Ob Pfosten, Gemäuer oder Tunnel - in Berlin werden immer mal wieder Funde von Überresten der ehemaligen DDR-Grenzanlagen gemacht. Experten vermuten, dass auch in den nächsten Jahren noch weitere Reste auftauchen werden. Von Anna Bordel
Viel ist es nicht, was von der Mauer heute in Berlin noch übrig ist. Von den ursprünglich 43,1 Kilometern Mauer sind gerade mal 2,5 noch erhalten. Da, wo im Stadtbild noch Reste der Mauer zu sehen sind, könnten die Orte nicht unterschiedlicher sein.
Am Potsdamer Platz stehen Teile fernab ihres Originalstandortes akkurat aufgereiht für das perfekte Selfie. An der "East Side Gallery" geht es mehr um die Kunstwerke als die Dimensionen der Grenzanlagen, die wiederum an der Gedenkstätte in der Bernauer Straße eindrucksvoll ausgestellt sind. Aber auch fernab gibt es noch kleinere Überbleibsel der Mauer, die überwuchert und vergessen teils erst in den letzten Jahren wiederentdeckt worden sind.
Jahrzehntelang war sie das Symbol der deutsch-deutschen Teilung. Die Berliner Mauer umschloss vom 13. August 1961 bis 9. November 1989 West-Berlin und zog sich als Schneise durch die gesamte Stadt. Die wichtigsten Fakten zur Mauer und zum Mauerfall.
Wachtürme, Pfosten, Tunnel
Dass nicht viel übrig ist von der Mauer, ist leicht erklärt: Direkt nach der Wiedervereinigung sollte sie weg. "Man war froh 1990, die Mauer, die Berlin ja gewaltsam trennte, zu beseitigen", erklärt Sebastian Heber vom Landesdenkmalamt Berlin. "Erst schrittweise erkannte man, welche große Bedeutung diese auch als Erinnerungsort in der Stadt hat." Heutzutage ist die Freude groß, wenn bei Bauarbeiten oder Spaziergängen noch ein Stückchen entdeckt wird. Das Landesdenkmalamt prüft stets akribisch, ob ein Fundstück unter Denkmalschutz gestellt werden soll. Ein Stück Urmauer wurde zuletzt 2020 für schützenswert erklärt, gefunden im Wald von Berlin-Schönholz.
Gefunden werden aber nicht nur Gemäuer. Auch andere Teile der Grenzanlagen, Wachtürme, Lichtposten oder eben Fluchttunnel gehören dazu. Zuletzt wurde 2023 ein solcher unter Denkmalschutz gestellt. Auch momentan läuft laut Heber eine Prüfung, ob ein erst kürzlich von den Berliner Unterwelten für Besucher erschlossener Tunnel in der Brunnenstraße unter Schutz gestellt werden soll.
Von Ranken umwuchert oder mit Flutlicht angestrahlt
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Die Gedenkstätte Berliner Mauer an der Bernauer Straße ist das längste erhaltene Stück Berliner Mauer. "Hier verdeutlicht sich dem Besucher die gesamte Dimension der Grenzanlagen nochmal deutlich besser als bei einem einzelnen Stück Mauer", so Sebastian Heber vom Landesdenkmalamt Berlin.
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Der Nordbahnhof wurde zu DDR-Zeiten zur Grenzanlage umfunktioniert, die West-Berliner Bahnen durchquerten den stillgelegten Bahnhof ohne Halt unterirdisch. Im Umfeld des Bahnhofs erinnern noch mehrere Mauerreste an diese Zeit. Das mit 900 Metern längste erhaltene Stück dort führt entlang der Gartenstraße.
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Nicht nur Mauerreste sind von den ehemaligen Grenzanlagen übrig geblieben, sondern teilweise auch andere Überbleibsel wie dieser Wachturm im Schlesischen Park an der Puschkin Allee zwischen Kreuzberg und Treptow. Er steht unter Denkmalschutz, wurde saniert und heute zeigt der Verein Flutgraben dort Kunstausstellungen.
