Anhörung im Innenausschuss - Kritik am geplanten Extremismus-Check für Beamte in Brandenburg hält an

Mi 30.11.22 | 18:44 Uhr
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Archivbild: Bradenburger Landtag. (Quelle: dpa/B. Settnik)
Audio: Antenne Brandenburg | 30.11.2022 | Mischa Frinke | Bild: dpa/B. Settnik

Die Koalition in Brandenburg will, dass Beamte vor ihrer Berufung vom Verfassungsschutz überprüft werden. Der Gesetzentwurf ist umstritten. Trotz Änderungen stößt er weiter auf Kritik, wie im Innenausschuss deutlich wurde. Von Michael Schon

Für den CDU-Abgeordneten André Schaller aus Woltersdorf ist die Sache eigentlich klar: Die Verfassung muss vor Verfassungsfeinden geschützt werden. Deshalb fragt er auch nur rhetorisch, "ob wir Menschen in den Beamtenstatus lassen dürfen, obwohl wir eigentlich wissen könnten, dass sie da definitiv nicht hingehören?" Die Antwort lautet also Nein.

Und ja: Er hat offenbar große Sympathien für den von Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) vorgeschlagenen Extremismus-Check: Der Verfassungsschutz soll prüfen, ob gegen angehende Beamtinnen und Beamte Informationen vorliegen, die an deren Verfassungstreue zweifeln lassen. Damit soll zum Beispiel vermieden werden, dass Rechtsextremisten Polizisten werden können.

Im Ausschuss hören Schaller und seine Abgeordnetenkollegen aus Koalition und Opposition allerdings eine ganze Reihe von Argumenten, warum die so genannte Regelanfrage beim Verfassungsschutz in der geplanten Fassung womöglich doch keine gute Idee sein könnte. Die Spannbreite reicht dabei von grundsätzlichen Bedenken bis zu Kritik an Details.

DGB vermisst Augenmaß

So ist aus Sicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) beim Gesetzentwurf jegliches Augenmaß verloren gegangen. "Aufwand und Nutzen stehen nicht im Verhältnis", sagt Matthias Schlenzka, Experte für Beamtenpolitik beim DGB. Die weit überwiegende Zahl der Beamtinnen und Beamten sei verfassungstreu.

Wenn es Probleme gebe, dann weniger mit Berufsanfängern - sondern mit Personen, die sich im Laufe ihres Berufslebens radikalisierten. Eine Schärfung des Disziplinarrechts sei da im Zweifel besser als eine Beurteilung durch eine Organisation wie den Verfassungsschutz, der in der Vergangenheit selbst "nicht immer eine Visitenkarte der Demokratie" gewesen sei.

Erinnerungen an den Radikalenerlass

Auch Jerzy Montag kritisiert den Gesetzentwurf, wenn auch nicht so scharf. Der Rechtsanwalt und Richter am Bayerischen Verfassungsgerichtshof, früher Bundestagsabgeordneter von Bündnis'90/Die Grünen, hält es für falsch, dass sich die Regelanfrage nicht auf angehende Polizistinnen und Polizisten beschränkt, sondern zum Beispiel auch Lehrerinnen, Kommunalbeamte oder Richter einschließt.

Er erinnere an den so genannten Radikalenerlass, bei dem bis in die 1980er Jahre in Westdeutschland vor allem Lehrerinnen und Lehrer ins Visier der Behörden geraten waren. Anders als Polizistinnen und Polizisten trügen aber Lehrerinnen und Lehrer oder Kommunalbeamte nicht das staatliche Gewaltmonopol. Daher rechtfertige die Gefahr, die von ihnen für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ausgehe, nicht einen so massiven Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Rechtswissenschaftler sieht Abschreckungswirkung

Dass eine allgemeine Abfrage für alle Beamtinnen und Beamten eine Abschreckungswirkung haben könnte, bemängelt der Rechtswissenschaftler Benjamin Rusteberg von der Ruhr-Universität Bochum. Wer Beamter werden wolle, äußere seine Meinung womöglich nicht mehr unbefangen öffentlich - aus Angst, damit beim Verfassungsschutz aufzufallen. Oder er bewerbe sich erst gar nicht, weil er den Verfassungstreue-Check fürchte.

Und: Wenn man die Verfassungsschutz-Abfrage schon einführe, dürfe man sie nicht wie geplant auf Informationen beschränken, die nicht mit nachrichtendienstlichen Mitteln gewonnen wurden - also zum Beispiel auf Zeitungsartikel oder Posts in öffentlichen Internetforen. Gerade im Bereich Rechtsextremismus gebe es "praktisch keine Erkenntnisse, die nicht mit nachrichtendienstlichen Mitteln erlangt worden sind", urteilt auch Jerzy Montag.

