An der Tanke in Brandenburg - "Uns wird nicht geholfen. Uns vergessen sie irgendwo alle"
Fast jeder kommt mal an der Tanke vorbei. Zwei rbb|24-Reporter sprechen Leute an der Zapfsäule in Brandenburg an und fragen, was sie umtreibt. Heute: eine Kassierin, die bemerkt, dass am Monatsende vielen das Geld fürs Essen fehlt.
rbb|24 will mit den Gesprächsprotokollen, die "An der Tanke" entstanden sind, Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben die Meinungen der Gesprächspartner wieder.
Ich fahre 50 Kilometer zur Arbeit in einen Supermarkt in Luckenwalde. Vollzeitstellen gibt es in dem Bereich gar nicht mehr. Ich arbeite in Teilzeit. Was denken die in der Politik? Man kann das doch gar nicht mehr bezahlen. Der Sprit wird ja nächstes Jahr wieder teurer durch die Ökosteuer. Das finde ich ungerecht. Wir sind hier abgeschnitten auf dem Land. Die Berliner haben das 49-Euro-Ticket, brauchen kein eigenes Fahrzeug. Wenn ich für 49 Euro zur Arbeit fahren könnte, würde ich mich auch freuen. Ich arbeite ja bis 22 Uhr und da fährt nichts.
Dann brauche ich auch bald noch eine neuere Heizung, weil ich noch eine Ölheizung habe. Und die Lebensmitteilpreise steigen.
Sie möchte in ihrem Auto sitzen bleiben für das Gespräch, hat Zahnschmerzen, kommt gerade vom Arzt. Hier drin ist es nicht so windig wie draußen.
Am schlimmsten finde ich, dass an vielen Orten im Moment Krieg ist. Das merke ich auch an meinen Kunden. Die werden immer unzufriedener und viele sind gleich auf 180, wenn irgendwas ist. Ich sitze an der Kasse, ich kriege das ja mit.
Vor allem beim Geld hält sich die Waage mittlerweile nicht mehr. Wenn man mal schaut, was die Ukrainer an Bürgergeld bekommen und das mit dem vergleicht, was man bei der Arbeit verdient oder als Rente ausbezahlt bekommt. Viele schimpfen deshalb, weil sie denken: Den Ukrainern geht's ja finanziell viel zu gut - und dann stehen sie auch noch an der Tafel an. Wir haben entweder keine Zeit zum Anstehen bei der Tafel, weil wir arbeiten müssen. Oder wir sind zu alt und können uns deshalb nicht groß anstellen.
Die Kunden sagen immer: Guck mal, hier ist nichts mehr drin für das Geld. Und du merkst es, wenn zum Beispiel Bier im Angebot ist. Bier unter zehn Euro ist der Renner. Dann kommen die und kaufen auf Vorrat, weil ein Bierkasten meistens 16 Euro kostet.
Am Monatsende gibt es bei vielen nur noch Nudeln. Die letzten zwei Tage im Monat merkst du dann schon, dass es ruhiger ist auf dem Parkplatz. Die Leute warten darauf, dass sie ihr Geld kriegen. Anfang des Monats ist es dann wieder rappelvoll.
Jeder Satz klingt bei ihr ein bisschen wie eine Frage. Jedes Mal, wenn sie sich über etwas beschwert hat, macht sie eine kurze Pause, guckt für einen Moment aus dem Fenster in Richtung einer Straße, auf der überraschend viele Lkw vorbeirauschen.
Sahra Wagenknecht macht mir Hoffnung. Ich bin auch für Frieden und nicht für Waffenlieferungen. Wir kennen ja viele Hintergründe gar nicht. Man sagt zwar, die Ukraine wurde angegriffen. Das mag ja sein. Aber andersherum haben wir sie ja vielleicht auch bedrängt, die Russen. Weil wir zu weit an die Grenze wollten mit der Nato.
Ich denke mal, dass ganz viele die AfD gewählt haben, um der Regierung ein Zeichen zu setzen, dass wir alle damit nicht einverstanden sind, wie es gerade läuft. Dass sie aber gar nicht so rechts sind, die Leute.
Ihre Stimme kippt jetzt ins Aufgebrachte und Empörte. Von jetzt an ist jeder Satz eine Anklage, eine Beschwerde im Briefkasten der Regierungen von Brandenburg und dem Bund.
Du kriegst ja keine Wohnung mehr, da fängt es ja schon an - auch hier in der Gegend nicht. Das macht doch Angst. Jetzt sind Asylanten und Ukrainer da, die Wohnungen brauchen. Das kann ich auch verstehen, aber es ist eben schwierig alles. In Luckenwalde sind ganz viele Flüchtlinge. Ganz viele Kunden kommen schon gar nicht mehr bei uns einkaufen, weil die sagen: abends sind ja nur noch Kopftücher bei euch.
Ich möchte jetzt nicht fremdenfeindlich rüberkommen. Die Menschen mit Kopftüchern sind ja auch Kunden, die machen ja auch Umsatz. Aber viele sind besorgt darüber, dass sie die Gelder vom Sozialstaat nehmen, in den wir eingezahlt haben.
Manchmal wackelt ihre Stimme für einen kurzen Augenblick. Am Rückspiegel hängt ein silberner Metallengel, an der Handy-Halterung der Frontscheibe ein weißer Engel aus Filz.
Viele kommen mit ihrem Geld nicht mehr aus. Die Leute verschulden sich und lassen es dann irgendwo aus, weil sie merken: Uns wird nicht geholfen. Uns vergessen sie irgendwo alle. Das ist so beängstigend. Es wäre schön, wenn es hier Arbeitsplätze in der Region gäbe mit Tarifverträgen.
Und dass man zu den Ärzten nicht so weit fahren müsste. Alle Fachärzte sind weit weg, wir sind froh, dass wir noch ein paar Hausärzte hier in der Nähe haben. Ich wünsche mir, dass mal ein paar Leute an die Regierung kommen, die mehr Weitblick und Durchblick haben. Ich bin echt total enttäuscht.
Dieses Gespräch führte Anna Bordel, rbb|24