Drohender Schiffbruch: Die Intendantin des Deutschen Theaters, Iris Laufenberg, ruft zum Protest gegen die massiven Kürzungen in der Kultur auf - und auf der Bühne segelt eine Künstlergemeinde mit Fellinis "Schiff der Träume" in den Untergang. Von Barbara Behrendt
Noch bevor Federico Fellinis "Schiff der Träume", das an diesem Abend am Deutschen Theater (DT) Premiere feiert, in See stechen kann, warnt die Intendantin vor einem drohenden Schiffbruch der Berliner Kultur. Rund zehn Prozent soll der Kulturetat sinken, die Rede ist von etwa 120 Millionen Euro Einsparungen im Jahr 2025. "Das bedeutet", sagt Laufenberg, "dass dann die Theater nicht mehr spielfähig sind. Und die Opern werden auch nicht mehr spielfähig sein. Denn das ist das, was wir an Kunstgeld haben. Der Rest geht in Infrastruktur, in die Häuser, die Mitarbeitenden." Sie ruft dazu auf, einen Protestbrief des Deutschen Bühnenvereins zu unterzeichnen.
Nur drei Wochen Zeit für die Erarbeitung der Szenen
Auch der große Tanker, der die Saison auf der Bühne eröffnet, hatte zunächst Navigationsprobleme: Die Regisseurin Claudia Bauer sagte mitten in den Proben ab, aus gesundheitlichen Gründen, wie es heißt, eingesprungen ist Anna Bergmann, die für ihre DT-Inszenierung "Persona" zum Theatertreffen eingeladen wurde. Bühnenbild, Kostüme, Musik, Text waren so gut wie fertig, als sie das Steuer übernommen hat. Viel Zeit für eine eigene Interpretation war also nicht. Bergmann blieben nur knapp drei Wochen für die Erarbeitung der Szenen mit dem Ensemble.
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"Von Anfang an war die Katastrophe klar"
Auf der Bühne wirkt der geschlossene eiserne Vorhang tatsächlich wie das Äußere eines großen Dampfers. Die Schauspielerin Anja Schneider steht zu Beginn davor und schwört und als "Journalist:in Orlando" wie in Federico Fellinis Film auf die bevorstehende Reise ein - eine Reise in den Untergang: "Von Anfang an war die Katastrophe klar. Von Anfang an die große Tragödie. In dem Moment, wo die Asche der Diva mit dem Trauerzug der Diven an Bord des Schiffes kam, ahnten wir das Ende. Das Ende einer Epoche, von der wir uns verabschieden wollten."
In Fellinis Film aus dem Jahr 1983 geht eine Trauergemeinde aus Künstler:innen am Vorabend des ersten Weltkriegs an Bord eines Luxusdampfers, um die Asche einer berühmten Operndiva zu verstreuen. Unterwegs nehmen sie serbische Flüchtlinge an Bord, am Ende wird das Künstlerschiff von einem Kriegsschiff in den Fluten versenkt.
Live-Videos und Meeresbilder
Als sich die eiserne Wand im Deutschen Theater schließlich hebt, schauen wir auf eine leere Drehbühne, umgeben von einem Vorhang im Halbrund. Für die Schiffsatmosphäre sorgen Videos, die darauf projiziert werden: Zuerst mit Bildern unter Wasser, als sei der Luxusdampfer schon versunken, dann mit Wellen und weiten Meeresansichten, als wären wir auf offener See. Zwischendurch steigt das Ensemble mit Live-Kamera in die Unterbühne, dort befindet sich das liebeskranke Nashorn wie im Film – hier, ganz einfach, eine Schauspielerin mit Nashornkopf.
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Eine verschrobene Truppe schriller Witzfiguren
Charakteristischer als die Bühne sind jedoch die Kostüme von Vanessa Rust. Die exzentrischen Künstler:innen tragen ausladende Glitzerroben und gigantische Perücken und erinnern, wie schon bei Claudia Bauers "Ursonate" an die Dada-Figuren von Herbert Fritsch. Das achtköpfige Ensemble macht aus den Opernstars, Clowns und Kunstliebhabern eine wunderbar verschrobene Truppe von schrillen Witzfiguren. Julia Gräfners Großherzog ist ein Kleinkind in Uniform, das seine Pistolen schwingt wie Spielzeug-Waffen. Janek Maudrich lässt als frustrierter Comedian seine langen Gelenke wie Gummi durch die Luft wirbeln. Dann streift der Abend durch die Luxusprobleme der Dekadenz-Gesellschaft: mangelnde Berühmtheit, Narzissmus, Betrug in der Liebe.
