, um Musikequipment zu kaufen und Leinwände für meine Bilder und natürlich zum Leben. Deswegen habe ich mit der Sexarbeit angefangen.
Ich hatte mich immer als sehr sexuelles Wesen betrachtet und hatte Freunde kennengelernt, die in der Sexarbeit waren. Und die mir so ein bisschen die Berührungsangst genommen haben, weil sie meinten, man kann auch Sexarbeit an sicheren und guten Orten machen. Solche Orte habe ich dann für mich gefunden. Welche das waren, möchte ich aber lieber nicht sagen, das ist auch egal. Bei der Sexarbeit muss man seine Grenzen kennen. Und die darf man auch nicht überschreiten. Dass man auch nein sagt. Ich habe festgestellt, dass das dann auch respektiert wird. Aber natürlich habe manche keinen Respekt vor dir, Männer sehen dich als Objekt und denken, dass man für Geld alles bekommen kann. Aber insgesamt war die Arbeit schon okay.
Zurück zur Kunst
Erst war ich eine sogenannte Unterhaltungsdame. Da verbringt man einfach Zeit mit Männern in Stripclubs und gibt ihnen Aufmerksamkeit. Dann habe ich auch gestrippt in verschiedenen Clubs. Ich hab mich einfach beworben bei verschiedenen Stripclubs, hab da angerufen oder sie angeschrieben. Und dann eigentlich immer einen Job bekommen. Mehr als strippen habe ich aber nicht gemacht.
Ich hab dann damit aufgehört, weil ich irgendwann gemerkt habe, ich mache das nur noch für das Geld an sich und vernachlässige meine Musik. Aber ich hab den Job schon geliebt und viel dabei gelernt. Auch über mich und meinen Körper. Am Ende war es eigentlich eher ein Zeitproblem.
Im Kollektiv stärker
Alle meine Erfahrungen als Stripperin habe ich dann erst in einer Single, in einem Song verarbeitet, "Zoot" heißt der. Dann habe ich mich mit einer befreundeten Sexworkerin zusammengetan und wir haben ein Video dazu gedreht, gemeinsam mit vielen anderen Leute aus der Sexindustrie. Das war für mich so ein Community-Ding. 27 Leute haben mitgemacht insgesamt, ein halbes Jahr hatten wir geplant, das war echt ein großes Projekt. Ich mag die Arbeit in einem Kollektiv total. Ich arbeite auch in einem Musikkollektiv, mit dem wir Workshops für Kinder anbieten und manchmal auch für Erwachsene. Zum Beispiel, wie man ein Musikvideo macht.
Musik zur Selbstheilung
Der Anspruch im "Zoot"-Video war, zu zeigen, dass Sexarbeiterin ein sehr ehrlicher Beruf sein kann. Manchmal werden sie glorifiziert, manchmal einfach nur sexualisiert, deswegen wollte ich das ganze Thema mal in einem authentischen Setting zeigen. Das war ein Experiment und das ist gelungen. Jetzt will ich einfach weiter experimentieren mit meiner Musik. Da kann man so viel ausprobieren. Im Oktober kommt aber erst mal mein erstes eigenes Album raus, daran arbeite ich gerade mit meinem Produzenten.
Ich habe eigentlich immer Musik gemacht, weil ich gespürt habe, wie mir das hilft, meine Emotionen zu verarbeiten. Musik fördert die Selbstheilungskräfte so stark, ich werde wahrscheinlich niemals damit aufhören.