Überprüfung von angehenden Richterinnen und Richtern unverhältnismäßig?

Unverhältnismäßig sei es, dass angehende Richterinnen und Richter unter die neue Regelung fallen sollen, findet Jörn Hökendorf, Vorstandsmitglied im Deutschen Richterbund Brandenburg. Die Justiz brauche streitbare Richterinnen und Richter, so Hökendorf. Deshalb sei die Regelanfrage "das falsche Signal". Außerdem gebe es im Vorbereitungsdienst für Richterinnen und Richter geeignetere Möglichkeiten, die Verfassungstreue zu beurteilen.

Dem widerspricht Ralf Roggenbuck, Landesvorsitzender von dbb Beamtenbund und Tarifunion: "Wenn es eine Überprüfung gibt, dann für alle." Auch für die Angestellten im öffentlichen Dienst. Dennoch stellt sich auch für ihn die Frage, ob es sich bei dem Vorhaben angesichts der wenigen Fälle von Extremisten in Brandenburgs Staatsdienst nicht eher "um ein Schaufenstergesetz" handele.

Keine Einwände von Brandenburgs Kommunen

Weniger kritisch blickt Monika Gordes vom Städte- und Gemeindebund auf das geplante Gesetz. Die Entscheidung über eine Ernennung zum Beamten solle am Ende der Dienstherr treffen und nicht der Verfassungsschutz. Daher sieht sie keinen Änderungsbedarf am vorgelegten Gesetzestext.

Auch die Kritik von Brandenburgs Datenschutzbeauftragter Dagmar Hartge hält sich in Grenzen. Weil der Verfassungsschutz erst dann eingeschaltet werde, wenn die Entscheidung für eine bestimmte Anwärterin oder einen bestimmten Anwärter bereits gefallen sei, sieht sie keine Parallelen zum Radiakalenerlass der alten BRD.

Brandenburgs Innenminister Stübgen wird sich diese Argumente von seinem Staatssekretär Uwe Schüler berichten lassen müssen: Er war während der Anhörung bereits auf dem Weg zur Konferenz der Innenministerinnen und Innenminister in München.

Sendung: Antenne Brandenburg, 30.11.22, 19:00 Uhr

15 Kommentare

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  1. 15.

    Ach die Bild... Die Bild würde es auch gerne sehen wenn ein Jens Maier sein Richteramt ausüben dürfte?

    https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/richter-rechtsextremismus-101.html

  2. 14.

    Das wäre verfassungswidrig. Jede zur Wahl zugelassene Partei darf Kandidaten ihrer Wahl stellen. Wird dieser Kandidat von den Wählern in ausreichender Zahl mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt, hat dieser einen demokratischen Anspruch auf seinen Sitz im Parlament selbst dann, wenn Zweifel an seiner Verfassungstreue bestehen. Abgeordnete sind keine Beamten und auch keine sonstigen Bediensteten des Staates sondern ausschließlich von den Wählern gewählte Volksvertreter. Einziges Mittel, diese an der Ausübung ihres Mandats für diese Partei zu hindern wäre ein Parteiverbot.

  3. 13.

    " Die Justiz brauche streitbare Richterinnen und Richter". Aber nur theoretisch ! Die BILD-Zeitung hat schon 2015 getitelt :
    Bin ich schon ein Rechter, wenn ich mir Sorgen um Deutschland machen ? Aktuell ist man ja schon dabei, Richter aus ihren Ämtern zu entfernen, die eine differenzierte Sichtweise haben und diese auch im Zuge ihres Mandates artikuliert haben. Das soll dann die hochgelobte freie Demokratie sein und wer glaubt denn sowas ?

  4. 12.

    Eine Wiederholung des unrühmlichen Radikalenerlasses, der in Bayern sogar bis 1991 galt, halte ich für schädlich. Wenn sich nachher herausstellt, dass jemand rechts- oder linksextremistisch unterwegs ist, sollte man ihn aber schnell wieder aus dem Staatsdienst entfernen können. Vor allem auch beamtete Personen und Richter:innen. Selbiges gilt für extrem-religiöse Fanatiker. Wer den Boden unseres Grundgesetzes verlässt, gehört nicht in den Staatsdienst. Vorverurteilungen sind aber falsch.

  5. 11.

    .."... wer in den staatlichen dienst egal welchen bereiches will, MUß Vorher Voll Durchgecheckt Werden/Sein! ansonsten hat diese person hier Nichts zu suchen! wer mit unseren rahmen und regeln Nicht spielen will hat hier Nichts zu suchen! würde dies konsequent angewandt werden/sein hätten wir viele probleme nicht! "..