Natürlich mit viel Musik. Peer Baierlein hat sie wieder komponiert, wie schon bei Claudia Bauers Erfolgsinszenierungen "humanistää" und "Ursonate". Diesmal sind die Kompositionen kleine Opern-Persiflagen, mit Jazz-Vibes unterlegt. Zum Beispiel beim herrlichen Sängerwettstreit, den die Diven vor dem Nashorn aufführen. Später, zur großen Apokalypse, erklingt ein schöner, düsterer Choral, gesungen vom ganzen Ensemble. Drei Live-Musikerinnen spielen u.a. am Schlagwerk und am Klavier, die Schauspielerinnen singen fantastisch. Als Gast ist unter Anna Bergmann zudem Sina Kießling gekommen, sie verkörpert den Geist der toten Diva, singt den "Cold Song" von Henry Purcell und "Casta Diva" aus Bellinis "Norma". Ihre Auftritte sind schön, tragen aber wenig zum Gehalt des Abends bei.
Die Musik wurde Ennio in die Wiege gelegt: Benannt wurde er nach dem weltberühmten Komponisten Ennio Morricone. Im Berliner Columbia Theater stellte er sein neues Album "Schlaraffenland" vor. Jakob Bauer erlebte einen melancholischen und kraftvollen Abend.
Der politische Dreh- und Angelpunkt wird ausgespart
Nachdem man mit diesen hübschen Witzfiguren eine halbe Stunde lang seinen Spaß hatte, wird es langsam öde. Das liegt daran, dass Anna Bergmann den politischen Dreh- und Angelpunkt des Stoffs, die Frage, wie man mit den Kriegsflüchtlingen auf dem Mittelmeer umgeht, schlicht und einfach ausspart.
Im Film nehmen die Künstler:innen die serbischen Anarchisten zwar auf und erfreuen sich, reichlich rassistisch, an deren Tänzen, solange sie in ihrem abgegrenzten Bereich des Schiffs bleiben – liefern sie dann aber ans österreichisch-ungarische Kriegsschiff aus, als ihnen die Lage zu brenzlig wird. In Katrin Beiers kontrovers diskutierten Hamburger "Schiff der Träume" - Inszenierung, eingeladen zum Theatertreffen 2016, spielten schwarze Performer:innen die Geflüchteten und stellten, ziemlich holzschnittartig, rassistische Stereotype aus.
Die brutale Realität wird nur behauptet
Hier nun treten die Geflüchteten erst gar nicht auf, sondern werden nur in der Erzählung von Anja Schneider erwähnt. Was soll das bedeuten? Dass in unserer Welt kein Platz mehr für die Geflüchteten ist, sie keine Stimme mehr bekommen? Fürs Bühnengeschehen heißt das jedenfalls, dass keine Gegenwelt zur dekadenten Blase der Reichen sichtbar wird, nichts, an dem sich die Diven reiben könnten, nichts, was deren Kunstwelt entlarvt. Die brutale Realität findet hier nicht statt, sie wird nur in Anja Schneiders Erzähler-Worten behauptet. Dass hier, wie sie zuletzt sagt, nicht nur das Schiff untergeht, sondern die ganze Menschheit, nimmt man da reichlich achselzuckend hin.
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Aha, dann schauen Sie vielleicht doch erstmal auf die schiefe bzw. desaströse Haushaltslage der derzeitigen Regierungsepoche. Und wenn Sie schon dabei sind die Platzierung Deutschlands in der Weltwirtschaft der Länder und zwar von Platz 6 auf derzeit Platz 24. Und vielleicht fällt Ihnen dann auf das Oma schon gesagt hat: Man kann nur das Geld aus der Kasse ausgeben das man vorher reingelegt hat.
Das hat nichts mit der Unterbezahlung der Theater- und Kunstlandschaft zu tun! Ist nur Neiddebatte.
3.
Es ist zum einen interessant, dass die Intendantin den Anteil des Budgets, der in ihren Augen der „Kunstproduktion“ dient, bei lediglich 10 % sieht und zum anderen, dass sie genau da die Kürzungsmöglichkeiten sieht. Natürlich wird das damit zu tun haben, dass viele Künstler - anders als die Verwaltung - nicht festangestellt, sondern Gäste sind. Aber andererseits zeigt sich da doch auch eine strukturelle Schieflage des Kunstbetriebes, die in diesem Zusammenhang ja auch thematisiert werden könnte.
2.
....vielleicht sollte man mal über die Kürzung der Intendantengehälter nachdenken.....!
1.
Wenn diese ,,AfD“ erstmal die Macht übernommen hat, geht es unserer Kultur an den Kragen, da wird gekürzt werden ohne Ende und auf den Spielplan kommt nur das, was die Bonzen wollen!