Uckermark - "Der Wolf ist an der Spitze der Nahrungskette und bestimmt unseren Tagesablauf"

Di 19.11.24 | 11:23 Uhr
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Von Wolf verletztes Schaf (Quelle: rbb)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 17.11.2024 | Riccardo Wittig | Bild: rbb

In der vergangenen Woche wurden in der Uckermark wieder Schafe gerissen - vermutlich von Wölfen. Der Jagdverband fordert Maßnahmen. Doch sollte der Wolf ins Jagdrecht kommen, könnten die Schäfer zur Kasse gebeten werden.

Die Rückkehr der Wölfe ist für Naturschützer ein Grund zur Freude. Andere sehen die Folgen und Risiken. Laut Landesumweltamt gab es 2023/24 in Brandenburg 58 Rudel - ein bisheriger Höchststand. [www.lfu.brandenburg.de]. Doch je mehr Wölfe zurückkehren, desto größer und unversöhnlicher scheint der Konflikt zwischen beiden Seiten zu werden.

Uckermärkische Herde dieses Jahr bereits acht Mal angegriffen

"Ruhig Mädels, ruhig", beschwichtigt Schäfer Jens Kath seine Herde in der Uckermark, als er zusammen mit Tochter Julia Kath den Elektrozaun abschreitet. Die Tiere sind noch immer aufgeschreckt: Ein Wolf hat in der vergangenen Woche die Schafherde angegriffen. Zwei Tiere lassen noch immer Verwundungen erkennen. "Was die für Schmerzen haben müssen, da gucken die Rippen raus", sagt die Halterin. "Jetzt heißt es, die Tiere einfangen. Ich glaube nicht, dass wir sie noch behandeln können, wenn die Bauchdecke offen ist."

Schäfer Kath holt von Wolf verletztes Schaf aus der Herde (Quelle: rbb)Schäfer Kath holt verletztes Schaf aus der Herde

Insgesamt acht Übergriffe habe es in diesem Jahr schon auf die Schafherden der Familie Kath in Friedrichsfelde gegeben. Am Ende der Wiese entdecken die Schäfer ein weiteres totes Tier. Der Wolf hatte den Herdenschutzzaun einfach übersprungen, sagt Jens Kath. "Wir kriegen sie zwar ersetzt, aber die Arbeit, die wir hier täglich haben - der Tag ist gelaufen." Der Wolf stehe laut Kath an der Spitze der Nahrungskette "und bestimmt unseren Tagesablauf und das soll so sein? Also ich weiß nicht, das kann es wohl nicht sein."

Am Ende trennen der Schäfermeister und seine Mitarbeiter die verletzen Exemplare von der übrigen Herde. Ein Tier, dem die Organe aus dem Bauch hängen, wird auf einen Wagen verladen. Später werden die beiden erlöst.

Jagdverband fordert Aufnahme ins Jagdrecht

Rund 50 Kilometer weiter im Gartzer Bruch sind 28 Schafe vom Wolf getötet worden. Ein Rissgutachter zieht die Plane von den damit abgedeckten Kadavern und entnimmt mit einem Wattestäbchen Genproben an den Halswunden. Damit soll der Wolf überführt werden.

Viele Landwirte fordern Maßnahmen, um die Wolfsbestände zu regulieren. Auf EU-Ebene wird gerade über den möglichen Abschuss von Wölfen diskutiert. Dafür spricht sich auch Kai Hamann, Geschäftsführer des Landesjagdverbands aus. "Der Schutzstatus vom Wolf soll von 'streng geschützt' auf 'geschützt' reduziert werden - damit haben auch die Mitgliedsstaaten endlich die Möglichkeit, eigene Verordnungen und Gesetze zu erlassen."

Auch beim Landkreis Uckermark sieht man Handlungsbedarf. Aktuell ist das Töten von Wölfen grundsätzlich verboten, kann jedoch durch Ausnahmeregelungen erlaubt werden. Beispielsweise wenn Wölfe mehrfach Weidetiere angegriffen haben, obwohl effektive Schutzmaßnahmen, wie Zäune und Herdenschutzhunde, vorhanden sind oder das Vergrämen versagt hat.

