Berliner Innenverwaltung - Straftaten mit Böllern und Silvesterraketen werden kaum geahndet

Mi 18.10.23 | 06:15 Uhr
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Nach den Ausschreitungen in der Silvesternacht, bei denen in Neukölln ein Reisebus angezündet wurde, zeigt am 26.01.2023 ein Anwohner ein Video vom brennenden Bus. (Quelle: dpa/Jens Kalaene)
Audio: rbb24 Inforadio | 18.10.2023 | Christoph Reinhardt | Bild: dpa/Jens Kalaene

In der vergangenen Silvesternacht erfasste die Berliner Polizei insgesamt 406 Straftaten im Zusammenhang mit Böllern und Pyrotechnik. Doch nur die wenigsten wurden geahndet. Präventionsmaßnahmen gebe es zudem kaum, kritisieren die Grünen.

Straftaten mit Böllern, Pyrotechnik und Silvesterraketen werden kaum bestraft. Das ergibt eine Auswertung dieser Delikte aus der vergangenen Silvesternacht, die die Grünen bei der Innenverwaltung abgefragt hatten.

Gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung, Brandstiftung und Verstöße gegen das Waffen- oder Sprengstoffgesetz - insgesamt 406 Straftaten im Zusammenhang mit Böllern und Pyrotechnik erfasste die Polizei in der vergangenen Silvesternacht. Dabei wurden 88 Tatverdächtige ermittelt, 48 Verdächtige konnte die Polizei wegen Angriffen auf Polizei-, Feuerwehr- und Rettungskräfte feststellen.

228 Strafverfahren - Hälfte davon eingestellt

Von den bisher eingeleiteten 228 Strafverfahren wurde fast die Hälfe eingestellt, in nicht einmal jedem zehnten Fall wurden Sanktionen verhängt. Neben je einer Freiheitsstrafe und einem Jugendarrest waren das überwiegend Geldstrafen und viele Erziehungsmaßregeln nach dem Jugendgerichtsgesetz. Mehr als die Hälfte aller nicht einstellten Verfahren wurde gegen Jugendliche beziehungsweise Heranwachsende geführt.

Von den Maßnahmen, die der Senat seit der vergangenen Silvesternacht ergriffen hatte, zeigte sich der grüne Innenpolitiker Vasili Franco enttäuscht: "Es wurden harte Strafen gefordert, doch wie zu vermuten war, sind unter den Tatverdächtigen viele Jugendliche, für die das Jugendstrafrecht gilt." In diesen Fällen sei das gesetzliche Ziel nicht die höchste Strafe, sondern die Vorbeugung weiterer Straftaten, so Franco.

Innenverwaltung weist Vorwurf fehlender Prävention zurück

"Die Empörung nach der Silvesternacht war groß, die Bereitschaft präventiv zu handeln, bleibt leider aus", sagte Franco dem rbb. Der Grüne fordert ein ganzjähriges Feuerwerksverkaufsverbot ohne Ausnahmen an Silvester. Bisher lägen nicht einmal Planungen für Böllerverbotszonen am kommenden Jahreswechsel vor. Die Ankündigungen von Innensenatorin Iris Spranger (SPD), sich auf Bundesebene für Gesetzesänderungen einzusetzen, seien leere Versprechungen geblieben.

Auf rbb-Anfrage wies die zuständige Innenverwaltung die Vorwürfe zurück. Ein "großflächiges oder sogar bundesweites Abbrenn- und Verkaufsverbot für Feuerwerkskörper" sei zu begrüßen. Um eine Rechtsgrundlage dafür zu schaffen, müsse aber der Bund das Sprengstoffrecht ändern. Innensenatorin Iris Spranger (SPD) setze sich zwar weiter für Verkaufsbeschränkungen ein, eine entsprechende Mehrheit dafür sei aber weder bei den Regierungsfraktionen noch im Bundesrat zu erkennen.

Böller-Verbotszonen noch in Prüfung

In seiner Antwort auf die schriftliche Anfrage der Grünen, die dem rbb vorliegt, hatte SPD-Staatssekretär Christian Hochgrebe darauf verwiesen, dass die Einrichtung von Böller-Verbotszonen noch in Prüfung sei.