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In der Liesenstraße in Berlin-Mitte stehen noch etwa 15 Meter Berliner Mauer.
Tunnel, durch die Menschen aus der DDR unter der Mauer hindurch in den Westen geflohen sind, werden bei Bauarbeiten immer wieder gefunden. Dieser sogenannte Fluchttunnel in der Brunnenstraße in Berlin-Mitte wurde erst kürzlich von den Berliner Unterwelten erschlossen und für Besucher zugänglich gemacht. Das Landesdenkmalamt prüft derzeit, ob er unter Denkmalschutz gestellt wird.
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Auch fast 20 Jahre nach dem Mauerfall ist noch nicht alles entdeckt: 2018 fanden Spaziergänger ein 20 Meter langes Stück Mauer an der Ida-von-Arnim-Straße in Berlin-Mitte.
Bild: Pankower Chronik/Christian Bormann
Dieses Stück Mauer ist einer der neuesten Funde und doch schon einige Jahre alt. Hobby-Forscher Christoph Bormann hat dieses Mauerwerk in einem Waldstück in Berlin-Schönholz zwischen Pankow und Reinickendorf 2018 bei den Behörden gemeldet. Auf einem seiner Kiezspaziergänge hatte er das 80 Meter lange Teilstück entdeckt. Zum Beitrag | Weitere Bildergalerien
Wer denkt, er hat ein Stück Mauer oder ein weiteres Relikt der früheren Grenzanlagen entdeckt, kann den Fund entweder beim Landesdenkmalamt oder in der App "Mauerspuren" der Stiftung Berliner Mauer melden.
Auch künftig Funde erwartet
Nicht immer werden Funde bei Bauarbeiten entdeckt, teilweise werden sie auch vom Boden selbst nach oben geschwemmt. So unlängst geschehen in einem Naturschutzgebiet in Heiligensee an der Grenze Hennigsdorf, wie Cornelia Thiele von der Stiftung Berliner Mauer sagt. Vor zwei Monaten wurde dort eine "Dornenmatte", die im Grenzgebiet ausgelegt wurden, in einem Sumpfgebiet nach oben gespült, in dem kurz nach der Wende Mauerreste zusammengeschoben wurden.
Auch zukünftig erwarten Thiele und Heber vom Landesdenkmalamt, dass noch weitere Funde der Mauer oder Grenzanlagen entdeckt werden. Nicht immer können Funde an ihrem Originalstandort bleiben, aber wünschenswert sei dies doch, betont Heber vom Landesdenkmalamt. Es sei wichtig, die Mauerreste an ihrem Originalstandort zu besuchen. "Nur so kann man die Umstände wirklich verstehen".
Grenzpolizei, Gräben und Graffiti
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14. August 1961, Ost-Berlin schottet sich ab: Soldaten mit Maschinengewehren bewachen die ersten Absperrungsmaßnahmen mit Stacheldraht. Der Bau der Mauer hat in der Nacht vom 12. auf den 13. August 1961 begonnen, bekannt als "Operation Rose". Noch im Juni 1961 erklärte Walter Ulbricht öffentlich: "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!" Die endgültige Entscheidung fiel bei einem Treffen zwischen dem sowjetischen Regierungschef Chruschtschow und Ulbricht am 3. August 1961 in Moskau. Zuvor hatte sich die sowjetische Führung lange gegen ein solches Vorhaben gesträubt.
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Wenige Wochen später behauptet die DDR-Führung nun, die Mauer diene dem Schutz vor "revanchistischen und militaristischen Kräften Westdeutschlands und West-Berlins". In Wirklichkeit richtet sich die Mauer primär gegen die eigene Bevölkerung, um deren Flucht zu verhindern und das System zu stabilisieren. Zwischen 1949 und 1961 hatten bereits rund 2,5 Millionen Menschen die DDR verlassen, viele von ihnen gut ausgebildet.