"Selbstverständlich müssen Wölfe entnommen werden" sagt Frank Bretsch von der Unteren Naturschutzbehörde der Uckermark. "Wir haben Wölfe, die gelernt haben, über 1,20 bis 1,40 Meter hohe Zäune in Schafherden einzudringen", so Bretsch. Dies würden sie dann auch ihren Welpen beibringen.

Schäfer müssten selbst für Schaden zahlen

Karsten Arnold vom "Artenschutzbüro Unteres Odertal" sieht hingegen die Abschusspläne kritisch. Er beobachtet seit Jahren den Wolf in Polen und Deutschland und befürchtet nicht nur Probleme beim Artenschutz, sondern auch finanzielle Einbußen für Nutztierhalter. "Sollte man das noch weiter absenken und dann den Wolf direkt ins Jagdgesetz überführen und regulär regulieren wollen, hätte das unter Umständen echte Auswirkung auf die Nutztierhalter, zum Beispiel, dass Präventionen nicht mehr gefördert werden."

Das heißt: würde der Wolf ins Jagdrecht aufgenommen werden, müsste Jens Kath in Zukunft etwa seine Herdenschutzzäune selbst finanzieren und auch die Entschädigung für jedes gerissene Schaf könnte wegfallen. Rund 2,5 Millionen Euro stellt Brandenburg eigenen Angaben zufolge jedes Jahr für das Wolfmanagement zu Verfügung – so viel wie kein weiteres Bundesland.

Jens Kath ist das allerdings zu wenig. "Die Tiere werden ersetzt, aber nicht die Arbeit, der Mehraufwand. Das ärgert mich schon." Kath denkt generell, dass ein Zusammenleben mit Wölfen möglich sein kann. Auf viele Probleme fehlen ihm aber Antworten. Doch auch er befürchtet, dass die Kosten der Risse auf die Akteure vor Ort wie Jäger und Landwirte abgeschoben wird und die Ausgleichszahlungen des Landes wegfallen könnten.

Der Landkreis Uckermark will demnächst alle Betroffene an einen Tisch holen und im kommenden Jahr Vorschläge erarbeiten.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 17.11.2024, 19:30 Uhr

Mit Material von Riccardo Wittig

57 Kommentare

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  1. 57.

    Ich nehme aufgrund Ihrer Nicks einmal an, dass Sie aus Grünheide kommen. Wenn Sie sich z.B. die dortigen Wälder ansehen, werden Sie feststellen, dass es sich keineswegs um naturnahe Buchen oder zumindest Eichen-Hainbuchen-Wälder sondern überwiegend um Kiefernforste handelt. Somit eine stark anthropogen bedingte Assoziation. Ein übriges tut die Zersiedelung, Autobahn, Straßen und die gigantomanistische „Gigafactory“, wobei letztere ja nun Ausdruck völliger Naturzerstörung ist. Nein, naturnah ist die Gegend um Grünheide nicht.
    Was nun eine mögliche Entnahme von Wölfen angeht, so erfolgt diese nur aufgrund einer Ausnahmegenehmigung durch das LfU, und dieser Fachbehörde werden Sie ja wohl redlicherweise keine Unkenntnis unterstellen können.

  2. 56.

    Daran sieht man, wie die Städter, wie Sie, sich das Land so vorstellen. Sie sitzen wahrscheinlich den ganzen Tag vor Ihrem Rechner und kopieren Ihre ,,Kenntnisse'' by Wikipedia u.a. ab. Waren Sie überhaupt schon mal in Brandenburg? Wenn man Ihre Lobbyarbeit verfolgt, könnte man dies bezweifeln. Hier ticken die Uhren etwas anders als by Euch in der Großstadt, Gott lob! Wir kommen sehr gut mit den Wölfen zurecht, die muß und darf niemand, aus Unwissenheit, töten.

  3. 55.