Die Polizei werde zum Jahreswechsel Schwerpunkte in Nord-Neukölln, Gesundbrunnen, Schöneberg-Nord, Gropiusstadt, Lichtenrade und am Brandenburger Tor setzen sowie den Verkauf von Feuerwerkskörpern an bekannten Brennpunkten überwachen. Dort sollen auch Flyer und Plakate an Schulen und Jugendeinrichtungen verteilt werden. Bereits auffällig gewordene Gefährder sollen durch Polizeikräfte um Vorfeld gezielt angesprochen werden.

Sendung: rbb24 Inforadio, 18.10.2023, 6 Uhr

73 Kommentare

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  1. 73.

    Ein Böllerverbot wird Gewalttaten nicht verhindern. Gerade kriminelle Gewalttäter haben kein Problem, sich auf illegalem Weg nicht nur Böller, sondern Sprengkörper jeder Art und Schusswaffen nebst Munition zu beschaffen.

  2. 72.

    Ausgerechnet die Grünen fordern nun plötzlich Prävention. Toll wäre natürlich, wenn man sich mal wieder bekochen und zusammen in trauter Einigkeit Süßigkeiten backen würde. Aber, stell Dir vor, es gibt Schläge, Steine und Pyros und alle gehen hin...

  3. 70.

    Die Regierungsansprache von heute macht ja ein wenig Hoffnung!
    Bedauerlich, dass es so weit kommen musste

  4. 69.

    Ich denke nicht, dass ein „Böllerverbot“ für die Allgemeinheit aggressive Gewalttäter von ihren Exzessen abhalten wird. Gar zu leicht ist es für Kriminelle z.B., sich illegal weit effektivere Knallkörper als die in Deutschland für die Allgemeinheit zugelassenen zu besorgen. Und Wurfkörper wie Steine und Flaschen bleiben ja ohnehin frei zugänglich. Im Ergebnis dürfte ein „Böllerverbot“ Gewaltexzesse nicht verhindern.

  5. 68.

    Das ist doch schon lange die Normalität ! Kritik dazu : Unerwünscht ! Nun wird die gesalzene Quittung präsentiert !

  6. 67.

    Die sitzen doch schon seit Jahren zusammen am Tisch. Kritische Stimmen, denen der Tisch verwehrt wurde, sind sofort mit Inbrunst als rechtsextrem identifiziert und tituliert worden. Nichts durfte die heile, bunte únd queere Welt stören. Jetzt liegt ein großer Scherbenhaufen vor dem Tisch. Irreparabel ! Da hilft auch kein Kleben mehr.

  7. 66.

    Die Berliner Politik muss sich schnell an einen Tisch setzen und einen Plan schaffen, wie sie die Ausschreitungen, die noch heftiger werden, verhindern kann.
    Ich erlebe hier in Neukölln schon seit Tagen ein ‚Mini-Silvester‘ gepaart mit sehr aggressiver Stimmung.
    Es ist nicht mehr sicher, sich ab Abenddämmerung draußen aufzuhalten, und ich vermeide meinen eigenen Lebensraum. Und ist es erst Mitte-Ende Oktober!
    Wenn sich hier nicht schnell was ändert, wird das noch total eskalieren.
    Ich fordere eine ständige Polizeipräsenz und sollte das Berlin nicht stemmen können (verständlich), die Zuziehung von Sondertruppen.
    Straßen absperren und nur noch für ÖPVN und Einsatzkräfte zulassen. Gesetze ändern!

    Diese Ausschreitungen haben nichts mehr mit Demonstrationen zu tun sondern mit der puren Lust an Zerstörung! Das haben wir vor 10 Monaten gesehen und erlebt und geändert hat es nichts.

    Ich weiß nicht wo hin mit meiner Empörung und Sorge.

  8. 65.

