Deal mit Staatsanwaltschaft - Urteil mit milden Strafen in Prozess um Einbruch ins Grüne Gewölbe erwartet
Im Prozess um den Juwelendiebstahl aus dem Grünen Gewölbe wurde mit den Angeklagten im Januar ein Deal geschlossen. Für die Rückgabe des Schmucks sollen die Männer eine geringere Strafe erhalten. Daran gibt es Kritik. Von Nadja Malak
Hinweis: Dieser Artikel wird nicht mehr aktualisiert. Aktuelle Informationen zum Urteil finden Sie hier.
Fast eineinhalb Jahre wurde um den Einbruch in das Grüne Gewölbe in Dresden verhandelt. Lange Zeit war nicht klar, ob die sechs Angeklagten, die allesamt dem Berliner Clanmilieu angehören, überführt werden können.
Doch dann kam der Deal, der beinhaltet, dass die gestohlenen Juwelen zurückgegeben werden und die Angeklagten umfassende und glaubwürdige Geständnisse ablegen. Im Gegenzug sollen sie milder bestraft werden.
In einer Nacht-und-Nebel-Aktion wurden die Juwelen im vergangenen Dezember zurückgegeben. 31 Einzelteile – teilweise stark beschädigt. Die drei wertvollsten Stücke fehlten: die bei dem Diebstahl beschädigte Epaulette mit dem "Sächsischen Weißen" sowie das Collier und die Große Brustschleife der Königin Amalie Auguste.
Mehr Fragen als Antworten
Dennoch kam es zu der Verfahrensabsprache. Vier Angeklagte nahmen den Deal an. Sie machten Aussagen und schildern ihre Tatbeteiligung. Ein fünfter will nicht dabei gewesen sein und nur Werkzeuge besorgt haben. Der sechste hat ein Alibi.
Nach den Aussagen gab es aber mehr Fragen als Antworten. Laut den Angeklagten waren zwei unbekannte Männer an dem Einbruch beteiligt, Namen wurden nicht genannt, denn sie mussten keine Dritten belasten. Dasselbe gilt für den Verbleib der fehlenden Schmuckstücke. Wie und wo waren die Juwelen in der Zwischenzeit gelagert? Wer sind die Hintermänner und Planer des Coups? Diese Fragen werden auch nach Ende des Prozesses offenbleiben.
Haftverschonung Teil des Deals
Die Staatsanwaltschaft fordert nun Haftstrafen zwischen rund viereinhalb Jahren und sechs Jahren und acht Monaten. Drei der sechs Angeklagten werden am Dienstag nach ihrer Verurteilung voraussichtlich auf freien Fuß gesetzt werden. Denn Teil der Vereinbarung ist eine vorrübergehende Haftverschonung. Das heißt der Haftbefehl wird ausgesetzt, bis das Urteil rechtsgültig ist.
Bei den restlichen Angeklagten liegen andere Haftgründe vor. So wird etwa Ahmed R., für den die Staatsanwaltschaft aufgrund seines Alibis Freispruch gefordert hat, in Haft bleiben. Er wurde für den Einbruch ins Berliner Bode-Museum und den Diebstahl der Goldmünze verurteilt. Auch in Haft bleibt sein Mittäter Wissam R. Ein weiterer Angeklagte bleibt in Untersuchungshaft, da er im Sommer 2020 an einem bewaffneten Banküberfall beteiligt gewesen sein soll.
Das falsche Zeichen
Für Experten wie den Erlanger Politikwissenschaftler und Clan-Experten Mahmoud Jaraba ist das Urteil das falsche Zeichen. Jaraba forscht seit Jahren zu Strukturen arabischer Clans in Deutschland. Er sagt, dass die kriminellen Teil-Familien voneinander lernen. Zum Beispiel Kinder von ihren kriminellen Vätern oder älteren Brüder.
Einer der Angeklagten, der bei der Tat unter 21 Jahre alt war, schilderte im Prozess um den Juwelendiebstahl, man hätte ihn bis dahin nie richtig ernst genommen. Er habe, so las es sein Anwalt vor, in seinem Leben noch nichts auf die Reihe bekommen. Er wolle im Mittelpunkt stehen und suche Anerkennung.
Der junge Mann bezieht sich in seiner Aussage hier auf Straftaten, denn er wollte unbedingt bei dem Einbruch ins Grüne Gewölbe mitmachen. In der Aussage schwingt durch, dass man nur ernst genommen wird, wenn man entsprechende Straftaten begangen hat.
"Am Ende gibt es keine harten Konsequenzen"
Fünf der sechs Angeklagten sind Cousins ersten Grades. Das heißt, dass ihre Väter Brüder sind. Natürlich ist nicht jedes Clan-Mitglied kriminell – ganz im Gegenteil. Sieht man sich allerdings die Väter-Generation dieses Teils der Familie an, fällt auf, dass viele von ihnen in den vergangenen 20 oder 30 Jahren polizeilich in Erscheinung getreten sind. Der Neuköllner Sozialstadtrat Falko Liecke (CDU) sagte dazu: "Im Vergleich zu anderen bekannten Familien sticht diese Familie durch die Anzahl der Straftaten einmal quer durchs gesamte Strafgesetzbuch hervor."
Mahmoud Jaraba ist der Meinung, dass die oft sehr milden Urteile bestätigen, dass die Kriminellen den Rechtsstaat nicht ernst nehmen müssen. "Sie haben gelernt, dass sie im Rechtsstaat tun und lassen können, was sie wollen. Mit einem sehr guten Anwalt können sie mit ihrem Verhalten durchkommen und am Ende gibt es keine harten Konsequenzen."
So wohl auch jetzt: Im erwarteten Urteil wegen des Juwelendiebstahls werden die Angeklagten gut wegkommen. Und drei von ihnen kommen wohl vorerst sogar frei. Bis das Urteil rechtskräftig ist, kann es dauern und wenn Revision dagegen eingelegt wird, sogar mehrere Jahre.
Sendung: rbb24 Inforadio, 16.05.2023, 06:25 Uhr