    Woher haben Sie denn bitte Ihre Informationen? Im Moment stagniert das Wachstum der Weltbevölkerung laut statistica bei ca. 8 Milliarden. Der Massenzuzug ist ein anderes Problem und hat nichts mit den Wölfen zu tun. Außerdem findet er überwiegend in die Städte statt.

    "im Berliner Umland" Ja in den Städten wie z.B. Berlin und im Speckgürtel. Richtig. Was hat das jetzt z.B. mit der Uckermark zu tun?

  4. 53.

    Was sollte an sinkenden Geburtenraten dramatisch sein? Nur so ist die Erde noch zu retten. Wenn Deutschland hier mit gutem Beispiel vorangeht, ist das doch eine hervorragende Leistung!

  5. 52.

    Na dann schauen Sie sich mal an, in welch rasantem Ausmaß Freiflächen beplant werden, im Berliner Umland für Einfamilienhäuser und Gewerbe, weiter außerhalb für EK- und PV-Anlagen. Das ungebremste Wachstum bezieht sich selbstverständlich auf die Weltbevölkerung. Wenn in Mitteleuropa die Bevölkerung derzeit weniger stark wächst, ist das zwar erfreulich, ändert aber nichts an der globalen Entwicklung, die sich über kurz oder lang auch hier auswirken wird.

  6. 51.

    Die Geburtenrate in Deutschland sinkt dramatisch. Der Zustrom von Neubürgern ist das einzige was diese aufrechterhält. Allerdings findet dieser überwiegend in die Städte statt daher stehen viele Dörfer mittlerweile fast leer. Außer in Afrika und Zentralasien ist die Geburtenrate auch weltweit stark am Absinken.

  7. 50.

    Werter Thomas, Sie sind doch ein intelligenter Mensch. Wie soll denn angesichts einer sich rasant vermehrenden Menschheit mit immer weiter zunehmenden Flächenbedarf irgendwo naturnahe Landschaft dauerhaft erhalten bleiben? Wir müssen doch froh sein, wenn wenigstens einige kleine Schutzgebiete bewahrt werden können. Allein die gigantischen PV-Anlagen stellen eine extreme Umgestaltung der Landschaft dar, deren Auswirkungen insbesondere auf Offenlandarten überhaupt nicht abschätzbar sind. Der Wolf kommt hiermit sehr gut zurecht, bietet ihm doch die ausgeräumte Landschaft hervorragende Jagdbedingungen. Leidtragende werden z.B. Feldhase, Rehwild und Muffelwild sein.
    Erklären Sie mir bitte, wie angesichts der dramatischen Bevölkerungsentwicklung, ungebremster Flächenversiegelung in Mitteleuropa, des politisch gewollten unbedingten Vorrangs der Interessen finanzkräftiger Investoren vor Belangen des Naturschutzes sich hier eine auch nur annähernd nasturnahe Landschaft entwickeln soll?

  8. 49.

    Ich erkenne die Realität an, nur ziehe ich die notwendigen Schlüsse. Was offenbar ihr Problem ist. Denn eben genau diese Realität, wird uns oder die Folgegenerationen direkt gegen die Wand fahren. Die sich entwickelnden Zustände sind ja nicht gottgewollt sondern Ergebnisse unseres eigenen Handelns.

  9. 48.

    "Ganz oben in der Nahrungskette steht der Mensch ."
    Nee, der hängt zum großen Teil da nur rum. Der Homo Supermarkticus würde einfach nur verhungern, müsste er selbst für sein Auskommen sorgen und schüttet Dinge in sich rein, an denen Gevatter Isegrim nicht mal 'ne Duftmarke setzen würde.
    Trotzdem ist eine pragmatische, ideologiefreie Lösung, fernab der Kuscheltierromantik und frei vom Rotkäppchensyndrom beim Wolf angesagt.

  10. 47.

