Geplatzte Konferenz in Brandenburg - Koalition streitet über Unterbringung von Geflüchteten und Hilfe für Kommunen

Do 09.03.23 | 20:20 Uhr | Von Andreas Hewel
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Symbolbild:Zwei Beamte der Bundespolizei begleiten einen Flüchtling auf dem Gelände der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber (ZABH) des Landes Brandenburg.(Quelle:dpa/P.Pleul)
Audio: rbb24 Inforadio | 09.03.2023 | Nachrichten | Bild: dpa/P.Pleul

Wie können die Brandenburger Kommunen die Versorgung von Flüchtlingen stemmen? Am Freitag sollte es dazu eine Konferenz mit der Landesregierung geben. Sie wurde kurzfristig abgesagt. Innerhalb der Koalition wird gestritten. Von Andreas Hewel

Für Jens Graf, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes in Brandenburg, sprechen die Zahlen für sich. 39.000 geflüchtete Personen sind im vergangenen Jahr in Brandenburg aufgenommen worden. 29.000 von ihnen kamen aus der Ukraine, rund 10.000 waren Migrantinnen und Migranten aus anderen Ländern. Unter ihnen sind auch viele Kinder, die schulpflichtig sind oder in die Kita sollen.

Allein dafür, so Graf, brauchten die Städte und Gemeinden rund 5.000 zusätzliche Schulplätze und ebenso viele neue Kitaplätze. Die Kosten hierfür gehen schnell in den dreistelligen Millionen-Euro-Bereich. Ohne Hilfe vom Land, so Graf, sei das von den Kommunen nicht zu stemmen.

Flüchtlingskonferenz abgeblasen

Umso dringlicher wäre eine Konferenz der Landräte mit den betroffenen Fachministerinnen und -ministern gewesen. Doch dazu kommt es erstmal nicht. Das für diesen Freitag anberaumte Treffen wurde am Donnerstag kurzfristig abgesagt. Der Grund: Uneinigkeit in der Koalition, wie den Kommunen geholfen werden soll und wie Flüchtlinge in Zukunft untergebracht werden sollen.

Es bestehe noch Beratungsbedarf, heißt es vieldeutig in einer schriftlichen Mitteilung des Innenministeriums. Das ist auch für Kommunen zuständig und hatte zu dem Treffen geladen. Es habe kein "greifbares Ergebnis" gegeben, erklärte Innenminister Michael Stübgen (CDU). Ein Treffen zu einem späteren Zeitpunkt sei zielführender. "Die Kommunen erwarten vollkommen zu Recht, dass sich die Landesregierung einig ist bei der Frage, wie sie die kommunale Ebene bei der Verteilung und Integration von Flüchtlingen nachhaltig entlastet", so Stübgen weiter.

Streit zwischen Innen- und Sozialministerium

Der Streit innerhalb der Landesregierung geht offenbar vor allem zwischen dem unionsgeführten Innenministerium und dem Sozialministerium, geführt von Grünen. Die zeigen sich verärgert über die Verschiebung des Treffens. "Die heutige Absage des Ministers [Stübgen, Anm.d.Red.] des Landrätetreffens war für uns wie auch für die Landkreise äußerst überraschend", monierte Petra Budke, die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag. "Die Verschiebung einer Debatte hilft niemandem, weder den Kommunen noch den Geflüchteten."

Im Ziel, das betonen alle Parteien in der Landesregierung, sei man sich einig, dass den Kommunen geholfen werden soll. Nur wie und in welchem Umfang das Land helfen soll, darüber wird gestritten. Unter anderem geht es dabei auch darum, ab wann Flüchtlinge von der Erstaufnahme, für die das Land zuständig ist, an die Landkreise und Kommunen weitergeleitet werden.

Zankapfel sind Unionspläne zu Landesobhut-Einrichtungen

Für die Opposition ist das geplatzte Treffen ein schlechtes Zeugnis für die Landesregierung. So bezeichnete die innenpolitische Sprecherin der Linken, Andrea Johlige, die Absage als "notwendige Konsequenz der unausgegorenen Vorschläge des Innenministers und der Uneinigkeit der Koalition". Der Innenminister habe sich in den vergangenen Wochen mit seiner "Das Boot ist voll"-Rhetorik keinen Gefallen getan.