Westberliner blicken von der Bernauer Straße aus auf die eingemauerte Versöhnungskirche. Die Mauer trennt nicht nur die Stadt, sondern auch Familien und Freunde für Jahrzehnte. Knapp 44 Kilometer verlaufen entlang der Sektorengrenze zwischen West- und Ost-Berlin, insgesamt ist die Mauer 155 Kilometer lang. Das entspricht in etwa der Entfernung vom Brandenburger Tor bis Dresden.
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DDR-Propaganda am Checkpoint Charlie in Kreuzberg 1962. Mit "Hier beginnt die Freiheit" haben die Verantwortlichen die Barriere aus Stahlbeton und Stacheldraht dahinter bezeichnet. Zwischen 1961 und 1988 versuchen mehr als 100.000 DDR-Bürger über die innerdeutsche Grenze zu fliehen. Mindestens 140 davon kommen bei Fluchtversuchen an der Berliner Mauer ums Leben - die meisten von ihnen werden von DDR-Grenzsoldaten erschossen.
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US-Präsident John F. Kennedy (r.) bei seinem Besuch in Berlin am 26.06.1963 auf einer Aussichtsplattform an der Berliner Mauer und dem Brandenburger Tor. Da hat er noch wenige Monate zu leben. Hinter Kennedy steht der Regierende Bürgermeister Willy Brandt. Die USA reagieren zunächst sehr zurückhaltend auf den Mauerbau. Für Kennedy bleiben drei Grundpfeiler der US-Politik zu Deutschland unberührt: Der freie Zugang nach Berlin, die Anwesenheit der Westmächte in der Stadt und die Freiheit der West-Berliner Bevölkerung. Er will nichts riskieren.
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Kennedys berühmter Besuch in Berlin 1963 mit seiner "Ich bin ein Berliner"-Rede wird zu einem wichtigen symbolischen Akt der Solidarität - auch wenn er die Realität der Mauer und der Menschen auf beiden Seiten nicht ändert. Hier nutzen Ostberliner Kinder unmittelbar hinter dem Grenzzaun an der Schwedter Straße, Ecke Kopenhagener die offene Straßendecke als Buddelplatz.
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Eine Frau wird am 05.10.1964 in Berlin aus einem Ausstiegsschacht nach oben gezogen. Dieser Schacht ist Teil eines Fluchttunnels. Insgesamt fliehen 57 Menschen durch ihn nach West-Berlin - bis er entdeckt wird. Fluchthelfer holen Tausende DDR-Flüchtlinge in die Bundesrepublik. Einer von ihnen ist der Medizinstudent Burkhart Veigel. "Ich habe mich aber von Mensch zu Mensch zuständig gefühlt. Was die Politik macht, hat mich eigentlich wenig interessiert", erinnert sich Veigel im Gespräch mit rbb|24.
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Eine Gruppe Kinder tummelt sich im März 1972 an und auf der Mauer am Legiendamm im Westberliner Stadtteil Kreuzberg. Auf der Mauer sind mit weißer Farbe die Worte "Einigkeit und Freiheit für Berlin" aufgemalt. Doch zu dieser Zeit ist eine deutsche Wiedervereinigung sehr unwahrscheinlich geworden. Die innerdeutschen Beziehungen haben sich normalisiert, was auch am neuen Grundlagenvertrag zwischen BRD und DDR liegt.
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Der Vertrag sieht "normale gutnachbarliche Beziehungen" vor. Für die Bundesrepublik bleibt die Wiedervereinigung ein Auftrag des Grundgesetzes - auch wenn sich bis auf Weiteres niemand die Finger daran verbrennen will. Die DDR versucht, den westdeutschen Standpunkt einer fortbestehenden deutschen Nation zurückzuweisen. Eine Wiedervereinigung wird von der Staatsführung nur für den Fall in Aussicht gestellt, dass sich der Sozialismus in der Bundesrepublik durchsetzen würde - was höchst unwahrscheinlich ist. Hier der Grenzübergang Heinrich-Heine-Straße in Mitte Anfang der 1970er Jahre zu sehen.
