Interview | Politikwissenschaftler zum 1. Mai - "Die heutige Jugend ist in der Breite friedfertiger als früher"

Di 02.05.23 | 17:14 Uhr
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Ein Demonstrationszug zieht am 01.05.2023 durch die Stadt. Unter dem Motto "Revolutionärer 1. Mai" hatten linke und linksradikale Gruppen zu einer Demonstration am Tag der Arbeit aufgerufen. (Quelle: dpa-Bildfunk/Hannes Albert)
Bild: dpa-Bildfunk/Hannes Albert

Die befürchteten Straßenschlachten zwischen linken Gruppierungen und der Polizei blieben am 1. Mai in Berlin aus. Zum zweiten Mal in Folge. Der Politikwissenschaftler Klaus Schroeder erklärt im Interview, woran das liegt.

rbb|24: Herr Schroeder, in den vergangenen beiden Jahren blieb die erwartete Gewalt am 1. Mai aus. Sind die Zeiten von Straßenschlachten am Tag der Arbeit vorbei?

Klaus Schroeder: Vom heutigen Stand her würde ich aber sagen: Ja. Aber so ganz genau kann man das natürlich nicht wissen. In diesem Jahr war es so, dass die gewaltbereiten Demonstranten von zwei Seiten von Krawallen abgehalten wurden. Einerseits durch andere Demonstranten, die meinten, man würde mit Gewalt dem Anliegen der Revolution schaden. Und das Zweite ist die Einsatzstrategie der Polizei. Es deutet alles darauf hin, dass sich die besonnenen Kräfte bei den linken Gruppen durchsetzen werden und dass sie verstanden haben: Die Gesellschaft lässt sich nur verändern, wenn man breite Massen anspricht und eben nicht durch Gewalt.

Wie kommen Sie zu der Erkenntnis, dass die Jugend heute friedfertiger ist als früher?

Durch Gespräche mit Studenten und jungen Menschen.

Hat sich der Protest der linken Gruppierungen in den vergangenen Jahren verändert?

Ja. Der Protest ist mehr in die Breite gegangen. Das sieht man zum Beispiel an der Demonstration im Grunewald, die auch am 1. Mai stattfand. Sie versuchen es zum Beispiel immer wieder mit ironischem Protest. Die heutige Jugend ist in der Breite friedfertiger als früher. Ich glaube, die breite Masse hat erkannt, dass man nicht gewalttätig sein darf, wenn man die Gesellschaft verändern möchte. Es gibt aber immer noch einen harten Kern, die da mit einer Pulle Bier in der Hand herumgrölen. Aber die werden sofort weggeschickt. Da kann man eigentlich nur Lob aussprechen, um es mal auf den Punkt zu bringen.

Lob an wen?

An die Politik und an einen Großteil der Demonstranten, die dafür gesorgt haben, dass es nicht zu Ausschreitungen kommt. Insofern war dieser Abend für diejenigen, die es friedfertig wollten, ein voller Erfolg.

Zur Person

Klaus Schroeder (Quelle: rbb)
rbb

Klaus Schroeder

ist Soziologe und Politikwissenschaftler an der Freien Universität Berlin. Einer seiner Schwerpunkte ist die Extremismusforschung. Er publiziert regelmäßig zum Thema Linksextremismus in Deutschland.

Es gibt aber auch Kritik am Einsatz der Polizei. Die Demonstrierenden beklagen, dass sie am Kottbusser Tor eingekesselt wurden. Wie bewerten Sie diese Situation?

Ja, das war eine kitzlige Situation. Aber da ging es auch um die neue Polizeiwache am Kotti. Da hatte die Polizei Angst, dass etwas passiert, und hat deshalb dichtgemacht. Es ist Gott sei Dank unter den Demonstranten keine Panik ausgebrochen.

Es waren mehr als 6.000 Polizistinnen und Polizisten im Einsatz. Mehr als in den Jahren davor. War diese Präsenz gerechtfertigt?

Im Nachhinein kann man sagen, dass es eine Überreaktion war. Aber das kann man vorher nicht wissen. Die Polizei wollte um jeden Preis verhindern, dass es Krawalle gibt. Deshalb hat sie so reagiert und war so präsent.

Wem hat Berlin diesen 1. Mai ohne größere Krawalle zu verdanken? Der Politik, der Polizei oder den Demonstrierenden?

Allen. Aber vor allem den Demonstranten.

Vielen Dank für das Gespräch.

Anmerkung der Redaktion: Wir haben dieses Interview kurz nach der Veröffentlichung um eine Nachfrage und eine darauf bezogene Antwort ergänzt.

Das Interview führte Yasser Speck

Sendung: rbb24 Abendschau, 02.05.2023, 19:30 Uhr.

26 Kommentare

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  1. 26.

    @ Steffen, sehen Sie, da ist das Problem. 'Neonazis' und 'friedlich'. Das ist ja schon ein Widerspruch in sich. Und ich meine nicht die Wähler derjenigen. Die sind einfach nur dumm oder/und blind.

  2. 25.

    Ihre übliche Polemik. Vergleiche sind Gang und Gäbe, auch wenn Ihnen das nicht passt.