    Danke, ich habe mir den Artikel gerade durchgelesen und fand ihn sehr interessant. Aber natürlich weiterhin eine schwierige Situation zu Silvester und ich möchte dann eigentlich nicht der Mensch sein, der statt zu feiern beruhigen muss. Trotz allem jetzt noch eine weitere Frage an Sie: befürchten Sie in Anbetracht der steigenden Aggressionen auf Berlins Straßen wegen der Situation in Israel nicht, dass es in Folge dessen in diesem Jahr besonders schwierig und aggressiv werden wird? Und falls Sie das wie ich befürchten, wäre es nicht besser, das Böllern dieses Jahr zu verbieten? Ich denke mit Grausen an alle Polizisten, Notärzte, Feuerwehr usw. Sollte sich die Situation bis dahin nicht entschärft haben, wird es schlimmer werden, als je zuvor. Wie schätzen Sie das ein?

  9. 63.

    "Straftaten mit Böllern und Silvesterraketen werden kaum geahndet"
    Von heute: "Polizei in Neukölln mit Feuerwerkskörpern attackiert"
    Na dann ....
    Dann sollten wir uns daran gewöhnen, dass der Mob weiterhin unsere freiheitliche Demokratie in Frage stellt.

  10. 62.

    Ich zitiere hier einmal aus einem Beitrag/Interview des RBB vom 30.12.2022 (https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2022/12/interview-silvester-trauma-feuerwerk-gesundheitszentrum-fluechtl.html):
    „ Wenn wir in Kontakt mit Geflüchteten sind und eine Retraumatisierung auftritt, durch einen Knall zum Beispiel, dann ist es wichtig, sie an einen sicheren Ort und ins Hier und Jetzt zurückzubringen. Wenn es den Betroffenen dann gelingt, zu differenzieren - früher waren diese Geräusche im Krieg und bedeuteten Angst und Gefahr, heute ist das ein Signal der Freude, zur Begrüßung des neuen Jahres - dann ist das sogar eine "therapeutische Aufgabe" und ein großer Schritt nach vorne.“

  11. 61.

    Antwort auf "VS" vom Mittwoch, 18.10.2023 | 13:00 Uhr
    "Dann verbieten wir auch Autos ....." Vor allem und schnell verbieten wir sinnbefreite Kommentare und hinkende Vergleiche!

  12. 59.

    Wie immer zum Jahresende "The same procedure as every year",,,,,boah, ich kann das Gejammer über Pyro nicht mehr hören.. gähn.

  13. 58.

    Sie verstehen aber schon, dass ein lauter Knall oder die "Bombenstimmung" an Silvester bei solchen Menschen eine Retraumatisierung auslösen kann oder? Wäre Ihnen das egal?

  14. 57.

    Sagen was ist:
    Bis Ende nächsten Jahres sind Böller endlich illegal und Cannabis endlich entkriminalisiert.
    Und das ist auch gut so.

  15. 56.

    Wie bitte? Es gab nie Probleme? In welcher Blase haben Sie die letzten Jahrzehnte gelebt?
    Seit Jahrzehnten wird keineswegs mehr das Neue Jahr mit Feuerwerk begrüßt, sondern der Tag und vor allen Dingen die Nacht für Randale unter Einsatz von Böllern & co. benutzt. Böller durch offene Fenster in fremde Wohnungen, Böller auf Autos, Raketen Richtung Menschenmenge usw. usw.

  16. 55.

    Woher wissen Sie schon heute, dass das kommende Silvester (nicht Sylvester) schlimmer wird. Gehören Sie zu den Chaoten oder woher diese Vorhersage?

  17. 54.

    Diesbezügliche Strafverfahren enden mit einem Kuschelkurs - im Jugendstrafrecht zwar verständlich, aber kaum zielführend. Geldstrafen werden nach Tagessätzen bemessen - mitunter ein Trinkgeld. Warum wird das reine Mitführen von pyrotechnischen Gegenständen außerhalb von befriedeten Besitztümern nicht als Ordnungswidrigkeit geahndet? Analog dazu die Einfuhr, auch von Kleinstmengen. So etwa ab 5000 Euro aufwärts fände ich angemessen. Bei Nichtzahlung käme immerhin noch Ersatzfreiheitsstrafe oder ein vollstreckbarer Titel bei raus. An der notwendigen schlüssigen Beweisführung ändert das nichts.
    Wenn es denn sein muss, kann der Jahreswechsel ja ausgenommen werden - vll. bei weiter eingeschränkten Zeiten oder nur an bestimmten, festgelegten Stellen unter Einbeziehung von "Zentralfeuerwerken" im öffentlichen Raum.

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