Wasserrecycling in Wohnbauten - "Lebensmittel gehören nicht in die Klospülung"
Unser Wasser wird durch die Klimakrise knapp. Ein Projekt in einem Berliner Studentenwohnheim zeigt, wie mit Grauwasserrecycling Wasser gespart werden kann. Umweltingenieure und Forschende an der TU Berlin wollen das zum Standard machen. Von Maren Schibilsky
Der Berliner Umweltingenieur Erwin Nolde drückt die Klospülung in einem Studentenapartment in der Pankower Selma-Lagerlöf-Straße. Normalerweise fließt Trinkwasser das Toilettenbecken hinunter, rund 50 Liter macht das pro Person und Tag aus. Für Nolde eine ungeheure Verschwendung. "Trinkwasser ist unser Lebensmittel Nummer eins und Lebensmittel gehören nicht in die Klospülung", meint er.
Lange Zeit forschte Nolde an der TU Berlin zu Wasserrecycling. Heute betreibt er eine Firma, die innovative Wasserkonzepte anbietet. In dem Studentenwohnheim in Pankow hat er die größte Grauwasserrecyclinganlage in Berlin realisiert. Sie versorgt 400 Apartments. 2022 wurde der Umweltingenieur dafür ausgezeichnet. Toilettenspülung und Waschmaschine laufen hier mit recyceltem Grauwasser - das ist Wasser, das z.B. aus Dusche oder Waschbecken abfließt und als Betriebswasser verwertet werden kann.
Reinigung ganz ohne Chemie
Im Keller des Wohnheims steht die Anlage: ein intelligenter Mix aus Abwasserbehandlung und Trinkwasseraufbereitung. "Seit mehr als 15 Jahren ist diese Technik entwickelt", sagt Nolde. In drei Grauwasserbehältern wird das Dusch-, Badewannen-, Waschbecken- und Küchenwasser gesammelt und mithilfe von Mikroorganismen biologisch gereinigt. Alles passiert hier ohne Chemie. Es gibt Sandfilter und eine Desinfektion durch UV-Strahlung für die Keime. Heraus kommt ein sogenanntes Betriebswasser für die Toilettenspülung und Waschmaschine.
Nolde geht zu einem Waschbecken mit zwei Zapfstellen. Aus der einen kommt Trinkwasser. Aus der anderen das Betriebswasser. "Wenn man jetzt von beidem eine Probe nimmt, sieht man, dass zwischen dem Betriebswasser und dem Trinkwasser kein Unterschied ist. Weder optisch noch geruchsmäßig. Also der Nutzer merkt keinen Unterschied", versichert der Umweltingenieur. Die Leute dürfen keinen Komfortverlust, kein hygienisches Risiko haben – das ist ihm wichtig.
Hohes Einsparpotential
Mit dem Grauwasserrecycling lassen sich zwischen 30 bis 60 Prozent Trinkwasser einsparen. Außerdem nutzt die Anlage die Wärme aus dem Dusch- und Badewasser, um kaltes Trinkwasser zu erwärmen. Diese Wärmerückgewinnung ist neu. Wie auch die smarte Steuerung der Anlage.
Die Berlinovo-Immobiliengesellschaft hat das Grauwasserrecycling in dem Studentenheim umsetzen lassen. "Dass wir Wasserknappheit in Berlin haben, liegt auf der Hand", meint Abteilungsleiter André Haßmann, der für den Bau zuständig ist. Mittlerweile prüft das Unternehmen bei all seinen Bauprojekten, wie mehr Nachhaltigkeit möglich ist. Für Haßmann rechnet sich eine Grauwasseranlage mit Wärmerückgewinnung ab 50 bis 60 Personen, also bei großen Wohneinheiten. In der Rhinstraße in Lichtenberg baut die Berlinovo jetzt zwei weitere Studentenwohnheime mit Grauwasserrecycling für insgesamt 800 Wohnapartments.
Nolde geht davon aus, dass sich die Anlagen innerhalb von 10 Jahren amortisieren. "Wir sagen so über den Daumen gerechnet, dass wir Mehrkosten für das zweite Leitungsnetz und für die Anlage von zirka 20 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche haben. Peanuts, wenn man vergleicht, für welchen Preis pro Quadratmeter Wohnfläche über den Ladentisch geht", so Nolde.
Für den Umweltingenieur ist jeder Neubau, der entsteht und das Grauwasserrecycling mit Wärmerückgewinnung nicht realisiert, eine Bausünde und ein Vergehen gegen Klimaanpassung. Auch bei der Plattenbausanierung in Berlin hätte man Grauwasserrecycling mitdenken können – meint Nolde. "Man hat uns Jahrzehnte im Glauben gelassen, dass Berlin genügend Wasser hat, Wasser im Überfluss und dass man sich darum nicht kümmern muss. Das war schon seit langem klar, dass das nicht richtig ist."
Der Bevölkerungszuwachs in der Bundeshauptstadt und die zunehmende Hitze und Trockenheit machen die Wasserversorgung künftig zur Herausforderung.
Spürbarer Effekt nur durch Neubau und Sanierung möglich
Der Wissenschaftsladen "Kubus" an der TU Berlin hat jetzt Vertreter aus Politik, dem Wohnungsbau, der Verwaltung und der Wissenschaft erstmals zusammengebracht, um Grauwasserrecycling in der Bundeshauptstadt voranzubringen. Frank Becker vom Wissenschaftsladen fordert eine Überarbeitung der Bauordnung, in der getrennte Wasserkreisläufe für Trinkwasser und Grauwasser zwingend vorgeschrieben werden.
Nicht nur beim Wohnungsneubau brauche es neue Rahmenbedingungen, fordert er. "Wir müssen jetzt handeln! Deshalb ist die Politik gefordert, hier Lösungen zu erarbeiten, die durchaus experimentell im Sanierungsbereich die Nutzung von Grauwasser ermöglichen. Weil, wenn wir das nur auf den Neubau beschränken würden, würde es viel zu lange dauern, bis wir eine Wirkung im Sinne des Trinkwasserverbrauchs in Berlin sehen."
Bisher gibt es in ganz Berlin weniger als zehn Grauwasserrecyclinganlagen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 2.2.2023, 17:50 Uhr