Katastrophenhilfe - Geld statt warme Jacke – so spenden Sie sinnvoll für die Erdbebenopfer
Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht – dies zeigt sich auch beim Spendenaufkommen für die Erdbebenopfer in der Türkei und Syrien. Mit Sachspenden sind Helfende schnell überfordert. Wie spendet man effektiv? Vier Tipps für die bessere Spende.
Die Beben in der Gegend in der Nähe von Gaziantep im Südosten der Türkei waren verheerend. Stand Mittwochnachmittag wurden mehr als 11.000 Menschen tot geborgen, etliche Menschen gelten noch als vermisst. Jene, die überlebt haben, sind verletzt, erschöpft, sie frieren und haben Hunger. Viele, die die Bilder sehen, wollen jetzt vor allem eines: helfen. Und viele kämpfen auch mit der Ohnmacht angesichts der Bilder aus den betroffenen Gebiete: Jetzt was tun, sofort, auch wenn man tausende Kilometer weit weg ist.
Bikinis, High Heels und Brautkleider werden gespendet
Doch die Spendenbereitschaft hat unter anderem die Einrichtung "Dosteli" in Berlin-Moabit quasi überrollt: regelrechte "Paketberge" türmten sich dort am Montag auf, quollen aus den Räumen hinaus auf die Straße, überforderten die spontanen Helferinnen und Helfer.
In den Paketen sind Kleidung, Spielzeug, Haushaltsgeräte, Decken – gut gemeinte Gaben für die Menschen in Not in der Türkei und Syrien. Doch beim Sammeln in einem privaten Unternehmen in Berlin mussten am Mittwoch alleine 20 Paletten Müll aus den Spenden entsorgt werden, unbrauchbare Sachen wurden weggeschmissen - darunter Brautkleider, High Heels und Bikinis. Dinge, die den Menschen wenig nützen, vor allem nicht bei eisigen Temperaturen.
Wie kann man also besser spenden? Vier Tipps können hier Orientierung geben.
1. Seriöse Spendenorganisationen finden
In Krisen oder Kriegsgebieten können Spenden an große Organisationen durchaus sinnvoll sein, so Burkhard Wilke vom Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) gegenüber dem rbb: "Vor allem internationale Nichtregierungsorganisationen sind häufig ein guter Weg für Spenderinnen und Spender, wenn sie nationalen Strukturen nicht trauen." Gerade im Fall von Hilfe für Syrien sollte man Organisationen wählen, die dort bereits tätig waren und sich im Gebiet auskennen.
Das DZI empfiehlt zudem als Orientierung, sich die Werbe- und Verwaltungsausgaben einer Organisation anzuschauen. Übersteigen diese 30 Prozent der Kosten, sollte man vorsichtig sein. Das DZI verweist aber auch darauf, dass viele Organisationen nicht direkt miteinander vergleichbar sind. Das DZI vergibt zudem Spendensiegel, die auf die hohe Transparenz einer Spendenorganisation hinweisen.
2. Sachspenden? Lieber nicht!
Sachspenden, vor allem in Katastrophengebiete, können kompliziert werden. Wilke sagte dazu im rbb, man müsse genau wissen, was gebraucht würde und wer diese Sachen übergibt – "nur dann machen Sachspenden Sinn", so der DZI-Geschäftsführer. "Das ist nur in den wenigstens Fällen der Fall." Auch Dirk Sabrowski, Leiter der Fundraising-Abteilung von CARE Deutschland e.V., rät nicht per se von Hilfe durch Verwandte oder Freunde ab. Private wie professionell organisierte Hilfe seien einfach zwei verschiedene Ebenen. Für die einen passe die eine Variante besser als die andere, so der Spenden-Experte.
Doch bisherige Spendenaufrufe zeigen: Viele Spender:innen wissen nicht, was gebraucht wird, handeln aus einem emotionalen Impuls. Dann landen in den Spendensäcken Dutzende Söckchen in Größe 36 oder Kinderspielzeug statt Herrenunterhosen in XXL und Zahnbürsten. Das DZI rät hier, genau hinzuschauen, was die Hilfsorganisationen oder Betroffenen anfordern – und was nicht. Ebenso muss geklärt werden, wer wann auf welchem Weg die Güter zu den Bedürftigen transportiert.