  6. 10.

    Ui, es lässt sich hier in der Kommentarspalte deutlich herauslesen, dass Maßnahmen gegen Rechtsextremismus anscheinend wenig gewollt sind. Brandenburg halt...

  7. 9.

    Wären bei der Polizei weniger Nazis, müssten sie auch keinen Demokratie-Test fürchten!

  8. 8.

    Hallo Hanne,
    ich finde es ja nett, dass Sie auch Hanne heißen, aber zur besseren Unterscheidung, sollten wir vielleicht unseren Wohnort eintragen ;-).

    Zum Thema:
    Ich bin gegen eine Wiederholung des Radikalenerlasses! Ich fand ihn schon in den 80er nicht in Ordnung und lehne ihn weiterhin ab. Allerdings bin ich sehr für die disziplinarische Verfolgen von extremistischen Verstößen bei Beamten.

  9. 7.
    Antwort auf [Georg Hemzal] vom 30.11.2022 um 20:22

    "Ich frage mich, wo die Demokratie und die freie Meinungsäußerung in Deutschland geblieben ist "

    Was hat Hetze und Hasspostings mit Demokratie und die freie Meinungsäußerung zu tun?

  10. 6.

    Schon fraglich wo Sie das hineinlesen?
    Alles beschriebene schließt ein solches Vorgehen durch Personen jeglicher "Gesinnung" nicht aus.

    Der Extremismus-Check gilt für JEGLICHEN Extremismus und wirkt zumindest für Neueinstellungen sinnvoll.
    Eine pauschale Überprüfung ALLER Angestellten des öffentliches Dienstes wirkte in der Tat überzogen.
    Da reicht weiterhin das Verdachts-bezogene Handeln.

  11. 5.
    Antwort auf [Harry] vom 30.11.2022 um 18:52

    Natürlich sind die kein Problem. Sie dürfen auch kein Problem sein, genau wie Clan-Mitglieder in den Reihen der Polizei.
    Es ist doch abwegig zu glauben, dass es z.B. auch keine Antifa-Leute im Polizei-Dienst gibt. Selbst aktive prominente Politiker machen aus ihrer z.T. auch militanten Antifa-Vergangenheit keinen Hehl, und das ist nur die Spitze des Eisberges. Warum wohl wird der Kampf gegen rechts so massiv betrieben ? Wegen der vermeintlichen Nazis und Faschisten und der unmittelbar bevorstehenden Machtergreifung mit Erstürmung des Reichstages ? Das ist alles so furchtbar verlogen und moralisch verkommen.

  12. 3.
    Antwort auf [Harry] vom 30.11.2022 um 18:52

    Haben sie mal schon Salafisten und Linksextremisten als Polizisten vor ihren Symbolen Gruppenfoton machen sehen?

    Von Rechtsextremisten bei der Polizei sind solche Fotos bekannt. Aber das wollten sie ohnehin absichtlich falsch verstehen.

  13. 2.
    Antwort auf [Harry] vom 30.11.2022 um 18:52

    Sie verharmlosen Rechtsextremismus. Waren es nicht Beamt*innen, die von rechtsextremen Kreisen ausdrücklich aufgesucht wurden; Angehörige des Staates in Trägerschaft des Gewaltmonopols, die mitgeholfen haben, ob bei der Planung bzw. Organisation von Umsturzplänen, Todeslisten, Waffenbeschaffung o. Leichenbeseitigung? Waren es unlängst nicht ausdrücklich Beamt*innen, die gezielt von Corona-Leugnenden und anderen Verschwörungsideolog*innen aufgesucht und für sich gewonnen werden sollten?

    Eine Überprüfung ist notwendig, für den gesamten Öffentlichen Dienst, allerdings disziplinarisch, im gesamten Zeitraum der Arbeit, nicht zum Berufseinstieg allein. Nur, wer prüft die Prüfenden? Der VfS hat nachweislich rechtsextreme Netzwerke mit Devisen versorgt u. Rechtsextreme geschützt statt deren Zielgruppen. Zudem irrt Rusteberg. Mitnichten lassen sich personelle und ideologische Netzwerke nur per Geheimdienst ermitteln: Wissenschaftliche Expertise, Journalismus, Opferberatungen.

  14. 1.

    Ich denke, man sollte zunächst einmal alle Abgeordneten beim Bund und den Ländern überprüfen. Das dürfte für manche Überraschung sorgen…und in deren Händen liegt das Wohlergehen Deutschlands!

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