Elektromobilität - Emissionsfreie Boote kommen nicht in Fahrt
In Berlin und Brandenburg bieten einige Verleiher Elektroboote an. Für eintägige Ausflüge reicht der Akku aus. Für eine echte Elektromobilitätswende braucht es jedoch Ladesäulen. Experten sprechen von einem Henne-Ei-Problem. Von Linh Tran
- Elektromobilitätswende auf dem Wasser nicht in Sicht
- Keine gewerblichen Ladesäulen für E-Boote in Berlin und Brandenburg
- E-Boote vor allem im Wassertourismus im Einsatz
- Amsterdam rüstet auf E-Mobilität auf dem Wasser um
André Prager ist einer der ersten Anbieter von rein elektrisch betriebenen Ausflugsbooten in Berlin. Acht silberne Aluminiumboote stehen in seinem Hafen an der Dahme in Grünau bereit. Seit zwei Jahren vermietet er sie tageweise an Familien und Gruppen bis zu zwölf Personen.
Seine Motivation für den Verleih mit E-Booten: die Ruhe auf dem Wasser. "Ich habe selbst früher mal Boote gemietet. Man hat immer das Motorgeräusch und die Abgase ziehen nach vorne", erzählt Prager. "Deswegen haben wir gesagt, wir machen mal Elektroboote, weil das ist Entspannung pur ab der ersten Sekunde."
Je nach Geschwindigkeit hält der Akku sechs bis zwölf Stunden. Sollte er doch mal schlapp machen, gebe es mehrere Möglichkeiten, so Prager: "Entweder wir kommen vorbei, stellen ein Dieselaggregat drauf, erzeugen Strom auf dem Boot, was natürlich ein bisschen widersinnig zum Elektroboot ist. Ansonsten hat jedes Boot ein Ladekabel bei, mit einer Schuko-Steckdose und könnte theoretisch bei jedem Bürger, Anwohner oder Restaurant anhalten und sich mit dem 15-Meter-Kabel Strom holen."
Bisher gibt es keine gewerblichen Ladesäulen in Berlin und Brandenburg
Nötig seien diese Optionen aber so gut wie nie, sagt Prager. Normalerweise hielten die E-Boote einen Tagesausflug gut durch und lüden über Nacht in seinem Hafen. Größere Boote wie E-Yachten bräuchten jedoch leistungsstärkere Akkus. Um die zu laden, reichen keine Haushalts-Steckdosen mehr aus.
Stattdessen bräuchte es gewerbliche Ladesäulen auf den Wasserstraßen. Bisher gibt es keine einzige davon in Berlin und Brandenburg, wie der Bundesverband Wassersportwirtschaft angibt. Doch solange diese Ladeinfrastruktur fehlt, werden auch die Yachten nicht auf Elektromotoren umgerüstet. Die Elektromobilitätswende auf dem Wasser stockt.
Ladesäulen könnten Henne-Ei-Problem lösen
Tino Buschmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Technischen Universität Berlin (TU) am Institut für Land- und Seeverkehr, forscht zur Ladeinfrastruktur auf den Gewässern. Wie viele in der Branche spricht er von einem Henne-Ei-Problem, das auch lange im Straßenbereich das Problem war: "Energieanbieter, die sagen, ich habe keine Kunden, weil ja noch niemand ein Elektrofahrzeug hat. Und Kunden, die sagen: Warum soll ich mir ein Elektrofahrzeug kaufen, wenn ich nicht weiß, wo ich es laden kann?" Keine Ladesäulen, keine E-Boote. Keine E-Boote, keine Ladesäulen.
Genau deshalb spricht sich Buschmann dafür aus, in die Ladesäulen-Infrastruktur zu investieren. "Dieses Henne-Ei-Problem kann man dadurch lösen, dass man Ladesäulen bereitstellt." Dann kämen auch die Kunden. "Man muss den potenziellen Anbietern entgegen kommen und ihnen Sicherheiten und auch Anreize schaffen."
Der Ausbau von gewerblichen Ladesäulen sei mit hohen Investitionskosten verbunden, sagt Buschmann. Dass es in diesem Bereich weder Studien noch Fördermaßnahmen gebe, kritisiert er. Es wäre hilfreich, herauszufinden, welche Touren realisierbar sind, wo die Nachfrage groß ist und an welchen Standorten sich Ladesäulen besonders lohnen würden. Doch bisher bewegt sich nicht viel bei der Politik.
Bisher keine staatlichen Förderungen für E-Ladesäulen
Nach rbb|24-Recherchen gibt es bisher keine staatlichen Fördertöpfe für den Ausbau von Ladesäulen in Berlin und Brandenburg. Die Wassertourismus-Initiative Nordbrandenburg will Marinas und Yachthäfen deshalb dabei unterstützen, sich um Finanzierungshilfen zu bewerben. Erste Versuche, Ladesäulen für Boote zu bauen, werden vor allem von Start-ups wie Bouillet Energy, Solar-Yacht oder Me Energy unternommen.