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Ein Bild wie eine dystopische Fototapete: Eine Berlinerin macht am 1. Januar 1976 einen Neujahrsspaziergang mit ihrem Hund auf der Rudower Höhe (heute: Dörferblick). Links kann man die Mauer und den Todesstreifen erkennen.
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Eine Schrebergartenlaube in Berlin-West direkt an der Mauer, aufgenommen 1982. Die lange Dauer der Teilung führt mit der Zeit zu einer gewissen Akzeptanz des Status quo: Die Erinnerungen an ein geeintes Deutschland verblassen zunehmend.
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Sowohl die Welt als auch viele Deutsche selbst gewöhnen sich an den Zustand der deutschen Teilung. Dieser Kreuzberger pflegt seine Balkonblumen mit Ausblick auf den Todesstreifen am Bethaniendamm. Es wirkt, als würde er die Mauer gar nicht mehr bewusst wahrnehmen - für ihn und die anderen Berliner ist sie Alltag.
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Was Einheimischen wohl nicht mehr groß auffällt, ist für viele Touristen ein absurder Anblick: Das Brandenburger Tor (hier im Jahr 1984) liegt mitten in der Stadt - aber auch mitten im Grenzstreifen und ist darum für keinen zugänglich. Zu Beginn des Jahrzehnts sieht es noch immer aus, als würde sich daran nichts ändern. Doch langsam kommt etwas ins Rutschen.
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Die Erfolge der unabhängigen polnischen Gewerkschaftsbewegung Solidarność, der neue sowjetische KP-Generalsekretär Michail Gorbatschow und seine Reformen von Perestroika und Glasnost - das alles erhöht den Druck auf die DDR-Führung. Hier feiern junge Ost-Berliner bei einem privat organisierten Punkkonzert am 18. Mai 1985 im Hirschhof in der Oderberger Straße.
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Zugleich geht die Zahl der erfolgreichen Fluchtversuche deutlich zurück, auch deshalb, weil das Regime die Grenzsicherung verstärkt hat. Drei Beispiele von jungen Menschen, die es nicht geschafft haben: Marienetta Jirkowsky ist 18 Jahre alt, als sie 1980 bei einem Fluchtversuch an der Mauer bei Frohnau von DDR-Grenzern angeschossen wird. Sie stirbt am nächsten Tag. Ihre Familie darf keine Todesanzeige veröffentlichen. Silvio Proksch (21 Jahre) wird 1983 in Pankow von Grenzsoldaten angeschossen und verblutet, weil er keine medizinische Hilfe bekommt. Michael Schmidt (20 Jahre) stirbt 1984 nahe des S-Bahnhofs Wollankstraße, als ihn ein Soldat beim Versuch erschießt, mit einer Leiter über die Mauer zu klettern.
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Unzählige Fans versammeln sich zu einem Konzert des britischen Rockmusikers David Bowie am 06. Juni 1987 vor dem Reichstagsgebäude in West-Berlin. Obwohl die Bühne nach Westen ausgerichtet war, überquert die Musik die Mauer und erreicht die Ostseite, wo sich etwa 5.000 junge Menschen versammelt haben, um zuzuhören. Bowie, der zwei Jahre in Berlin gelebt hat, richtet bewusst eine Botschaft an sie: "Wir schicken unsere besten Wünsche zu all unseren Freunden, die auf der anderen Seite der Mauer sind." Diese Geste der Solidarität hat eine starke symbolische Bedeutung - und löst letztlich eine Gruppendynamik unter ostdeutschen Jugendlichen aus, die als "Pfingstunruhen von 1987" in die DDR-Geschichte eingehen wird.
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Die Aussichtstürme sind für viele im Westen nicht nur eine gute Möglichkeit, einen Blick in die "Zone" zu wagen: Weil die Ostler nicht rüber können, und manche Westler nicht in den Osten reisen können oder dürfen, winken sie sich hier zu. Aussichtsplattform mit Besuchern am Potsdamer Platz in West-Berlin. Links stehen Grenzbeamte hinter Absperrgittern. Aufnahme vom 1988.
