Katastrophenhilfe - Geld statt warme Jacke – so spenden Sie sinnvoll für die Erdbebenopfer

Mi 08.02.23 | 19:22 Uhr | Von Sylvia Lundschien
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Archivbild: Rettungskräfte und Anwohner durchsuchen in der Türkei die Trümmer eingestürzter Gebäude nach Überlebenden. (Quelle: dpa/G. Alsayed)
Video: rbb24 | 08.02.2023 | Material: rbb24 Abendschau | Bild: dpa/G. Alsayed

Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht – dies zeigt sich auch beim Spendenaufkommen für die Erdbebenopfer in der Türkei und Syrien. Mit Sachspenden sind Helfende schnell überfordert. Wie spendet man effektiv? Vier Tipps für die bessere Spende.

Die Beben in der Gegend in der Nähe von Gaziantep im Südosten der Türkei waren verheerend. Stand Mittwochnachmittag wurden mehr als 11.000 Menschen tot geborgen, etliche Menschen gelten noch als vermisst. Jene, die überlebt haben, sind verletzt, erschöpft, sie frieren und haben Hunger. Viele, die die Bilder sehen, wollen jetzt vor allem eines: helfen. Und viele kämpfen auch mit der Ohnmacht angesichts der Bilder aus den betroffenen Gebiete: Jetzt was tun, sofort, auch wenn man tausende Kilometer weit weg ist.

Bikinis, High Heels und Brautkleider werden gespendet

Doch die Spendenbereitschaft hat unter anderem die Einrichtung "Dosteli" in Berlin-Moabit quasi überrollt: regelrechte "Paketberge" türmten sich dort am Montag auf, quollen aus den Räumen hinaus auf die Straße, überforderten die spontanen Helferinnen und Helfer.

In den Paketen sind Kleidung, Spielzeug, Haushaltsgeräte, Decken – gut gemeinte Gaben für die Menschen in Not in der Türkei und Syrien. Doch beim Sammeln in einem privaten Unternehmen in Berlin mussten am Mittwoch alleine 20 Paletten Müll aus den Spenden entsorgt werden, unbrauchbare Sachen wurden weggeschmissen - darunter Brautkleider, High Heels und Bikinis. Dinge, die den Menschen wenig nützen, vor allem nicht bei eisigen Temperaturen.

Wie kann man also besser spenden? Vier Tipps können hier Orientierung geben.

1. Seriöse Spendenorganisationen finden

In Krisen oder Kriegsgebieten können Spenden an große Organisationen durchaus sinnvoll sein, so Burkhard Wilke vom Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) gegenüber dem rbb: "Vor allem internationale Nichtregierungsorganisationen sind häufig ein guter Weg für Spenderinnen und Spender, wenn sie nationalen Strukturen nicht trauen." Gerade im Fall von Hilfe für Syrien sollte man Organisationen wählen, die dort bereits tätig waren und sich im Gebiet auskennen.

Das DZI empfiehlt zudem als Orientierung, sich die Werbe- und Verwaltungsausgaben einer Organisation anzuschauen. Übersteigen diese 30 Prozent der Kosten, sollte man vorsichtig sein. Das DZI verweist aber auch darauf, dass viele Organisationen nicht direkt miteinander vergleichbar sind. Das DZI vergibt zudem Spendensiegel, die auf die hohe Transparenz einer Spendenorganisation hinweisen.

2. Sachspenden? Lieber nicht!

Sachspenden, vor allem in Katastrophengebiete, können kompliziert werden. Wilke sagte dazu im rbb, man müsse genau wissen, was gebraucht würde und wer diese Sachen übergibt – "nur dann machen Sachspenden Sinn", so der DZI-Geschäftsführer. "Das ist nur in den wenigstens Fällen der Fall." Auch Dirk Sabrowski, Leiter der Fundraising-Abteilung von CARE Deutschland e.V., rät nicht per se von Hilfe durch Verwandte oder Freunde ab. Private wie professionell organisierte Hilfe seien einfach zwei verschiedene Ebenen. Für die einen passe die eine Variante besser als die andere, so der Spenden-Experte.

Doch bisherige Spendenaufrufe zeigen: Viele Spender:innen wissen nicht, was gebraucht wird, handeln aus einem emotionalen Impuls. Dann landen in den Spendensäcken Dutzende Söckchen in Größe 36 oder Kinderspielzeug statt Herrenunterhosen in XXL und Zahnbürsten. Das DZI rät hier, genau hinzuschauen, was die Hilfsorganisationen oder Betroffenen anfordern – und was nicht. Ebenso muss geklärt werden, wer wann auf welchem Weg die Güter zu den Bedürftigen transportiert.

Sie glauben, ich spende jetzt eine warme Jacke, und die kommt dann vor Ort an. In der Realität klappt das aber leider oft nicht so wie gewünscht.