Am zurückliegenden Wochenende waren Pläne des Innenministeriums öffentlich geworden, wonach die Kapazitäten in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes erweitert werden sollten. Strittig ist vor allem das Verfahren, wie und wann Geflüchtete auf die Kommunen verteilt werden. Nach den Plänen des Innenministeriums sollen Geflüchtete ohne sichere Bleibeperspektive bis zu 24 Monate in der Erstaufnahme verbleiben können.

So weit würden SPD und Grüne in der Koalition noch mitgehen. Doch nach diesen 24 Monaten will der Innenminister Flüchtlinge ohne sichere Bleibeperspektive noch weiter in sogenannten "Landesobhut-Einrichtungen" unterbringen, insgesamt bis zu vier Jahre. Die Koalitionspartner von SPD und Bündnis'90/Die Grünen lehnen Stübgens Pläne vehement ab. Für eine so lange Zeit in einer Landesobhut gäbe es "keine gesetzliche Regelung", klagt SPD-Fraktionschef Daniel Keller. Für ihn liegt der Ball beim Innenminister. Stübgen, so Keller, sei in dieser Sache "völlig konzeptlos" und habe seine "Hausaufgaben nicht gemacht".

Millionenhilfe für Flüchtlinge beschlossen

Einen neuen Termin für ein Treffen der Landesregierung mit den Landräten gibt es noch nicht. Möglichst bald will den die SPD haben. Doch es scheint, als sei ein Treffen erst nach Ostern möglich. Es ist unübersehbar, in Koalitionskreisen wächst die Kritik am Alleingang des Innenministers.

In diesem Jahr rechnet Brandenburg mit 26.000 Geflüchteten. Die Kommunen fordern mehr Unterstützung vom Land und vom Bund, um ausreichend Kapazitäten in Kitas, Schulen aber auch beim Wohnraum schaffen zu können.

Die Landesregierung hat zusätzliche finanzielle Mittel in Höhe von rund 150 Millionen Euro aus dem sogenannten Brandenburg-Paket angekündigt, 98 Millionen davon für die Unterbringung von 14.000 Geflüchteten. Für 57 Millionen gab der Haushaltsausschuss des Landtages am Donnerstag grünes Licht. Daraus sollen kurzfristig gestiegene Kosten für Energie und Personal ebenso finanziert werden wie Migrationssozialarbeit für Geflüchtete aus der Ukraine und Unterkünfte für die Erstunterbringung.

Sendung: rbb24 Inforadio, 09.03.23, 13:23 Uhr

Beitrag von Andreas Hewel

23 Kommentare

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  1. 23.

    Das sehe ich wie Sie. Aber der Finanzierungsbedarf ist so groß, dass man darauf vermutlich keine Rücksicht nehmen wird.

  2. 22.

    Die "Grundsteuerreform die Finanzierungsprobleme lösen wird"
    Wenn man eine "tot Sache" besteuert, aus der man kein Einkommen erzielen kann (selbst bewohnt), dann ist das eine schrittweise Enteignung versteuerten Geldes :-(

  3. 21.

    Ich glaubte bis vor kurzem noch gehört zu haben, dass in weiten Teilen Brandenburgs noch richtig Platz ist. Und dass die Grundsteuerreform die Finanzierungsprobleme lösen wird.

  4. 20.

    Wie wahr. - Ich habe schon recht fragl. Erzählungen bis Auseinandersetzungen erlebt, dass man sich auf das Internet verlässt u.nicht fragt, ob das, was man sieht, auch real sein kann. Die Wirklichkeit ist eben sehr "die Augen öffnend", u. nicht jeder kommt damit klar, dass er einem Irrtum erlegen ist. Dann kommen aber wirklich psychische Störungen aller Art. Deshalb finde ich die zusammengekürzten Weisheiten nicht gerade zielführend. Während der CDU-Vertreter von Personen sprach, die voraussichtl. absehbar keinen Titel erhalten können, spricht die Grünenpolitikerin von allen. Auf jeden Fall ließe sich in einem staatl. geführten Objekt psychologische Betreuung, Sozialberatung und Deutschlernkurse besser durchführen als dezentral. Das ist eine Tatsache. Denn in der Freizeit wird nach Anschluss an die eig. Community gesucht. Es ist nun einmal so. Wir würden es vermutl. auch nicht anders machen. Feste Kontakte zu Dt.- eher Zufall.