    Zum Artikel: Wer aus sage und schreibe zwei Ereignissen ("Zum zweiten Mal in Folge") und
    durch wohl handverlesene "Gespräche mit Studenten und jungen Menschen" bemühte Schlußfolgerungen zieht, schrammt leider haarscharf an der Realität vorbei...

  3. 24.

    So, so die Frage, auf welche Erkenntnisse der Wissenschaftler das stützt, sagt er, Unterhaltungen mit den Leuten selbst.
    Ist doch etwas speziell oder?
    Korrekter ist es wohl, in den Achtzigern gab es Schlachten. Dann kamen ruhigere Zeiten, die sich dann wieder mit Szenarien der Achtziger deckten.
    Die Geschehen zu Silvester, wer hat die initiiert?

  4. 23.

    Ihr Vergleich ist völlig unangemessen, lässt aber tief blicken...

  5. 21.

    In welchem Zusammenhang steht Ihre Aussage zum Kommentar der Gelassenen? Ich habe gesucht und gesucht, aber leider nur 2 völlig unabhängige Themen gefunden, die Sie irgendwie verquirlen wollen. Warum tun Sie das?

  6. 20.

    Glaube der Soziologe meinte eher "satt ohne Leistung". Wenn jeder bei ner Maidemo ins Portemonnaie guckt, und selbst jeder der NICHTS leistet noch 5 Zwanziger vom Transferleistungsgeld des Vormonats drin hat... dann ist die Bereitschaft zu nem Systemwechsel und Eskalation eher wenig ausgeprägt.

    Die zu arbeiten aber eben leider auch.

  7. 19.

    olaf fährt Bus. Dabei braucht die BSR dingend Verstärkung, um in Kreuzberg die Parks zu reinigen. Traditionell werden die am 1. Mai extrem vermüllt ohne dass die Kommunalpolitik wirklich etwas daran ändern will. Die wird schon daran zu beißen haben, dass die Anwohner das politisch ungewollte Myfest gefeiert haben.

  8. 18.

    Nein, das ist eben kein friedlicher Protest, es sind Straftaten in Form von Nötigung und versuchter Erpressung und absolut undemokratisch. Ich hätte gerne mal ihre Einschätzung, wenn Neonazis sich "friedlich" gegen den Bau einer Asylunterkunft vor die Baustelleneinfahrt kleben. Die sind schließlich auch der Meinung, Gutes zu tun. Muss die Mehrheit das dann auch erdulden?

  9. 17.

    In meiner Jugend wurden Sätze immer mit Interpunktion beendet.

  10. 16.

    Früher gab es einen harten Kern an Berufsrandalierern, heute kleben die auf der Straße.

  11. 14.

    Es gibt auch noch Menschen zwischen Jugend und 50+...

  12. 13.

    Ihren Kommentar lesend liegt der Schluss nahe, dass es also am 1. Mai deshalb so relativ friedlich blieb, weil jetzt die CDU "mit im Senat sitzt".
    Das erheitert mich, Dankeschön dafür.

  13. 12.

    Hätte es Krawalle gegeben, hätte es geheißen, die Jugend hat die Schnauze voll.
    Der Großteil der Bürger weiß, dass Krawalle sinnlos ist.
    Man hat als Bürger viel wirksamere Mittel, um seine Probleme zu lösen.
    Bzw. als Konsument oder Bewerber bessere Wirkungsmöglichkeiten.
    Trotzdem sind jederzeit schwere Krawallen möglich.
    Siehe Silvester.
    Hängt auch immer davon ab, welche Politiker regieren.
    Wer Probleme nicht sehen will und ständig auf die Polizei meckert, muss sich über Krawalle nicht wundern.
    Insofern gut, dass die CDU jetzt mit im Senat sitzt.

  14. 11.

    Wer über 50 ist erlebt gerade eine wesentlich saubere Umwelt als es vor 50 Jahren war. Aber darum ist die WetterPanik heute eher für die gedacht die es nicht anders kennen und Luft konsumieren (geistig und finanziell)

  15. 10.

    Nö, in meiner Jugend wurden (70/80er) im Osten keine Jugendlichen permanent mit Messer bedroht, verletzt und die gehörte nicht zu den Utensilien die man mit sich rumtragen wollte. Und wenn jemand am Boden lag wurde nicht weiter auf das Opfer eingetreten. Heute kommt mehr Dummheit dazu

  16. 8.

    Es gibt doch tatsächlich Menschen, die sich Sorgen um ihre Kindern und Enkelkindern machen, bevor man in die Grube fährt. Man nennt es auch Empathie oder Mitgefühl, aber Sie Dusselbart wissen wahrscheinlich nicht, wovon ich rede.

  17. 7.

    In wie fern ist jemand gewalttätig der nur rumsitzt? Das ist doch friedlicher Protest.
    Der stört und nervt sicherlich aber gewalttätig haben sich da eher einige Autofahrer gezeigt.
    Den Bohei der von Frau Slowik und Frau Gasser darum gemacht wird hätte ich mir bei den rechten Corona-"Spaziergängern" gewünscht.
    Auch wenn ich das verbal aggressive Auftreten der "Kleber" nicht mag ist ihr Anliegen (überleben) absolut gerechtfertigt.
    Als Alternative steht der ÖPNV zur Verfügung. Den habe ich auch dann genutzt als ich im Randbezirk gewohnt habe.

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