Jagdgesetz in Brandenburg - Viele kleine Maßnahmen - kein großer Wurf

Di 04.07.23 | 22:33 Uhr | Von Markus Woller
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Dunkle Wolken ziehen zum Sonnenuntergang über die Landschaft mit einem Jagdhochsitz. (Quelle: dpa/Patrick Pleul)
Audio: rbb24 Inforadio | 05.07.2023 | O-Ton Axel Vogel | Bild: dpa/Patrick Pleul

Im dritten Anlauf hat Brandenburgs Umweltminister doch noch einen verabschiedungswürdigen Entwurf für ein Jagdgesetz vorgelegt. Zermahlen von Lobby-Interessen ist der große Wurf ausgeblieben. Eine Analyse von Markus Woller

Politik ist die Kunst des Machbaren – ein Zitat, das vielen Politikern zugeschrieben wird. Für Brandenburgs Umwelt- und Forstminister Axel Vogel (Grüne) scheint das zum Leitmotiv seiner ausgehenden Amtszeit zu werden. Zweimal hat er es in der Legislaturperiode mit einem Vollgesetz zur Jagd versucht – schlanker, bürokratieärmer, klarer auf den klimafreundlichen Waldumbau ausgerichtet. Zweimal ist er am enormen Widerstand der Lobbyverbände und seiner Koalitionspartner gescheitert.

Nun also: Die Kunst des Machbaren: Eine deutlich kleinere Novelle, vorher abgestimmt mit allen relevanten Playern. Jeder habe eine Kröte schlucken müssen, heißt es. Das Umweltministerium und Umweltverbände mussten hinnehmen, dass kleine Waldbesitzer weiterhin nur eingeschränkt Einfluss auf die Jagd in ihren Arealen nehmen können. Jäger müssen andererseits dafür geradestehen, wenn der Verbiss von Jungbäumen durch Rehe überhandnimmt. Außerdem sollen nun auch Forstbetriebsgemeinschaften das Jagdrecht ausüben dürfen.

Verband machte mobil gegen Gesetzentwurf

Darüber hinaus sollen Jagdzeiten angepasst werden, eine jährliche Schießübung für Jäger etabliert, Abschussplanzeiten verändert werden – viele kleine Maßnahmen. Kein großer Wurf.

Welcher Seite der Kompromiss besser schmeckt, dürfte spätestens klar sein, wenn man auf die ersten Reaktionen blickt. Der Landesjagdverband feiert die eingedampfte Novelle gar als Sieg für die Demokratie. Seit der erste Entwurf eines neuen Brandenburger Jagdgesetzes geleakt wurde, hat der Verband mit allem mobil gemacht, was er zur Verfügung hatte. Das Beschneiden des Einflusses von Jagdgenossenschaften, die Eigenjagd auf kleinen Parzellen. Für die Jäger galt es, einen bundesweiten Präzedenzfall zu verhindern. Die Mitglieder des Jagdverbandes sprachen in Massen bei Landtagsabgeordneten vor, eigene Gutachten wurden erstellt, eine bundesweite Kampagne gegen das Gesetz gefahren. Es hilft zudem offenbar, wenn der Ministerpräsident selbst Jäger ist.

Grüne Liga spricht von "homöopathischem" Kompromiss

Die Umweltverbände auf der anderen Seite beklagen, was alles nicht geschafft wurde. Die Grüne Liga sieht maximal punktuelle Verbesserungen. Der Umgang mit Dam- und Rotwild sei mit dem Kompromiss "homöopathisch". Der BUND sieht gar die wichtigste Klimaanpassungsmaßnahme in Brandenburg, den Waldumbau, durch eine Besitzstandswahrer-Front aus Jägern und SPD in Gefahr. Der Umweltminister habe erreicht, was unter diesen Bedingungen zu erreichen war.

Für Axel Vogel ist es schon der zweite spektakuläre Formelkompromiss binnen einer Woche. Auch die Einigung mit den Bauern beim Moorschutz auf eine Halbvernässung war geprägt durch Pragmatismus. Die Bauern wollten die von ihnen beackerten Moore nicht komplett vernässen, der Umweltminister hätte ohnehin nicht erklären können, wo das Wasser und das Geld für die Entschädigungen herkommen soll. Schon stand der Kompromiss.