    Sie sollten die Realität anerkennen, dass es in Deutschland faktisch keine naturnahen Lebensräume mehr gibt. Allenfalls in einigen wenigen Gebieten wie Teilen des Bayerischen Waldes, der Nördlichen Kalkalpen oder auf einigen Inseln finden wir noch mesohemerobe Verhältnisse. Aufgrund der immer weiter zunehmenden Ausdehnung von Siedlungen, Gewerbe- und Industriegebieten, Straßen und Autobahnen, PV- und WK- Anlagen wird sich die Situation zu einer immer stärker anthropogen beeinflußten Landschaft ändern. Wie sich hier die hohe Populationsdichte des Wolfes auswirken wird, ist schwer zu prognostizieren. Tatsache ist jedenfalls, dass naturnahe Verhältnisse in Mitteleuropa dauerhaft ausgeschlossen sind, Wolf hin oder her.

  11. 46.

    Nein, ich bin nicht für die Grünen. Ich sehe nur, dass vernünftige Forderungen auch von Grünen Spitzenpolitikern übernommen werden. Das ist natürlich positiv zu beurteilen.

  12. 45.

    Jetzt sind Sie plötzlich für die Grünen, dabei gaben Sie früher ständig verbal auf die eingedroschen? Das nennt man wankelmütig!

  13. 44.

    Das ist keine Prognose sondern längst deutsche Realität. Wie sich Naturlandschaften durch Flurbereinigung durch den Menschen, unter anderem auch durch Entnahmen unbequemer - und Einbringen angenehmer Teilnehmer entwickeln, sehen wir ja überall. Die Folge, der Mensch muss in dieser linearen Denke verfangen, noch tiefer eingreifen und die Verschlimmbesserung nimmt ihren Lauf. Sehen sie im Ergebnis bereits überall.
    Und auch der Konflikt in der Landwirtschaft ist ja nicht durch winterlichen "bäuerlichen Massenproteste" und einen einlenkenden Cem Özdemir real gelöst. Auch hier werden sich die Konflikte weiter zuspitzen.

  14. 43.

    Es zeigt, dass Cem Özdemir lernfähig ist und sachgerecht auf eine sich ändernde Tatsachenlage reagieren kann.

  15. 42.

    Die von Ihnen abegegebene Einschätzung stellt ja nun auch eine Prognose dar. Ob diese zutreffend ist, kann aus derzeitiger Sicht nicht abschließend beurteilt werden. Es liegt jedoch nahe, dass sich die Räuber-Beute-Beziehungen in unserer euhemeroben Kulturlandschaft anders entwickeln könnten, als in naturnahen, großflächigen Lebensräumen.

  16. 41.

    Das zeigt überhaupt nichts auf, außer das auch Cem Özdemir nur ein Mensch ist und politisch überleben will.

  17. 40.

    "wenngleich man mit linearen Näherungen oft erstaunlich gute Prognosen erzielt."

    Ja in schwach nichtlinearen Gebieten der Ingenieurswissenschaft in Verbindung entsprechend kurzer Beobachtungsintervalle vielleicht.

    Gerade der Wolf würde die Wildbestände und damit auch die Flora bestens regulieren. Also vermischen sie dies nicht mit dem vom Menschen eingeschleppten Pflanzen und Tieren.
    Das ist nochmal ein ganz anderes Thema und ist letztendlich wieder das Ergebnis ihrer "linearen Näherungen" und Prognosen im Kopf der Menschen.

  18. 39.

    "wenngleich man mit linearen Näherungen oft erstaunlich gute Prognosen erzielt."

    Ja in schwach nichtlinearen Gebieten der Ingenieurswissenschaft in Verbindung entsprechend kurzer Beobachtungsintervalle vielleicht.

    Gerade der Wolf würde die Wildbestände und damit auch die Flora bestens regulieren. Also vermischen sie dies nicht mit dem vom Menschen eingeschleppten Pflanzen und Tieren.
    Das ist nochmal ein ganz anderes Thema und ist letztendlich wieder das Ergebnis ihrer "linearen Näherungen" und Prognosen im Kopf der Menschen.

  19. 38.

    Es zeigt jedenfalls auf, dass sich in immer weiteren Teilen der politisch Verantwortung Tragenden die Erkenntnis durchsetzt, dass der bisher praktizierte Totalschutz des Wolfs weder notwendig noch sinnvoll ist, mag auch die Wolfslobby noch so toben.

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