Drehort: Hörsaal Anatomisches Institut der Charité - In der Vorlesung über traumatisierte Soldaten
Im großen, holzgetäfelten Hörsaal der Charité bricht ein Tumult aus, als Dr. Schmidt von kriegstraumatisierten Soldaten referiert. Drückeberger, auf die man gerne verzichtet, buht das Publikum. Deutlich ruhiger büffeln heute Medizinstudenten im Friedrich Kopsch-Hörsaal.
"Hic locus est, ubi mors gaudet succurrere vitae", steht über dem Eingang zum Anatomiegebäude der Charité. Übersetzt heißt das: "Hier ist der Ort, an dem der Tod sich freut, dem Leben zu helfen." Denn zur medizinischen Ausbildung und Forschung gehören die Untersuchung und das Sezieren von Leichnamen.
Medizineraubildung seit 1865
Das Gebäude der Anatomie ist älter als es auf den ersten Blick erscheint. Seit 1865 werden hier Mediziner ausgebildet. Damals liegen eigentlich alle Krankenhausbauten der Charité jenseits der heutigen Luisenstraße. Nur das Gebäude der Anatomie befindet sich auf dem weitläufigen Gartengelände der Tierarzneischule, gegenüber vom Anatomischen Theater der Veterinärmediziner, ein Bau aus dem Jahr 1790 von Carl Gotthard Langhans. Eine engere Verbindung der beiden medizinischen Einrichtungen ist durchaus gewollt: Für das preußische Militär sind gute Tier-, vor allem Pferdeärzte, ebenso wichtig wie Humanmediziner.
Im Anatomischen Institut der Humanmediziner lagern die Leichen im Keller. Von hier aus hebt sie ein Aufzug direkt in das Auditorium oder in die Präpariersäle, deren Wände mit abwaschbarer Ölfarbe gestrichen sind. Bis 1884 ein eigens für diese Zwecke gebautes Leichenschauhaus eröffnet, stellen Gerichtsmediziner in den Kellerräumen der Anatomie die nicht identifizierten Leichen aus.
Missbrauch durch die Nazis
Der Umgang mit Toten erfordert nicht nur professionelle Distanz, sondern vor allem auch Respekt und ethisches Handeln - das gehört zum Lehrinhalt eines Medizinstudiums. Während der Terrorherrschaft der Nationalsozialisten jedoch forscht der Leiter des Berliner Anatomischen Instituts, Hermann Stieve, an Leichnamen von Opfern des NS-Regimes – ein barbarischer Missbrauch der im lateinischen Zitat beschworenen "Hilfe" der Toten für den medizinischen Fortschritt.
Im Obergeschoss des Anatomiegebäudes befindet sich der große Hörsaal. Er trägt heute den Namen Friedrich Kopsch-Hörsaal. In diesem Auditorium entstehen die Filmszenen in Episode 7, in denen Dr. Schmidt über die in seinem Sanatorium praktizierten Heilungsversuche traumatisierter Frontsoldaten referiert – eigentlich eher ein Thema für Psychiater oder Psychologen. Der Vortrag gerät im Film zu einer heftigen Auseinandersetzung über den Umgang mit traumatisierten Kriegsveteranen. Die Härte und das Unverständnis, mit denen die Mediziner im Publikum auf die so genannten "Kriegszitterer" reagieren, wirken heute verstörend.
"Kriegshysterie" lässt die Soldaten leiden
Angesichts der Gewalterfahrungen und Angstzustände während des Krieges, treten bei Frontsoldaten des Ersten Weltkriegs bis dahin unbekannte Krankheitsbilder auf, die unter den Bezeichnungen "Kriegshysterie" oder "Kriegsneurose" zusammengefasst werden. Die Symptome sind sehr unterschiedlich: Sie reichen von Blindheit, Taubheit oder Sprachstörungen über Krämpfe und Zittern verschiedener Extremitäten, bis zu Lähmungserscheinungen, Stimmungsschwankungen oder Schlafanfällen.
Die zuständigen Militärpsychiater sind zunächst überfordert. Die Fachdiskussion und die öffentliche Debatte dominieren vor allem diejenigen, die lautstark eine Behandlung der Traumatisierten mit Elektroschocks oder Eiswassergüssen fordern, um ihnen die so genannten Ticks auszutreiben und sie möglichst schnell wieder an die Front schicken zu können. Viele Ärzte halten die Soldaten für Hysteriker – ein deutlich weiblich konnotiertes Leiden. Auch der Vorwurf, ein Simulant, Drückeberger oder gar Vaterlandsverräter zu sein, steht im Raum.
Freud schimpft über die "Maschinengewehre hinter der Front"
In den Lazaretten wird allerdings in vielen Fällen nicht ganz so rabiat vorgegangen. Vielmehr versuchen Ärzte, den Patienten durch Ruhe, Kräftigung und Beruhigungsmittel Linderung zu verschaffen. Auch Hypnose wird eingesetzt. Aber die bereits vielfach von "rassenhygienischen" Gedanken durchzogenen Interpretationen, die den Traumatisierten Feigheit, "Verweiblichung" oder "Degeneration" unterstellen, sind in der Öffentlichkeit sehr präsent. Siegmund Freud bezeichnet diese Nervenärzte im Dienst des Militärs als "Maschinengewehre hinter der Front".