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Nein, das sind keine "Stormtrooper" bei Krieg der Sterne - sondern mit Gasmasken und Kamera ausgerüstete DDR-Grenzsoldaten. Sie gucken am 21.06.1988 über die Mauer am Potsdamer Platz. Da bleiben ihr nur noch knapp eineinhalb Jahre, aber das ahnt damals keiner. Was überdeutlich ist: Die wirtschaftliche und politische Situation in der DDR verschlechtert sich zunehmend. Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung wächst, so wie die Zahl der Ausreiseanträge und Fluchtversuche.
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Gorbatschows Reformen erhöhen den Druck auf die DDR-Führung, ebenfalls Veränderungen anzustoßen. Das ermutigt die Opposition und nährt Hoffnungen. Auch in Westdeutschland und international wächst die Erwartung, dass sich auch in der DDR etwas bewegen könnte. Hier machen zwei West-Berliner Amateurfotografen im Morgengrauen Schnappschüsse von einer Aussichtsplattform.
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DDR-Grenzpolizisten am Brandenburger Tor. Die Aufschrift zu ihren Füßen: "Erich gib doch endlich auf". Wahrend aber die Bürger Hoffnung durch die Veränderungen in der Sowjetunion schöpfen, reagiert das SED-Politbüro mit strikter Abgrenzung von Gorbatschow und beharrt auf dem Status Quo - was die Entfremdung zur Bevölkerung verstärkt. Am 4. September 1989 findet in Leipzig die erste offizielle Montagsdemonstration statt. Teilnehmer entrollen Transparente mit Forderungen wie "Für ein offenes Land mit freien Menschen" und "Reisefreiheit statt Massenflucht". Dann geht alles schnell, so schnell.
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Am Vormittag des 9. November überarbeitet die DDR-Führung unter dem Druck der Demonstrationen den Entwurf eines neuen Reisegesetzes. Um kurz vor 19 Uhr verkündet das Politbüromitglied Günter Schabowski überraschend, dass DDR-Bürger "ohne Vorliegen von Voraussetzungen" und "sofort, unverzüglich" ausreisen dürften. Gegen 20:30 Uhr treffen die ersten Ost-Berliner an den Grenzübergängen Sonnenallee, Invalidenstraße und wie hier Bornholmer Straße ein, um zu sehen, was los ist - und die Öffnung der Grenze zu fordern. Ohne eindeutigen Befehl öffnen die DDR-Grenzsoldaten tatsächlich mehrere Übergänge.
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Allmählich wird klar: Nach 28 Jahren ist die Teilung der Stadt Geschichte. Es wird eine Nacht, die niemand vergessen wird. Berliner aus beiden Teilen der Stadt stürmen die Mauer am Brandenburger Tor, umarmen sich, feiern gemeinsam. Millionen sitzen vor den Fernsehern und können nicht fassen, was sie da sehen.
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Der Platz hallt vom Klopfen der "Mauerspechte" wider, die mit Hämmern und Meißeln Teile der Mauer auf der Westseite bearbeiten. Um 0:20 Uhr werden etwa 30.000 Soldaten der Nationalen Volksarmee (NVA) in "erhöhte Gefechtsbereitschaft" versetzt. Weil aber keine weiteren Befehle folgen, stellen die Kommandeure der Grenzregimenter diese Maßnahmen auf eigene Verantwortung ein. Von den Grenzübergängen strömen die Menschen zum Kurfürstendamm, der bis zum frühen Morgen in eine Partymeile verwandelt wird.
In den nächsten Stunden und Tagen verstopfen Tausende Trabis die Straßen - wie der dieser Familie am Grenzübergang Bornholmer Straße, am 10. November. Wie diese Frau werden viele Menschen von ihren Gefühlen übermannt.