Sachspenden werden nicht einfach weitergereicht. "Viele Menschen möchten gerne eine Sachspende leisten, weil ihnen das sozusagen von Herzen kommt", so Ilona Auer-Frege, Geschäftsführerin vom "Bündnis Entwicklung Hilft" gegenüber dem rbb. "Und sie glauben, ich spende jetzt eine warme Jacke, und die kommt dann vor Ort an. In der Realität klappt das aber leider oft nicht so wie gewünscht."

Denn meist läuft es so: Jede Hose oder Mütze müsse einzeln angefasst und auch sortiert werden. Was brauchbar ist, wird für den Zoll verpackt und deklariert. Der sichere und schnelle Transport per Flugzeug, Schiff, LKW oder Auto muss organisiert werden – hinzu kommen Gebühren oder Papiere für Fracht und Lagerung. Ein enormer Aufwand, der Zeit und Geld kostet. Vor allem für kleine Organisationen ohne Budget oder große Verwaltungsstruktur ist das ein Minusgeschäft.

Dinge, die aktuell nicht gebraucht werden, aber die in gutem Zustand sind, können oft nicht gelagert werden – denn auch hier entstehen Kosten. Was nur noch Müll und Ramsch ist – denn auch das findet sich immer wieder in Spenden – muss professionell und damit meist kostenpflichtig entsorgt werden

3. Geldspenden helfen Menschen

"Geld ist die effizienteste Unterstützung", so Sabrowski. Auch das DZI schreibt auf seiner Webseite: "Geldspenden geben den Hilfsorganisationen eine größere Flexibilität als Sachspenden, vermeiden unnötige Transportkosten, ermöglichen den Kauf notwendiger Güter im Zielland und stärken so die dortige Wirtschaft."

Auer-Frege vom "Bündnis Entwicklung hilft" weist zudem darauf hin, dass das Spendengeld "mittelfristig und vor allem langfristig" gebraucht werde. "Die Menschen werden jetzt nicht nur in den ersten Tagen eine Notversorgung brauchen, sondern da muss ja viel wieder aufgebaut werden. Da ist Geld einfach notwendig, um das länger zu begleiten." Geld lässt sich im Gegensatz zu Sachspenden auf Bankkonten gut "lagern" – oder stocke die Reserven der Hilfsorganisationen für eine mögliche nächste Krise auch wieder auf.

Auf welchem Weg man spendet – ob klassische Überweisung oder Sport-Event, Kuchenbasar oder Facebook-Aktion – dafür geben die Expert:innen keine Empfehlung. Allerdings kann es hilfreich sein, nur bei wenigen Organisationen zu spenden, denn diese wollen in der Regel eine Beziehung zu den Geber:innen aufbauen. Um diese zu pflegen, werden wiederum Verwaltungs- und Werbekosten in Anspruch genommen.

4. Für Themen und Organisationen spenden, die einem wichtig sind

"Hören Sie auf ihre innere Stimme", so Sabrowski von CARE Deutschland. "Eine Spende ist eine große Vertrauensleistung."

Oft sind es Katastrophen, die uns berühren – schreckliche Bilder oder Nachrichten, die unseren Impuls zu helfen auslösen. Viele Medien geben bereits in ihrer Berichterstattung Hinweise auf seriöse Spendenorganisationen.

Allgemeint gilt: Spenden sollten freiwillig und ohne Druck von außen erfolgen. Es müssen nicht immer globale Krisen sein – auch ein lokaler Seniorentreff oder ein Tier-Gnadenhof, die Hilfe brauchen, können genau das richtige Spendenprojekt sein.

Übersicht über Spendenmöglichkeiten für die Menschen in der Türkei und in Syrien

Sendung: rbb24 Abendschau, 08.02.23, 19:30 Uhr

Beitrag von Sylvia Lundschien

16 Kommentare

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  1. 16.

    Stimmt es eigentlich, dass die Türkei trotz des Bebens in Syrien, diese vom Erdbeben betroffenen Gebiete zeitgleich noch bombardiert? Das ist ein NATO-Staat, der eine Katastrophe zusätzlich verschlimmert. Menschenrechtler Kamal Sido macht darauf aufmerksam.

  2. 14.

    Wie hoch war denn Ihre Spende für das Ahrtal - oder können Sie nur Sarkasmus?

  3. 13.

    Spenden ist gut und wichtig, aber es muss auch direkt bei den Betroffenen ankommen, wenn ich an bestimmte und bekannte Organisationen Spende, bleibt davon 80 bis 50% übrig mehr nicht. Deshalb haben wir in unserer Firma für einen familiär betroffen türkischen Kollegen, der vertrauenswürdig ist gesammelt und so kommt das Geld direkt bei den Betroffenen an und versickert nicht.

  4. 12.