Sachspenden werden nicht einfach weitergereicht. "Viele Menschen möchten gerne eine Sachspende leisten, weil ihnen das sozusagen von Herzen kommt", so Ilona Auer-Frege, Geschäftsführerin vom "Bündnis Entwicklung Hilft" gegenüber dem rbb. "Und sie glauben, ich spende jetzt eine warme Jacke, und die kommt dann vor Ort an. In der Realität klappt das aber leider oft nicht so wie gewünscht."
Denn meist läuft es so: Jede Hose oder Mütze müsse einzeln angefasst und auch sortiert werden. Was brauchbar ist, wird für den Zoll verpackt und deklariert. Der sichere und schnelle Transport per Flugzeug, Schiff, LKW oder Auto muss organisiert werden – hinzu kommen Gebühren oder Papiere für Fracht und Lagerung. Ein enormer Aufwand, der Zeit und Geld kostet. Vor allem für kleine Organisationen ohne Budget oder große Verwaltungsstruktur ist das ein Minusgeschäft.
Dinge, die aktuell nicht gebraucht werden, aber die in gutem Zustand sind, können oft nicht gelagert werden – denn auch hier entstehen Kosten. Was nur noch Müll und Ramsch ist – denn auch das findet sich immer wieder in Spenden – muss professionell und damit meist kostenpflichtig entsorgt werden
3. Geldspenden helfen Menschen
"Geld ist die effizienteste Unterstützung", so Sabrowski. Auch das DZI schreibt auf seiner Webseite: "Geldspenden geben den Hilfsorganisationen eine größere Flexibilität als Sachspenden, vermeiden unnötige Transportkosten, ermöglichen den Kauf notwendiger Güter im Zielland und stärken so die dortige Wirtschaft."
Auer-Frege vom "Bündnis Entwicklung hilft" weist zudem darauf hin, dass das Spendengeld "mittelfristig und vor allem langfristig" gebraucht werde. "Die Menschen werden jetzt nicht nur in den ersten Tagen eine Notversorgung brauchen, sondern da muss ja viel wieder aufgebaut werden. Da ist Geld einfach notwendig, um das länger zu begleiten." Geld lässt sich im Gegensatz zu Sachspenden auf Bankkonten gut "lagern" – oder stocke die Reserven der Hilfsorganisationen für eine mögliche nächste Krise auch wieder auf.
Auf welchem Weg man spendet – ob klassische Überweisung oder Sport-Event, Kuchenbasar oder Facebook-Aktion – dafür geben die Expert:innen keine Empfehlung. Allerdings kann es hilfreich sein, nur bei wenigen Organisationen zu spenden, denn diese wollen in der Regel eine Beziehung zu den Geber:innen aufbauen. Um diese zu pflegen, werden wiederum Verwaltungs- und Werbekosten in Anspruch genommen.
4. Für Themen und Organisationen spenden, die einem wichtig sind
"Hören Sie auf ihre innere Stimme", so Sabrowski von CARE Deutschland. "Eine Spende ist eine große Vertrauensleistung."
Oft sind es Katastrophen, die uns berühren – schreckliche Bilder oder Nachrichten, die unseren Impuls zu helfen auslösen. Viele Medien geben bereits in ihrer Berichterstattung Hinweise auf seriöse Spendenorganisationen.
Allgemeint gilt: Spenden sollten freiwillig und ohne Druck von außen erfolgen. Es müssen nicht immer globale Krisen sein – auch ein lokaler Seniorentreff oder ein Tier-Gnadenhof, die Hilfe brauchen, können genau das richtige Spendenprojekt sein.
Übersicht über Spendenmöglichkeiten für die Menschen in der Türkei und in Syrien
Sendung: rbb24 Abendschau, 08.02.23, 19:30 Uhr