Drogenumschlag - Prozess gegen Syrer wegen bandenmäßigen Handels mit Captagon startet Ende Juli

Fr 05.07.24 | 09:02 Uhr
Eine Tüte voller Captagon. (Foto: © IMAGO / Le Pictorium)
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Audio: rbb24 Inforadio | 05.07.2024 | Rene Althammer | Bild: © IMAGO / Le Pictorium

Deutschland scheint ein Umschlagsplatz für die "Dschihadisten-Droge" Captagon zu sein. Ende Juli startet ein Prozess gegen vier Syrer, die fast eine halbe Tonne ins Land geschmuggelt haben sollen.

Am 24. Juli beginnt in Aachen der Prozess gegen vier Syrer, denen bandenmäßiger Handel mit der Droge Captagon vorgeworfen wird. Das bestätigte das Landgericht Aachen der Redaktion rbb24 Recherche auf eine gemeinsame Anfrage mit BR, MDR, RBB, SWR, Frankfurter Allgemeine Zeitung und Mediengruppe Bayern.

Die Staatsanwaltschaft Aachen wirft den Männern vor, sich zwischen Oktober 2021 und Oktober 2023 mindestens 480 Kilogramm Captagon-Tabletten beschafft zu haben, um sie nach Saudi-Arabien, Katar, Bahrain sowie Australien zu schmuggeln. Der Straßenverkaufswert des illegalen Aufputschmittels hätte bei rund 60 Millionen Euro gelegen. Der größte Teil der Lieferungen war durch den Zoll abgefangen worden.

Captagon spielt in Berlin derzeit keine Rolle

Auf dem Berliner Drogenmarkt spielt Captagon derzeit keine Rolle, sagt der Suchtmittelexperte Tibor Harrach vom Projekt Drugchecking. Im März 2024 wurde lediglich eine Tablette zur Kontrolle eingereicht. "Auch im Beratungsalltag bei Misfit in Kreuzberg oder der Migrantensuchtgruppe in Pankow spielt Captagon keine oder nur eine sehr untergeordnete Rolle", sagte Harrach dem rbb. Allerdings, so Harrach, gebe es hier auch kein Monitoringsystem zur systematischen Erfassung von Drogentrends wie in Frankfurt am Main.

Hauptabsatzgebiet für Captagon sind die arabische Halbinsel und Saudi-Arabien. In der Regel werden die Tabletten zuerst illegal nach Deutschland eingeführt und in sogenannten Tarnwaren für den anschließenden Weitertransport versteckt.

2022 Fund von zehn Kilo in Bremszylindern

Ausgangspunkt des aktuell größten Falls in Aachen war Ende 2022 die Kontrolle mehrerer Pakete mit Bremszylindern am Flughafen Köln/Bonn. Da diese nicht durchleuchtet werden konnten, schraubten die Kontrolleure sie auf und fanden mehr als zehn Kilogramm Captagon. Bei den weiteren Ermittlungen stießen die ermittelnden Beamten des Zollfahndungsamtes Essen auf weitere "Tarnladungen": Captagon-Tabletten in Duftkerzen, Luftreinigern und einem Kamin.

Tatverdächtig sind vier Syrer zwischen 33 und 46 Jahren. Wo die Captagon-Tabletten produziert wurden, ist nach Aussage der Gerichtssprecherin bislang unbekannt. Die Tatverdächtigen hatten die Drogen, so die Ankläger, in mehreren angemieteten Lagerräumen im Raum Aachen aufbewahrt und umverpackt. Beim Zugriff Anfang Oktober 2023 entdeckten Einsatzkräfte versandfertige Ware, die in Sandsäcken versteckt war.

Deutschland soll Recherchen zufolge verstärkt zum Transitland werden

Recherchen des ARD-Netzwerks mit der F.A.Z. und der Mediengruppe Bayern zeigen, dass internationale Drogenschmuggler Deutschland offenbar mehr und mehr als Transitland nutzen. So soll die Wahrscheinlichkeit von Kontrollen in den Zielländern minimiert werden, da Waren aus Deutschland weniger verdächtig erscheinen, sagen Experten. Seit 2021 wurden in Deutschland Tabletten und Chemikalien zur Herstellung von Captagon im Straßenwert von einer halben Milliarde Euro sichergestellt.

Hauptbestandteil sind Amphetamine

Captagon besteht hauptsächlich aus Amphetamin, unterdrückt Müdigkeit und Ängste, wirkt aufputschend und macht hochgradig abhängig. Es wird vor allem in Syrien und im Libanon in illegalen Produktionsstätten hergestellt und überwiegend in den arabischen Raum geschmuggelt. Das syrische Regime steht im Verdacht, an diesem milliardenschweren Geschäft beteiligt zu sein. In vielen Fällen erreicht die Ware Europa auf dem Land- oder Seeweg, wo die Täter die Drogen in "Tarnwaren" neu verpacken und dann per Schiff oder Flugzeug weiterschicken.

Zuletzt geriet die Droge weltweit in die Schlagzeilen, nachdem israelische Medien berichtet hatten, einige der Hamas-Terroristen hätten bei ihrem Angriff am 7. Oktober Captagon-Tabletten bei sich gehabt.

Sendung: rbb24 Inforadio, 5.7.2024, 7:35 Uhr

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