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Am Nachmittag des 10. November gibt der sowjetische Außenminister Eduard Schewardnadse eine bedeutsame Erklärung: Er betont, dass die Sowjetunion die Ereignisse in der DDR als eine interne Angelegenheit der neuen Führung und des Volkes betrachte und ihnen dabei vollen Erfolg wünsche. Am Potsdamer Platz begrüßen sich am gleichen Tag wildfremde Menschen.
Bild: picture alliance/dpa-Zentralbild/P.Glaser
Die euphorische Stimmung setzt sich in den folgenden Tagen fort, vor Banken in West-Berlin bilden sich lange Schlangen von DDR-Bürgern, die ihr Begrüßungsgeld abholen wollen. Tausende Menschen aus Ost und West strömen weiterhin über die offenen Grenzübergänge, wie hier an der Puschkinallee zwischen Kreuzberg und Treptow. Da sind bereits jede Menge Betonsegmente aus der Mauer herausgetrennt.
Bild: picture-alliance / dpa | Lehtikuva Oy
An das Danach denkt in diesen Tagen des Glücks kaum jemand. Viele machen sich keine Vorstellungen, was nun aus ihrem untergehenden Land wird - und wie ihre Zukunft aussehen soll, wenn sie vollkommen frei darüber entscheiden können. Die für viele ehemalige DDR-Bürger brutalen Verwerfungen und Verletzungen der Nachwendejahre wirken im Rückblick zu diesem Zeitpunkt unendlich weit entfernt - und sind es doch nur wenige Jahre.
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Die DDR-Regierung erkennt schnell das wirtschaftliche Potenzial der Mauerteile: Im Dezember 1989 übernimmt "Limex", eine Firma des DDR-Außenhandelsministeriums, offiziell den Verkauf der Mauerreste. Bemalte Teile werden bei Auktionen versteigert, sie finden Käufer in der ganzen Welt. Im Sommer 1990 ist die einstige hochbewachte Mauer nur noch eine Ruine: Menschen spazieren auf Höhe der Heidelberger Straße im einstigen Todesstreifen. Bis Ende November 1990 werden allein in Berlin 184 Kilometer Mauer, 154 Kilometer Grenzzaun, 144 Kilometer Signalanlagen und 87 Kilometer Sperrgräben entfernt.
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Noch die kleinsten Bröckchen werden zu Souvenirs verarbeitet - wie hier auf Postkarten vor einem Souvenirladen am Pariser Platz. Echtheitszertifikat? Eher unwahrscheinlich.
Der Großteil der Mauer aber wird zu Bauschutt. Nach Schätzungen der Grenztruppenführung fallen rund 1,7 Millionen Tonnen davon an. Viele dieser Teile werden vermutlich im Straßenbau wiederverwendet. In der Bernauer Straße ist ein Stück Mauer 1998 für eine Gedenkstätte erhalten geblieben. Die meisten Touristen aber zieht es heute dazu an das nicht wiederzuerkennende, schicke (manche sagen auch neureiche) Spreeufer: Die 1,3 Kilometer hier heißen nun "East Side Gallery". Von Profis bunt bemalt, "instagramable" - wenig erinnert heute noch an den Schrecken und das Leid, das diese Schlange grauen Stahlbetons in Berlin verursacht hat. Von Sebastian Schneider, Julia Sie-Yong Fischer und Caroline Winkler | Mehr zur Berliner Mauer | 35 Jahre Mauerfall | Weitere Bildergalerien
"Das Gejammer wurde dann gross als die ersten ihrer Ost-Arbeitsplaetze entledigt wurden und die tolle D-Mark sich auf Arbeitlosengeld und Sozialhilfe beschraenkte."
...wurde in den Westen geschleppt und man hat sich gesund gestoßen am Osten. Millionen Fördergelder kassiert und ausgeplündert. Das hat man mit dem Osten gamacht, die Konkurenz beseitigt. Glashütte
Wenn man das so sieht, haben Sie sicher recht. Aber im allgemeinen Sprachgebrauch ist mit der „Mauer“ doch auch alles um West-Berlin gemeint und nicht nur die tatsächlich gemauerten Abschnitte.
