Brandbrief von Lehrkräften - Polizei ermittelt zu mutmaßlich rechten Vorfällen an Brandenburger Schule
Hitlergruß auf dem Sportplatz, Mobbing gegen linke und migrantische Mitschüler, eingeschüchterte Lehrer: Eine Schule im Spree-Neiße-Kreis schlägt Alarm. Inzwischen haben sich weitere Schulen beim rbb gemeldet – und das Schulamt schaltet sich ein.
- Offener Brief von Lehrern einer Schule in Spree-Neiße prangert rechtsmotivierte Gewalt an
- Polizei ermittelt wegen mutmaßlicher Straftaten
- Andere Schulen berichten von ähnlichen Vorfällen
- Zuständiges Schulamt will tätig werden, Landrat sichert Unterstützung zu
Nach einem rbb-Bericht über mutmaßliche Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund an einer Schule im Landkreis Spree-Neiße hat die Polizei Ermittlungen aufgenommen.
Lehrkräfte hatten sich mit einem Brief an mehrere Medien, darunter der rbb, gewandt. "Wir wenden uns an die Öffentlichkeit, da wir in unserem Arbeitsalltag als Schulpersonal an einer Schule im Spree-Neiße-Kreis täglich mit Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie konfrontiert werden und nicht mehr länger den Mund halten wollen", heißt es in dem entsprechenden Schreiben.
Auch der Polizei liegt der Brief inzwischen vor. "Die Kriminalpolizei ermittelt zu möglicherweise strafrechtlich relevanten Sachverhalten", sagte Polizeisprecher Maik Kettlitz am Dienstag.
"Lehrkräfte und Eltern fürchten um ihre Sicherheit"
In dem "Brandbrief" zeichnen die Lehrkräfte, die das Schreiben nicht namentlich unterschrieben haben, ein düsteres Bild vom Geschehen an ihrer Schule. Als Beispiele nennt die Lehrerschaft unter anderem die verfassungsfeindliche Verbreitung von rechtsextremen Symbolen, Schriften, Musiktiteln und Gewalt an der Schule. Schulmobiliar werde mit Hakenkreuzen beschmiert, im Unterricht werde rechtsextreme Musik gehört, auf dem Sportplatz der Hitlergruß gezeigt, in den Schulfluren demokratiefeindliche Parolen gerufen.
"Lehrkräfte und Schüler, die offen gegen rechtsorientierte Schüler- und Elternhäuser agieren, fürchten um ihre Sicherheit", heißt es weiter. Die wenigen ausländischen und toleranten Schüler erlebten Ausgrenzung, Mobbing und Gewaltandrohungen. Es herrsche ein Gefühl der Machtlosigkeit und der erzwungenen Schweigsamkeit.
Die Lehrkräfte fordern die Politik auf, mehr Sozialarbeiter an den Schulen einzustellen, mehr demokratiefreundliche Projekte zu fördern, ein niedrigschwelligeres Fortbildungsangebot für Lehrkräfte zu ermöglichen und eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Rechtsextremismus, Homophobie und Sexismus zu zeigen.
Schulamt will sich mit Vorfällen befassen
Nach dem Brandbrief haben sich inzwischen weitere Schulen in Südbrandenburg beim rbb gemeldet, die Ähnliches berichten und nun aktiv werden wollen.
Auch das Schulamt befasst sich mit der Situation. "Wir werden auf jeden Fall tätig", teilte der Leiter des zuständigen Schulamts, Uwe Mader, am Mittwoch mit. Er sei "zutiefst geschockt und entsetzt" über die Lage, die mehrere Lehrer in einem Brief an die Öffentlichkeit beschrieben.
Das Schulamt ist für die Schulen in Südbrandenburg zuständig und dem Brandenburger Bildungsministerium unterstellt. Die Vorwürfe wögen schwer und würden sehr ernst genommen, sagte Ressortsprecherin Ulrike Grönefeld. "Wenn Lehrkräfte den Weg über einen öffentlichen Brief wählen, kann dies auch als ein Hilferuf verstanden werden."
Der Landrat von Spree-Neiße, Harald Altekrüger (CDU), sagte der betroffenen Einrichtung Unterstützung zu. "Schule muss ein Ort bleiben, wo sich Schüler und Lehrkräfte gleichermaßen sicher fühlen und gemeinsam lernen können. Für politischen Extremismus und Gewalt ist hier kein Platz", hieß es in einer Stellungnahme des Landrates am Mittwoch.
Träger der Schule ist der Kreis jedoch nicht. Für konkrete Maßnahmen gebe es engen Kontakt mit dem Schulamt in Cottbus, hieß es weiter. An der betroffenen Einrichtung gibt es laut Altekrüger eine vom Landkreis finanzierte Schulsozialarbeit.
Künftiger Bildungsminister zeigt sich schockiert - Kritik seitens der Linken
Der designierte Brandenburger Bildungsminister, Staatssekretär Steffen Freiberg (SPD), sagte am Dienstag bei einer Pressekonferenz, man sei mit der Schulleitung in Kontakt und versuche zu klären, was vorgefallen ist. Die Berichte nannte er schockierend. Freiberg sagte am Dienstag rbb24 Brandenburg aktuell, das sei nicht nur Mahnung, sondern auch ein Aufruf für alle Demokraten, da einzustehen und die verfassungsmäßige Ordnung zu verteidigen.
Die Linksfraktion im Landtag forderte in Hinblick auf den Brandbrief mehr Engagement des Landes gegen Rechtsextremismus. "Brandenburg hat eben keine ausreichend gelebte Null-Toleranz-Politik gegenüber Rechtsextremismus, Diskriminierung, Homophobie und Sexismus", kritisierte die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Kathrin Dannenberg, am Mittwoch einer Mitteilung zufolge. "Demokratische Werte werden von vielen Erwachsenen, auch von Eltern und Pädagog*innen zu wenig vertreten und vermittelt." Auf Antrag der Linksfraktion befasst sich am Donnerstag der Bildungsausschuss des Landtags mit dem Thema.
Experte empfiehlt frühzeitiges Handeln
Markus Klein, Geschäftsführer von Demos, einem mobilen Beratungssystem zum Rechtsextremismus, appelliert an betroffene Lehrkräfte, so früh wie möglich zu handeln. "Damit aus einem Schneeball keine Lawine wird, ist es wichtig, sich im Kollegium abzusprechen", sagte Klein am Mittwoch im rbb24 Inforadio.
Er zeigte grundsätzlich Verständnis dafür, dass Lehrerinnen und Lehrer bei rassistischen Äußerungen in einem ersten Impuls erstmal wegsähen: "Das ist durchaus nachvollziehbar, auch aus Selbstschutz - vor allem wenn unklar ist, ob Kollegen und Schulleitung mir den Rücken stärken." Durch den Brandbrief werde im aktuellen Fall allerdings deutlich, dass die Lehrer das Gefühl hätten, alleine zu sein, so Klein. "Das ist ein zentraler Punkt, dass Schulleitung und Kollegium an einem Strang ziehen." Grundsätzlich gebe es Unterstützungsmöglichkeiten für Lehrkräfte, die von Fortbildungen bis Einzelberatungen reichen würden, sagte Klein.
Der Demos-Geschäftsführer sieht aber auch die Politik in der Verantwortung. Rechtextremismus habe sich etwa mit Blick auf die AfD und ihr Handeln verändert. Bestimme Parolen seien inzwischen salonfähig: "Das verändert das Klima und wirkt auch bestimmt auf die Schüler und auf dem Schulhof."
Sendung: rbb24 Inforadio, 25.04.2023, 19:30 Uhr
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