Konzertkritik | Pet Shop Boys - Umjubeltes Heimspiel für die Teilzeit-Berliner
Der eine singt und ist freundlich, der andere verzieht keine Miene und drückt nur auf seine Keyboardtasten: Seit über 40 Jahren das Erfolgsrezept der Pet Shop Boys. Seine größten Hits hat das ungleiche Popduo am Samstag live in Berlin präsentiert. Von Simon Brauer
Sie haben nicht nur einen Koffer in Berlin, die Pet Shop Boys haben gleich eine ganze Wohnung in der Hauptstadt: Seit vielen Jahren ist Berlin der Zweitwohnsitz für das erfolgreiche Elektropop-Duo aus London. Viel zuhause sind die Pet Shop Boys momentan aber nicht, denn sie sind auf Greatest-Hits-Tour in ganz Europa unterwegs. Am Samstag stand Berlin auf dem Tourplan, eine Art Heimspiel in der nicht ganz ausverkauften Uber Arena in Berlin-Friedrichshain.
Party statt Sitzkonzert
Die Stühle im Innenraum hätte sich der Veranstalter sparen können: Denn ein Konzert der Pet Shop Boys kann alles Mögliche sein, aber auf keinen Fall ein Sitzkonzert. Mit dem ersten Ton von der Bühne springt das gesamte Publikum auf, fängt an zu tanzen und hört nicht wieder auf. Neil Tennant und Chris Lowe stehen zu Beginn nur zu zweit auf der Bühne, beide versteckt hinter rechteckigen Robotermasken. Damit sehen die beiden aus, als kämen sie direkt aus einem Computerspiel. Aber nach dem zweiten Song nimmt zumindest Sänger Neil Tennant seine Maske ab, wird von der Maschine zum Mensch, strahlt ins Berliner Publikum und sagt in fehlerfreiem Deutsch: "Guten Abend, Berlin! Wir sind die Pet Shop Boys!"
Das Duo spielt einen Hit nach dem anderen, "Suburbia" und "Always on My Mind" aus den 80ern, dann der "New York City Boy" und "Go West" aus den 90ern. Wobei "Go West" mit Ausschnitten aus alten Dokumentarfilmen als das gefeiert wird, was es tatsächlich ist: eine Hymne der Schwulen- und Lesbenbewegung. Passend dazu haben sich auch die Videoanimationen und das Bühnenlicht vom simplen Schwarz-Weiß in Knallbunt verwandelt.
Starke Songs mit schwachem Sound
Nach einer halben Stunde hebt sich die Videoleinwand wie ein Vorhang in Richtung Hallendecke und jetzt alle können sehen, dass die ganzen Discobeats und Sythnie-Streicher nicht nur aus Chris Lowes Keyboard kommen und seinem Computer, hinter dem er sich ziemlich erfolgreich versteckt, sondern auch von einer dreiköpfigen Live-Band: von zwei Trommlern und einer Keyboarderin. Wenn die drei dann auch noch mitsingen, klingt gleich alles deutlich kraftvoller, denn leider ist der Gesang von Neil Tennant an diesem Abend viel zu leise in der Uber Arena. Auch seine Geschichten, die er zu einzelnen Songs erzählt, sind nur schwer zu verstehen.
Feierwütiges Publikum
Zwei Stunden dauert das Greatest-Hits-Konzert der Pet Shop Boys - und es sind wirklich alle Hits dabei von den 80ern bis heute, "West End Girls", "It’s A Sin" und viele mehr. Dabei schafft es die Band, auch diese alten Songs knackig und modern klingen zu lassen. Das Ganze in Verbindung mit beeindruckenden Videoanimationen, den charmanten Ansagen von Neil Tennant und einem feierwütigen Berliner Publikum - so können die Pet Shop Boys auch noch nach 40 Jahren allen zeigen, wie richtig gute Popmusik richtig gut funktioniert.
Sendung: rbb24 Inforadio, 08.07.2024