  5. 19.

    Links grün verkennt die Sachlage zu diesem Thema gründlich. Bewusst oder unbewusst. Jedenfalls sollte Integration am Ende in beide Richtungen funktionieren, so das die Akzeptanz in der Bevölkerung da ist. Und die schwindet wohl mehr. Herr Stübgen macht erstmal alles richtig. Links grün spaltet

  6. 18.

    Es müsste in der Werbung dann auch klar gestellt werden, dass es mit Arbeit, jeden Tag, von früh bis spät, zu tun hat.
    Ich habe, in nicht nur einem Gespräch, oft gehört: Das hätten wir so nicht gedacht. In Deutschland dreht sich alles nur um Arbeit, jeden Tag. Das hält man ja nicht aus...

  7. 17.

    "Die Koalitionspartner von SPD und Bündnis'90/Die Grünen lehnen Stübgens Pläne vehement ab. Für eine so lange Zeit in einer Landesobhut gäbe es "keine gesetzliche Regelung", klagt SPD-Fraktionschef Daniel Keller."
    Klingt aber sehr nach Ping-pong-Getue. Vllt kann man sich auf klare durchführbare Regeln einigen. Angetreten sind sie alle: Ich/wir kann/können Politik. Und man muss sich auch nicht wundern, wer(jahrzehntelang)den angeblichen Wohlstand in D in aller Welt preist, und die schönen bunten Bilder aus der Werbung um die Welt schickt, braucht sich über d. Echo in den Herkunftsländern nicht wundern. Erst hier angek. wird klar, dass nicht jeder ein Haus, ein gr. Auto u. in Samt/Seide durchs Leben geht. Es fragt sich immer, wer relativ gut lebt. V.a. die Politiker werden für unverständl. Entscheidungen (s. diese Diskussion)u. für Fehlleistungen (z.B. Herr Scheuer) fürstl. entlohnt. Otto Normalo verliert bei Fehlleistungen die Arbeit...Politik quasselt weiter...

  8. 16.

    Es ist genau andersrum: Autobahnprojekte und Porschefahrer sind verdammt linksextrem. Fas immer.
    Man findet sie dort festgeklebt und angereist 1. Klasse.

  9. 15.

    rbb24: Seit wann darf man bei Ihnen Autobahnprojekte und Porschefahrer als „verdammt rechtsextrem“ bezeichnen?

  10. 14.

    Realität trifft auf Ideologie. Einer hat den Mut, auszusprechen, was ist. In Brandenburg wird erstmal vertagt. Österreich, Schweden, Dänemark und England gehen derweil in die entgegengesetze Richtung. In Deutschland singt Frau Faeser das alte Lied.
    https://www.welt.de/politik/deutschland/plus244152179/Gruener-Landrat-zu-Migration-Werden-sie-nicht-mehr-integrieren-koennen.html

  11. 13.

    Linksgrün flüchtet, die zerstrittene Truppe kann sich nicht einigen.

  12. 12.

    Sehe ich genaus so, diese verdammten rechtsextremen Autobahnprojekte und Porschefahrer.
    Nur der Tipp mit dem "kostenlosen Sprit" wünsche ich mir genauer!
    Ist hoffentlich kein Bio-Sprit, denn der schadet meinem 57er BelAir.
    Ansonsten empfinde ich den Streit unnötig. Politik hat harmonischer zu funktionieren!

  13. 11.

    @"Swen"
    Ihr Kommentar ist wie immer -
    beWUNDERNswert - kurz - knackig - völlig am Thema vorbei - und (auch wie immer) völlig sinnfrei !!!
    @"Wossi
    Stimme Ihnen zu, SO(!) wird das nie was!
    Aber vielleicht ist ja eine Lösung auch garnicht gewollt?

  14. 10.

    Sie haben gut reden.
    Für viele Flüchtlinge aus dem Süden müsste theoretisch erst einmal ein quasitherapeutisches Setting angesetzt werden.
    Sowohl Sozialarbeiter als auch Psychotherapeuten und schon gar keine Deutschlehrer stehen zur Verfügung.
    Es gibt einen Mangel an jedwedem Personal.