Doch selbst wenn E-Ladesäulen entlang vielbefahrener Wasserstraßen installiert werden würden, braucht es eine Nachrüstung bei vorhandenen Booten und Schiffen. Diese sei jedoch sehr kompliziert und teuer, sagt Caroline Boehncke. Sie ist Maklerin für Charter-Yachten an der Dahme und Geschäftsführerin der Spreemarine GmbH.
Sie sieht zwar den Willen bei Wassersportbetreibern, wie sie sagt, ihrer Meinung nach wird es bis zur Elektromobilität auf dem Wasser jedoch noch "sehr, sehr lange" dauern. "Weil es – anders als bei PKW - noch nicht die Technologie gibt, die solche verschiedenen Boote, wie wir sie haben, universell bedienen kann."
Grundsätzlich sei jedes Boot ein Individualbauwerk, sagt Boehnke. Es gebe nicht die eine Lösung für jede Art von Fahrzeug. "Und da ein elektrisches Äquivalent mal eben herzuzaubern, das dann noch mit einer Infrastruktur und einer Schnellladesäule im Hafen versorgt werden kann, dafür ist die Nische viel zu klein."
Deutsche Güterboote im Schnitt über 50 Jahre alt
"Ein durchschnittliches Güterboot ist in Deutschland über 50 Jahre alt", sagt Tino Buschmann von der TU Berlin. In diesen Zyklen müsse man mit Investitionen rechnen - die dann auch wieder ein halbes Jahrhundert halten sollten.
Dementsprechend längere Vorlaufzeit braucht die Mobilitätswende auf dem Wasser – Wassersport-Experten schätzen, dass sie dem E-Auto-Verkehr um Jahrzehnte hinterherhinkt. E-Boote sind momentan vor allem für den Wassertourismus im Einsatz. E-Mobilität hätte einen großen positiven Einfluss auf Umwelt und Natur. Denn anders als motorgetriebene Boote sind elektrische Wasserfahrzeuge emissionsfrei und geräuschärmer.
Elektroboote - langsamer und leiser
"Wenn ich die Wahl zwischen einem Verbrennermotor und einem Elektroboot habe, würde ich natürlich das Elektroboot wählen", sagt Nora Kraatz, Referentin für Gewässerschutz vom Naturschutzbund Berlin (Nabu). Elektroboote hätten den Vorteil, dass sie generell langsamer und auch leiser fahren.
Beim Aufladen gibt es Experten zufolge auch nicht die Gefahr, dass das Wasser womöglich durch Diesel oder Benzin verschmutzt wird. Besser als Motorboote sind natürlich Boote, die mit Muskelkraft betrieben werden, wie Kanus, Stand-up-Boards oder Kajaks. Diese verursachen unter all den Wassersportfahrzeugen wohl den wenigsten Schaden.
Allerdings reiche es nicht aus, nur auf Elektroboote umzusteigen, sagt Kraatz. "Überall wo Schiffe fahren können, kommt es zu Übernutzung. Es sind viel zu viele Leute auf dem Wasser." Helfen könne dabei, die Nutzung der Gewässer zu reduzieren und Gäste gut über Verhaltensregeln zu informieren.
Amsterdam und Bayern sind schon weiter
In den Niederlanden oder auch am Bodensee in Bayern und Baden-Württemberg ist Elektromobilität schon weiter. Ab 1. Januar 2025 dürfen im Stadtzentrum von Amsterdam nur noch emissionsfreie Sportboote fahren. Schon 2020 experimentierte der Hafen mit mobilen Ladesäulen. Mittlerweile gibt es laut der Stadt etwa 15 Ladesäulen, bis zu 2.500 Ladepunkte sind in den nächsten fünf Jahren geplant.
Auch auf dem Bodensee in Süddeutschland sollen bis 2040 nur noch Boote fahren, die zu 100 Prozent regenerative Energiequellen nutzen. Eine ausgebaute Ladeinfrastruktur fehlt jedoch auch da noch.
Bootsverleiher André Prager aus Berlin-Grünau hat bisher kaum Probleme mit seinen Elektrobooten gehabt, wie er sagt. Nur einmal hätte er eine Gruppe zurückholen müssen, weil der Akku nicht mehr mitgemacht habe. Daran sei aber der ineffiziente Fahrstil schuld gewesen.
Bis es flächendenkend gewerbliche Ladesäulen gibt, handelt Prager unter anderen mit anliegenden Restaurants aus, dass seine Gäste dort notfalls laden oder auch mal auf die Toilette springen können.
Eine Recherche von Linh Tran, Jenny Barke und Juliane Gunser.
Sendung: rbb24 Abendschau, 01.08.2024, 19:30 Uhr