    *Antwort auf 1. Jens | Mittwoch, 08.02.2023 | 19:32 Uhr
    Da haben Sie was falsch verstanden. Wir sind für die Anderen da und nicht für die eigenen Opfer. Auch war die Flutkatastrophe von Menschenhand, vornehmlich von alten Weißen, fabriziert, nämlich durch den von denen verursachten Klimawandel. Selbst Schuld also.
    Nun ja, spenden wir Geld - das versickert schneller in diversen dunklen Kanälen. So traurig das ist.

  5. 11.

    Spenden- ja gern! Aber wer garantiert, dass die Gelder auch ankommen und für Hilfe verwendet werden?
    Im Ahrtal sind Spendengelder auch nur bedingt angekommen und das war hier in Deutschland.
    Ich spende nur sehr gezielt , wo ich mir hundertprozentig sicher bin, das damit auch den Betroffenen geholfen wird- und sei es mit Sachspenden!

  6. 10.

    Kann ich mir überhaupt sicher sein, das mein gespendetes Geld wirklich da ankommt, wo es so dringend gebraucht wird? NEIN!

  7. 9.

    Ca. 140 Tote im Ahrtal vs. 17.000 Tote (und steigend) in Türkei & Nordsyrien.
    Die 'Katastrophenfläche' ist auch weitaus größer, als die damals in Deutschland.

    Ich zähle nicht gerne auf, weil das Müll ist,.. aber siehst Du wie weit dich dieser Whataboutism bringt wenn man es Stück für Stück auseinander ribbelt?

    Außerdem... du willst also nur noch diesen Ländern helfen, die damals dem Ahrtal gespendet haben?
    Wie ist es mit deutschen mit Migrationshintergrund? Zählen die für das Land ihrer Ahnen?

  8. 8.

    Guter Vorschlag @Armin (Spendenbox an Supermarktkasse).

    Man gewinnt den Eindruck (war bei der Ahrtalkatastrophe auch schon so), dass es für manche wohl eher eine gute Gelegenheit, auszumisten und auf diese Art und Weise den Müll zu entsorgen. Sollen sich doch andere drum kümmern, die im Moment wahrlich besseres zu tun haben.

    Geldspende ist einfach das Beste, weil die Organisationen auch am besten wissen, was benötigt wird. Sofern die Kanäle, was mit dem Geld geschieht, transparent sind.

  9. 7.

    Sehr wichtiger Beitrag! Nicht entrümpeln, sondern spenden!

  10. 6.

    Helfen würde den Syrern vor allem die sofortige Beendingung der Sanktionen, das möchte aber die EU nicht ...

    Die Sanktionen treffen seit Jahren die Bevölkerung schwer und nicht die herrschenden Gruppen. Wegen der Sanktionen kommt nun auch die Erdbebenhilfe nicht in Syrien an, weil wir keine Gelder aus dem Libanon nach Syrien überweisen können. Die Menschen leiden unter Armut, Hunger und Krankheiten. Es ist menschenunwürdig, dass wird den Menschen nicht helfen können. (…) Die Menschen leiden massiv und sterben. Wir können wegen der Sanktionen keine Medikamente oder lebenswichtige Güter an unsere Brüder und Schwestern schicken. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschlands muss sich als Regierung des wirtschaftlich stärksten Landes in Europa dafür einsetzen, dass die Sanktionen sofort aufgehoben werden.

    https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/christliche-kirchen-fordern-ende-der-eu-sanktionen-gegen-syrien-li.315264

  11. 5.

    Was ist eigentlich aus der guten alten Spendenbüchse geworden?
    Nicht jeder kann einen höheren Betrag spenden, manche kommen einfach nicht mit der ganzen Überweiserei klar.
    Ich bin der Meinung auch Kleinvieh macht Mist. Auch ein fünfzig Cent Stück ist Geld, wenn davon genug zusammenkommt hilft es sicherlich auch, oder?
    Vielleicht sollten Supermärkte neben der Kasse eine Spendenbox für Hilfe für die betroffenen Länder aufstellen?

  12. 4.

    Mann Ey was soll dieses gegeneinander aufgerechne…… entweder man spendet oder lässt es sein

  13. 3.

    Sie schreiben: "...Brautkleider, High Heels und Bikinis, die den Menschen in muslimisch geprägten Ländern bei eisigen Temperaturen wenig nützen." Ob das Land muslimisch geprägt ist, ist in diesem Zusammenhang völlig egal. Die angesprochenen Kleidungsstücke nützen wegen der Kälte nichts. Kälte hat mit dem Glauben der Menschen nichts zu tun.

  14. 2.

    Wie wird man so gehässig und neidisch? Es liegen Kinder unter den Trümmern, die langsam erfrieren. Was hat die Flutkatastrophe damit zu tun? Mal ganz davon abgesehen, dass da ne Menge Länder geholfen haben und das Ausmaß der Katastrophe nicht annähernd vergleichbar ist, weder nach Toten noch nach betroffener Fläche. Einfach nur niederträchtig ihr Kommentar. Schämen Sie sich.

  15. 1.

    Welche Länder haben eigentlich bei der Flutkatastrophe im Ahrtal gespendet?

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