Interview | Imker über Lindentau - Auto im Honigmantel - lecker!

Do 15.06.23 | 13:56 Uhr | Von Felix Michel
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Ein von Lindenblüten verklebtes Auto parkt Mitte Juni 2023 in Berlin-Neukölln (Quelle: rbb / Sebastian Schneider).
rbb / Sebastian Schneider
Video: rbb24 | 15.06.2023 | Material: Felix Michel | Bild: rbb / Sebastian Schneider

Unter Linden kann man in diesen Tagen eine klebrige Überraschung erleben: Süße Tropfen bekleckern Menschen und Autos. Warum das kein großer Schaden ist, sondern eigentlich was Tolles, erklärt der Imker Jörg Weigelt.

rbb|24: Herr Weigelt, warum kleben eigentlich gerade die Lindenbäume?

Jörg Weigelt: Die Kleberei ist sicher zumeist unter einem Lindenbaum zu finden, weil der Lindenbaum von einer speziellen Laus bevölkert wird, die sich im Laufe des Jahres zu einer Massenpopulation entwickelt. Diese Laus sticht den Pflanzensaft der Linde an und verarbeitet den dort enthaltenen Zucker. Dieser Saft ist eine zuckerhaltige Lösung, die von der Wurzel den Stamm herauf in die Pflanze, in die Blätter transportiert wird. Den überschüssigen Zucker, den die Laus nicht verarbeiten kann, weil sie die Menge - oder die Konzentration und Menge - nicht halten kann, scheidet sie als Zuckertropfen aus.

Was macht denn die Laus mit dem Saft genau?

Die Laus holt sich daraus praktisch die Kohlenhydrate, den Brennstoff, als Lebensgrundlage.

Aber die Laus kann nicht alles verwerten ...

Wenn der Zuckertropfen zu groß wird, fällt er runter auf die Blätter im Baum oder auf den Boden - oder eben auf darunter stehende Autos. Wenn es dann sehr trocken ist und diese Zuckerlösung nicht abgewaschen wird, bleibt die zuckrige, klebrige Lösung auf den Fahrzeugen.

Was sind das für Läuse in der Linde?

Ja, es gibt spezielle Läuse. Oder sagen wir mal: Die Läuse haben sich auf bestimmte Baumarten spezialisiert. In Süddeutschland sind es die Fichte und die Weißtanne. Wenn der Imker das dann verarbeitet, kann man das als Weißtannenhonig kaufen. Bei uns ist es dann eben ein Tauhonig oder ein Waldhonig von der Linde.

Diese Zuckertropfen fallen nicht nur einfach nutzlos runter vom Baum. Es gibt zwei Individuen, die an diesen Zuckertropfen sehr interessiert sind: Das ist einmal die Ameise, die sich die Zuckerlösung holt. Und wenn es die Ameise nicht schafft, dann ist es die Honigbiene, die diese Zuckertropfen sammelt, sie in ihre Behausung bringt und dann durch Wasserentzug in Honig umwandelt. Darum muss man also genauer sagen: Der Honig der Honigbiene kommt eben nicht immer aus den Blüten als Blütenhonig, sondern in diesem Fall ist es dann der sogenannte Wald- oder Tauhonig, der von diesen Läusen stammt.

Ein Baum – und zwei Sorten Honig?

Der Imker freut sich natürlich, wenn er neben seinem Blütenhonig von der Linde, also von der Lindenblüte, noch eine zusätzliche Honigernte hat, also Honig, der über diese Tautropfen entstanden ist.

Dieser Honig schmeckt anders und zwar sehr, sehr gut.

Jörg Weigelt, Imker

Schmeckt denn der Tauhonig auch anders?

Dieser Honig schmeckt anders und zwar sehr, sehr gut. Waldhonige schmecken immer würziger als die normalen Blütenhonige. Und sie sehen auch anders aus. Sie sind immer etwas dunkler gefärbt. Wichtig ist auch: Sie haben einen ganz starken Mineralstoffgehalt und enthalten sehr viele Spurenelemente, die zum Teil von der Biene zugefügt werden und zum Teil aus dem Siebröhren-Saft der Linde [Saft, der im Inneren der Pflanze transportiert wird, Anm.d.Red.] stammen. Das sind ganz spezielle Honige, die sehr würzig sind und sehr wertvoll als Ernährungsgrundlage.

Zurück zum Baum und zum Auto: Wenn ich jetzt die Tropfen oder die klebrige Oberfläche spüre - dann ist das nichts weiter als Zucker?

Genau. Zucker. Nichts weiter. Eine Zuckerlösung. Und Zuckerlösungen lassen sich sehr leicht lösen, nämlich einfach durch klares Wasser. Das ist kein Hexenwerk. Wasser aufs Auto und dann löst sich der Zucker und wird weggeschwemmt.

Diese Zuckerlösung kommt aber nicht immer vor - eigentlich ja nur zu einer bestimmten Zeit, oder? Wann denn genau?

Es hat mit dem Wetter zu tun. Wenn sich so eine Population entwickelt, müssen bestimmte Umweltbedingungen herrschen. Es muss lange Zeit trocken sein. Es darf in der Honigtau-Trachtzeit nicht regnen, sonst löst sich der Zuckertropfen einfach durchs Regenwasser ab und wird weggespült. Und es müssen bestimmte Temperaturen erreicht sein. Außerdem muss die Läusepopulation eine gewisse Zeit im Jahr haben, in der sie sich auch entwickelt und diese Population muss als Masse auftreten. Das geht auch nicht gleich nach dem Winter los, sondern die Läusepopulation wächst. Aber erst dann, wenn sie exponentiell stark anwächst und eine Art Übermaß annimmt, dann hat man eben auch diese Vielzahl von Tropfen, die nach unten fallen und diese leichte Zuckerschicht bilden.

