#Wiegehtesuns? | Klimaschützerin - "Dann frag ich mich schon, muss ich denn wirklich auf alles verzichten?"
Gebrauchte Klamotten, kalte Wohnung, bewusstes Reisen: Die Berlinerin Lisa hat ihren Alltag fast vollständig danach ausgerichtet, möglichst umweltfreundlich zu leben. Das fällt ihr nicht immer leicht. Ein Gesprächsprotokoll
In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.
Lisa Brust ist 33 Jahre alt, lebt in Berlin und arbeitet als Data Scientist. Das Interesse für den Klimaschutz hat sich bei ihr über Jahre aufgebaut. Je mehr sie sich damit beschäftigt hat, umso klarer wurde ihr: Sie muss etwas tun. Lisa engagiert sich ehrenamtlich für den Klimaschutz und lebt privat möglichst umweltfreundlich. Doch selbst sie findet es manchmal schwierig, die Motivation aufrecht zu erhalten. So geht es Lisa:
Ich habe vor einiger Zeit angefangen, mich bei German Zero, einer Klimaschutzorganisation, zu engagieren. Sie entwickeln Maßnahmen und Programme, um politisch Klimaschutz umzusetzen. Dafür suchen sie so oft es geht das Gespräch mit Politikern. Es ist sowas wie Lobbyarbeit fürs Klima.
Ich habe dort im IT-Team angefangen, weil ich die Organisation mit meinen Data-Science-Skills unterstützen wollte. Kürzlich konnte ich für sie bereits eine schöne Visualisierung für die Seite programmieren.
Ursprünglich war die Idee, dass ich dafür vier bis fünf Stunden die Woche Zeit haben sollte. Das ist schon relativ viel. Aber zuletzt hatte ich durch das Arbeiten kaum mehr Zeit dafür. Ich schaffe es nicht, so viel zu machen wie ich möchte.
Die letzten Wochen hatte ich mich auch bei Klimaneustart (Initiative, die hinter dem Volksentscheid "Berlin 2030 Klimaneutral" steht, Anm.d.Red.) beteiligt. Das ging easy auch nach der Arbeit. Das Ganze ging aber nur bis zum Referendum. Gerade organisieren sie sich neu.
Ansonsten versuche ich, meinen Alltag klimafreundlicher zu führen. Ich ernähre mich vegetarisch, einkaufen gehe ich im Bio-Laden, was sehr teuer ist, besonders jetzt seit der Inflation.
In meiner Wohnung ist es kalt, auch unabhängig davon, dass alle im letzten Winter Energie sparen sollten. Das habe ich die letzten Jahre auch schon gemacht. Obwohl ich dadurch viel krank war, vielleicht war es im Schlafzimmer auch teilweise zu kalt. Meine Nase ist schon immer eiskalt, wenn ich aufwache. Ich habs aber gemacht, damit ich nicht unnötig viel Energie vergeude, wegen des Klimas und nicht wegen der Kosten.
Klamotten nehme ich oft von meiner Familie, also bereits getragene. Was das Reisen betrifft, habe ich mir vorgenommen, in Europa nur mit Bus und Bahn unterwegs zu sein oder im vollen Auto, wenn man mitfährt.
Ansonsten will ich große Reisen, bei denen man wirklich aufs Flugzeug angewiesen ist, höchstens einmal im Jahr machen. Ganz wollte ich's mir nicht verbieten, weil ich sehr sehr gerne reise. Für dieses Jahr habe ich mir einen Rückflug aus Spanien gegönnt. Den Hinweg mach ich mit Bus und Bahn, das wird bestimmt so 24 Stunden dauern. Beides mit Bahn wird bisschen knapp, weil ich nicht mehr so viel Urlaub habe. Das wird dann auch mein einziger Flug dieses Jahr.
Zweifel und Motivationsschwierigkeiten kriege ich auch vor allem, wenn es ums Reisen geht. Die meisten Maßnahmen, die ich mache, machen mir eigentlich Spaß, weil ich weiß, es ist für was Gutes und ich finde das alles sinnvoll. Aber das Reisen ist sehr schwierig und ich will eigentlich nicht mehr fliegen. Aber dann merke ich, dass der graue kalte Winter hier in Berlin mich oft deprimiert. Ich muss auch mal raus, und dann bekomme ich mit, dass all meine Freunde auch fliegen. Auch meine Arbeitskollegen fliegen ständig. Und dann frag ich mich schon, muss ich denn jetzt wirklich auf alles verzichten? Ich mache ja schon so viel. Und darf ich dann nicht doch auch einfach wieder irgendwo hinfliegen?
Die Zweifel werden größer, wenn ich mir die Welt anschaue, auch Kriege sind schlimm, auch fürs Klima. Neben all den humanitären Katastrophen generieren Kriege viel mehr CO2. Und wenn ich im Ausland bin und sehe, dass die Menschen vor Ort und die dortige Politik sehr viel weniger oder kaum auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz achten, dann frag ich mich schon, wie das alles überhaupt funktionieren soll.
Wahrscheinlich ist es auch wichtig, dass man sich immer mal wieder Sachen erlaubt und nicht zu strikt ist. Es ist wichtig, da eine Balance für sich zu finden, zwischen sich fürs Klima einschränken und trotzdem noch das Leben zu genießen.
Ich mache das alles, weil ich glaube, dass sich der Umgang mit der Natur und dem Klima ändern muss. Ich lese auch ab und zu neue wissenschaftliche Veröffentlichungen zum Thema. Wir wissen, was folgen wird: Erderwärmung, Ernteausfälle, dadurch auch wahnsinnige Fluchtbewegungen, die immer extremer werden, Artensterben und so weiter.
Mich ärgert am meisten, dass wir im großen Rahmen so langsam sind, dass die Politik so langsam ist, was zu ändern. Aber ich beobachte auch, dass leider fast überall Parteien gewählt werden, die sich gar nicht für das Klima engagieren. Wenn wir solche Amtsinhaber wählen, ist es auch kein Wunder, dass in Klimafragen nicht so viel und nicht schnell genug etwas passiert.
Ich weiß gar nicht, auf wen man da wütend sein soll. Vielleicht auf alle, die die Klimakrise verstanden haben und sie dennoch komplett ignorieren. Viele wollen nicht auf ihren Komfort verzichten, weil sie es sich oft jahrelang erarbeitet haben. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es nicht bei allen angekommen ist, warum das Klima so wichtig ist. Wenn sie verstehen würden, dass es ihre Kinder extrem betreffen wird, würden sie vielleicht doch was bei sich ändern.
Aber es gibt zum Glück auch viele Menschen, die etwas tun. Und Ärger führt da auch nicht weiter.
Gesprächsprotokoll: Anna Severinenko