Ihr Wissen ist falsch. Nicht die Mauer, die man als solche aus Berlin kennt, war 160km lang, sondern die gesamten Grenzbefestigungen um Westberlin. Die bestanden auch nur aus Streckmetall.
Es geht um die Gedenkorte, nicht, wie Sie es mir in den Mund legen, um den Abriss der Mauer. Ich bezog mich auf den Grenzübergang Bornholmer Str. der jetzt mit ETW sowie einem Supermarkt vollgepflastert wurde und der Ort an sich nicht mehr dem entspricht, was er für Jahre war: Ort der Trennung und Zusammenkunft. Selbst am Brandenburger Tor erinnert nichts mehr an die Zeit der Trennung der Staatsformen und die Schande einer tödlichen Grenze für die DDR-Bürger. Und da haben die Politiker eine führende Rolle gespielt, zumeist die aus dem ehemaligen Westen.
Bei all den Betrachtungen darf man nicht vergessen, dass die Ossis diejenigen waren die ala erstes und mit Nachdruck alles aus dem Osten loswerden und alles aus dem Westen haben wollten.
Einzelne warnende Stimmen wurden niedergemacht und nicht selten als Stasi und SED Zutraeger diffamiert.
Das Gejammer wurde dann gross als die ersten ihrer Ost-Arbeitsplaetze entledigt wurden und die tolle D-Mark sich auf Arbeitlosengeld und Sozialhilfe beschraenkte.
Auch ich habe noch ein paar Marmeladengläser von in den ersten Tagen selbstgehauenen Bruchstücken der Berliner Mauer.
so mncer "Mauerspecht" wird wohl noch seinen Schatz hüten.
Nach meinem Dafürhalten drehen Sie es um: Es war ja weit mehr die Politik, die dafür sorgte, dass wenigstens Reste der Mauer stehenblieb, während die nach ihrer Auffassung ach so sensiblen Bürger sie am Liebsten hundertprozentig abgerissen hätten. So hätten es auch die Wirtschaftskapitäne und Grundstücksspekulanten gemacht, wenn sie das alleinige Sagen gehabt hätten.
Aber gewiss: Der Stellenwert für gerade eben noch präsente Geschichte ist sehr unterschiedlich ausgeprägt. Auch bei Menschen "in der Politik". Die Besinnlicheren sind die Mutigeren, die anderen sind im Überschwang.
Viele Chancen wurden vertan, das ist richtig. Die Stasis schnell mit besonderer Rente aufs Altenteil zu schieben, war so ein Ding. Ebenfalls hätte man die durch Ungerechtigkeit falsch verteilten Gelder entweder real 1:22 ummünzen müssen oder besser: Gesamtsumme durch Anzahl der Erwachsenen dividiert, jeder/jedem zum Kurs 1:4 gegeben. So hatten leider die SED/PDS/Linken-Kader bessere Startbedingungen. Die Parteimilliarden sind ja nie aufgetaucht und wurden anderweitig verteilt. 35 Jahre? Wow!
Schade, dass der Ort, an dem die Mauer zuerst fiel und der die eigentliche Bedeutung dafür hätte, verraten und verkauft wurde. Die paar Bildstelen und die Hinterlandmauer, die das Grenzkontrollgebiet sicherte, sind lächerlich. Aber so war und ist Berlin: Gedenken, nur da wo es Politikern passt. Die Bevölkerung, die das erreichte, wurde zum Zaungast degradiert und unsere damaligen Westpolitiker haben das Ganze gekapert. Es blieben leider zu viele Chancen auf der Strecke. Die Nacht vom 9. auf den 10. November werde ich nie vergessen. Ich habe da glatt noch Fluchthilfe (meine mittlerweile Ex) betrieben, aber es war eine tolle, spannende und ereignisreiche Nacht für alle Beteiligten.