  15. 9.

    Ich muss heute unbedingt zu Porsche und mir ein Auto bei den kaufen. Dann kann ich immer kostenlos tanken. Das spart enorm Geld. Woher haben Sie diese Information? Wieder einmal eine sinnfreie Aussage von "Swen".

  16. 8.

    Verschieben auf den Sankt Nimmerleinstag scheint mir nicht geraten bei diesem wichtigen Thema!

  17. 7.

    Ist schon erstaunlich. Da wird über Wochen immer wieder auf dieses Treffen referenziert, komplette Think-Tanks beschäftigen sich vorab in Beratungsrunden die Unmengen von Kohle verschlingen...es wird geredet und geredet.
    Was bleibt? Eine Luftnummer! Langsam verliert man echt den Glauben daran dass Politik überhaupt in der Lage ist Probleme mit einer Komplexität leicht über den vier Grundrechenarten zu lösen. Vielleicht ist es den Politker/innen aber inzwischen auch völlig egal wlches Bild sie abgeben.

  18. 6.

    "Ein solches "Paket" ist kein Paket. Es ist eine Mogelpackung um die gesetzliche Schuldenbremse zu umgehen. "

    Stimmt. Das Geld wird doch gebraucht für sinnlose Autobahnprojekte und kostenlosen Sprit für Porschefahrer.

  19. 5.

    "Die Landesregierung hat zusätzliche finanzielle Mittel in Höhe von rund 150 Millionen Euro aus dem sogenannten Brandenburg-Paket angekündigt"
    Das bedeutet: Verbrauchsschulden....Das Geld der Jugend oder der Nachfolgenden wird einfach "aufgegessen".
    Ein solches "Paket" ist kein Paket. Es ist eine Mogelpackung um die gesetzliche Schuldenbremse zu umgehen. Tricksereien sind nicht schlau. Sie zeigen eine Ideologie auf, die nicht schaffen will. Und für die andere zahlen sollen. Eine unmögliche Moral bzw. gar keine Moral.
    Nur Leute die nicht wirtschaften können, "essen" ihre Schulden auf...

  20. 3.

    Warum spricht man nicht die Wahrheit aus.Alle Bundesländer sind an Grenzen der Flüchtlingsaufnahme angekommen.Es nutzt niemanden die eigenen Bürger weiter zu Belasten ,ob Wohnraum, Integration, Steuern.Es muss eine Grenze der Vernunft geben.Ausgebildete Arbeitskräfte aus dem Ausland,die Gesucht werden, könnten sonst nie Fuß fassen in der jetzigen Situation.Diese Infrastruktur braucht Fachkräfte in voller Unterstützung.Regeln der Bildung wurden Vernachlässigt ,und jetzt.. Regierung.

  21. 2.

    Deutschkurse sollten schon in der Erstaufnahme angeboten werden, wenn die Verweildauer dort bis zu 24 Monate dauern kann. Es darf nicht zu langen Wartezeiten kommen bis ein Sprachkurs anläuft. Es ist der erste Schritt der Integration. Viele Menschen sind jung und langweilen sich in den Erstaufnahmestationen!! Ich sehe sie jeden Tag auf dem Hof stehen und auf die Handys starren. Das ist nicht gut für die Menschen und wirkt auch nicht motivierend. Wer arbeiten möchte darf arbeiten. Und wer nicht arbeiten möchte? Dazu gibt es kaum klare Aussagen… Schade das immer so rumgedruckst wird. Deutschland braucht faire Regeln, aber auch eine klare Linie!!

  22. 1.

    Stübgen will die Menschen mit ungeklärter Identität oder ungünstiger Bleibeperspektive länger in den Erstaufnahmezentren belassen, um die Landkreise zu entlasten. Frau Nonnemacher will diesen Personenkreis auf die Landkreise verteilen und Landesknete nachschießen, obwohl diese allein wohl wenig hilft (kaum Personal für Integration und Betreuung!). Und Frau Johlige kritisiert die "Das Boot ist voll"-Rhetorik der Regierung. Jeder mag nun selbst beurteilen, was Realismus und Augenmaß betrifft...

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