Vogel setzt auf Pragmatismus

Ein Jahr vor der nächsten Landtagswahl hat Axel Vogel offenbar seine Strategie gefunden: Dort wo es mit der "Mit dem Kopf durch die Wand"-Attitüde nicht geklappt hat, werden nun die Alternativen ausgelotet. Am Ende könnte er dafür eine ordentliche Bilanz vorweisen: Forstreform, Jagdreform, die erste Klimaanpassungsstrategie des Landes.

Was aber heißt der neue Pragmatismus nun für die letzten große Gesetzesvorhaben der Legislatur, das Agrarstrukturgesetz, das Waldgesetz und den Klimaplan? Auf jeden Fall scheint die Zeit für Lobbyisten jetzt günstig. Denn nicht nur der Minister weiß: Politik am Ende der Legislaturperiode ist die Kunst des Machbaren.

Sendung: rbb24 Inforadio, 05.07.2023, 01:00 Uhr

Beitrag von Markus Woller

6 Kommentare

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  1. 6.

    „Zermahlen von Lobbyinteressen“ - von Seiten der Jäger wohl eher nicht. Die Lobby sitzt hier auf der anderen Seite. Verbiss durch Rehwild macht die jungen Bäume nicht kaputt, die wachsen weiter und binden kaum weniger CO2. Man bekommt dann nur keinen kerzengerade wachsenden Baum der später viel Geld bringt. Hier geht es um ökonomische Interessen aber nicht um Umweltschutz. Verbiss kann man auch ohne Totalabschuss des Schalenwildes verhindern aber das mindert die Gewinne. Die neue Wildschadensregelung wird dafür sorgen, dass es sich viele einheimische Jäger nicht mehr leisten können, Wald zu pachten. 75ha gab es vorher schon im Ermessen der Jagdbehörden. Und zu denen die meinen, Isegrimm könnte irgendwie dazu beitragen - Denkfehler. Der sorgt dafür das das Schalenwild immer mehr in die Dickungen geht und da auch bleibt und frisst. Dahin wo die jungen Bäume wachsen und keine Jagd möglich ist.
    Das aktuelle Landesjagdgesetz ist gut und bewährt. Ich hoffe das der Entwurf wieder scheitert.

  2. 5.

    Ihr Beitrag klingt wie von der "gescholtenen Jägerlobby".
    Wer will schon alles Wild abschießen? Gehen Spaziergänger nur in 10 ha Gebiete spazieren und wer schützt sie in größeren Wäldern? Inwiefern schützt das Gesetz etwas am Waldumbau, wenn gerade schlimmere Strafen für Jäger beschlossen werden bei Wildverbiss und die Tiere nicht im Jagdgebiet wohnen?
    Den Vorwurf ein ökonomisches Jagdgesetz gemacht zu haben und kein Ökologisches muss sich Brandenburg gefallen lassen gerade in Zeiten des Wassermangels, Klimawandels und Artensterbens.

  3. 4.

    Wie immer wenn der Mensch eingreift in die Natur. Erst werden die natürlich Feinde wie z.b Wölfe platt gemacht und dann beschwert man sich dass es zu viel Rehe im Wald gibt.

  4. 3.

    Das mit den Rehen und dem Verbiss verstehe ich auch nach Jahren noch nicht. Würde die Natur das ernsthaft ohne Jäger nicht hinkriegen? Wie sind dann früher all die Wälder gewachsen, die es einmal gab?

  5. 2.

    Die neuen Jagdzeiten bis zum 31.01. verstoßen massiv gegen geltende Tierschutzgesetze, das scheint die GRÜNE LIGA aber nicht zu stöten! Hauptsache die Ideologie bleibt unangetastet.

  6. 1.

    Na das ist ja mal wieder einseitig betrachtet. Gegen die Lobby kam her Vogel also nicht an? Oder eher nicht gegen Jäger, die den Totalabschuss vom Rehwild blockieren! Für die Tierwelt wäre das Gesetz ein Albtraum gewesen! Der Wald kann auch mit Wild geschützt und aufgeforstet werden. Zusammen eben. Und die Gefahr von Minireviere á 10ha erwähnt auch niemand in dem Text. Es gibt immerhin auch noch Spaziergänger im Wald. Wenn jeder auf 10ha schießen darf, ist das einfach unüberlegt und auch nicht zukunftsorientiert.

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