Können Sie als Imker sagen, wann Sie diesen Honig bekommen - also gibt es den jedes Jahr?

Das ist schwer zu sagen. Früher hat man einen Durchschnittswert angegeben: Alle sieben Jahre steht bei der Linde eine Honigtau-Tracht an. Jetzt aber ist es vielleicht häufiger. Das kann ich nicht so genau beurteilen. Wenn wir einfach nur einen verregneten Sommer haben, dann gibt es auch keine Honigtau-Tracht.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Felix Michel für rbb|24.

Beitrag von Felix Michel

16 Kommentare

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  1. 16.

    „Benutzt einfach mal den ÖPNV wie es andere auch machen „ Oh, was für eine (schlechte) Moral.
    Gleichmacherei statt Diversität ist Ihr Aufruf? Niemand fliegt 1. Klasse um im „weißen Kleidchen“ zu jeder Tageszeit sicher eher anzukommen...

    Schon mal einen Sitz gesehen, was da drauf so alles passiert? Nicht jedermanns Sache....

  2. 15.

    Klar!
    Logistik, Pendler, Schichtarbeiter und Notdienste, wer braucht die schon!
    (Mal abgesehen davon, dass auch Busse Autos sind.)
    Und wer nicht in der Nähe einer ÖPNV-Anbindung lebt und nicht so gut zu Fuß ist, soll sich gefälligst nicht so anstellen!
    Gell?

  3. 14.

    Das sind also die Sorgen von Autobesitzern!
    Na dann verkauft eure stinkenden,lärmenden Vehikel.
    Benutzt einfach mal den ÖPNV wie es andere auch machen .
    Dann braucht Ihr Euch nicht aufregen über Vandalismus, Reparaturen und dergleichen.
    Ein Neues Fahrrad anschaffen von dem Geld , was Ihr dann zur Verfügung habt.

  4. 13.

    Mein Biest wurde dieses Jahr 40 (übrigens immer noch mein erstes Auto). Technisch top, innen sauber, außen - mhh - muss mal nachsehen ob das Flecktarn noch original oder schon biologisch ist.

  5. 12.

    Warum sucht man sich denn kein Parkhaus, Tiefgarage oder anderes und parkt dort? Für so viel Klebezeug wäre mir mein Auto echt zu schade. Müsste ja ständig in die Waschanlage. Also manche sparen echt an der falschen Stelle. Hauptsache kostenlos im Dreck parken.

  6. 11.

    Achtung, vor dem Genuss als Waldhonig müssten erst noch die Bienen ihr fleißiges Werk tun und ihn veredeln!

  7. 8.

    Im Artikel steht, dass es sich um Ausscheidungen der Läuse handelt.
    Unfassbar, dass man da mit offenem Mund durchfahren möchte.

  8. 7.

    "...den Mund aufhalten und den Kopf in den Nacken werfen..."
    Na, wenn da nicht ein Spatz oder so ... nee ... laß' ich jetzt ;-).

  9. 6.

    ...och, ich kann mir bei uns aussuchen, ob ich unter Linden, ebenfalls klebrigem Ahorn oder unter Ebereschen (alias Vogelbeerbäumen)parke. Ist immer sehr witzig. Wasser bekommen unsere Bäume hier trotzdem extra von uns. Immerhin machen Kastanien, wenns doof läuft, Dellen. :D

    Wie ich immer sage: "Woran merkst du, dass Frühling ist? Wenn dir >jemand< aufs Auto gekackt hat!"

  10. 5.

    Von meiner Sonnenbrille lassen sich die Pünktchen unter lauwarmen Wasser prima mit den Fingern entfernen. Anschließend mit einem Stück Küchenrolle abtrocknen und fertig.
    Unserem Auto haben wir eine Keramikversiegelung spendiert, hat nur seitdem leider nicht geregnet um mal den beworbenen Lotuseffekt bewundern zu können.
    Lotusbeschichtung soll es übrigens auch für Brillengläser geben.

  11. 4.

    Dieses Jahr ist es tatsächlich auffällig. In den letzten Tagen dachte ich, auf dem Fahrrad fahrend, des öfteren, es beginnt zu regnen. War dann aber doch nur vorübergehend während der Fahrt "unter den Linden". Ein paar Tröpfchen, das kennt man ja, aber es war tatsächlich wie Nieselregen.
    Werde nach diesem Bericht ab jetzt in diesen Situationen den Mund aufhalten und den Kopf in den Nacken werfen, bin großer Liebhaber von Waldhonig. ;-)

  12. 3.

    Wir Brillenträger kennen das Problem der alljährlichen Verkleisterung nur zu gut.
    Doch was immer da Pflanzliches auf den Gläsern klebt:
    Klares Wasser reicht nicht.
    Daher habe ich mir längst widerwillig einen überteuerten Brillenshaker (seltsam, dass man sowas nicht in Ein-Euro-Läden findet) und eine Ultraschall-Miniwanne mit Klappdeckel gekauft.
    Ansonsten helfen wohl nur (lösungsmittelfreie, wenn man kein Schnüffler ist) Sprays.

  13. 2.

    Was den Ameisen gut tut, ist auch für uns Menschen gesund. Ich liebe Waldhonig.

  14. 1.

    Der "Honigmantel" hat noch eine andere schöne Wirkung. Auf Parkplätzen wird man nicht eingebaut und die Leute machen mit Ihren Kratztaschen einen riesen Bogen um die Möhre. Selbst Radfahrer gehen nicht auf Tuchfühlung und auch in einer "Mausefalle" wird gebührender Höflichkeitsabstand gehalten. Scheiben, Lampen, Griffe sauber, Blätter aus der Lüftung raus - fertig.

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