Nach Cannabis-Legalisierung - Autofahrer sollen mehr THC im Körper haben dürfen

Fr 07.06.24 | 09:05 Uhr
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Symbolbild: Ein Mann sitzt mit einem Joint zwischen den Fingern am Steuer eines Autos. (Quelle: dpa/Karl-Josef Hildenbrand)
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Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 06.06.2024 | Theresa Majerowitsch | Bild: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Mehr als eine winzige Menge THC im Körper kann im Straßenverkehr zu Punkten, Bußgeldern und Fahrverboten führen. Das Problem für Gelegenheitskiffer: Der Körper speichert THC lange. Darauf will der Bund nun reagieren.

  • Cannabis-Konsumenten können noch Tage nach einem Rausch THC im Körper haben
  • Die Bundesregierung will deshalb einen höheren THC-Grenzwert im Straßenverkehr einführen
  • Mischkonsum mit Alkohol soll dafür strenger geregelt werden
  • Unfallforscherin fordert THC-Schnelltests für Autofahrer

Bundestag beschließt Cannabis-Grenzwert im Straßenverkehr

Der Bundestag hat einen Grenzwert für Cannabis-Konsum im Straßenverkehr beschlossen. Das Parlamentsplenum nahm in der Nacht zum Freitag einen Gesetzentwurf der Ampel-Regierung an, der den Cannabis-Grenzwert auf 3,5 Nanogramm THC pro Milliliter im Blutserum festlegt. Bei erstmaliger Überschreitung droht eine Strafzahlung von 500 Euro sowie ein einmonatiges Fahrverbot. Zudem gilt nach dem Beschluss ein Alkoholverbot für Cannabis-Konsumenten.

Seit dem 1. April dürfen Erwachsene legal kiffen - für Autofahrer ist der Cannabis-Konsum aber selbst im nüchternen Zustand mit Risiken verbunden. Wer mit kleinsten Mengen THC im Blut in eine Kontrolle fährt, muss mit hohen Bußgeldern, Punkten in Flensburg und einem Fahrverbot rechnen. Dass das Autofahren kurz nach dem Kiffen verboten ist, dürfte allen klar sein. Weil der Cannabis-Wirkstoff THC aber noch lange nach dem Rausch im Blut nachweisbar ist, macht ein Joint Kiffende aus rechtlicher Sicht tagelang fahruntüchtig.

In der Rechtsprechung hat sich ein niedriger Wert von 1 Nanogramm je Milliliter Blut etabliert. Nun will die Bundesregierung per Gesetz einen höheren Grenzwert festlegen: Nur wer mit 3,5 Nanogramm oder mehr unterwegs ist, riskiert demnach in der Regel 500 Euro und einen Monat Fahrverbot. Über das Vorhaben könnte der Bundestag am Donnerstag bereits abstimmen.

"Verkehrssicherheitsrelevante Wirkung nicht fernliegend"

Die Bundesregierung hatte im Rahmen einer Expertenkommission zuvor wochenlang über den Grenzwert beraten. Die Empfehlung der wissenschaftlichen Experten [pdf] klingt ein wenig umständlich: Bei 3,5 Nanogramm THC sei "eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung" beim Autofahren "nicht fernliegend" - jedoch "deutlich unterhalb der Schwelle, ab der ein allgemeines Unfallrisiko beginnt". Die Beeinträchtigung entspreche in etwa der von 0,2 Promille Alkohol. Für die Kontrolle seien Speicheltests mit hoher Empfindlichkeit erforderlich.

Klar ist für die drogenpolitische Sprecherin der FDP im Bundestag, Kristine Lütke, dass eine Teilnahme am Straßenverkehr im aktiven Rauschzustand "nicht passieren sollte". Sie befürwortet eine 3,5er-Grenze, bestätigt aber den Einwand von Kritikern, dass der Abbau von Cannabis anders stattfinde als der Abbau von Alkohol.

Laut Lütke sind die Abbauprodukte von Cannabis noch lange nachweisbar. Sie verweist darauf, dass "Gelegenheitskonsumenten" etwa mehrere Tage nach einem Konsum bei einer Verkehrskontrolle in die Bredouille kommen könnte, sollte der 1-Nanogramm-Wert weiter gelten. Lütke würde sich gar noch einen Grenzwert etwas über 3,5 wünschen.

Kiffen mit unklarer "Dosis-Wirkungs-Beziehung"

Der ADAC hält den 3,5er-Grenzwert ebenfalls für plausibel. "Es gibt bisher keine Anhaltspunkte, dass die Interessen der Verkehrssicherheit dadurch beeinträchtigt werden", heißt es in der Stellungnahme. Wichtig sei aber, keinen falschen Eindruck zu vermitteln. Knackpunkt ist die sogenannte Dosis-Wirkungs-Beziehung, die es beim Alkoholtrinken, nicht aber beim Kiffen gibt.

Mit anderen Worten, Trinkende können nachvollziehen, wie stark ihr Getränk ist und welche Menge davon sie voraussichtlich fahruntüchtig machen wird. Beim Kiffen lässt sich das im Voraus schlechter abschätzen, auch weil der genaue THC-Gehalt in Cannabis-Produkten oft nicht ersichtlich ist und von Konsumierenden unterschiedlich schnell abgebaut wird. "Es besteht nicht die Möglichkeit, sich an einen Grenzwert 'heranzukiffen'", schreibt der ADAC. Daher gelte unmissverständlich: "Wer fährt, kifft nicht!"

Die Deutsche Polizeigewerkschaft warnte, der vorgesehene THC-Grenzwert sei ein Schritt in die falsche Richtung. Der aktuelle Grenzwert von 1 Nanogramm sei maßvoll und hoch valide. "Zur Erhöhung der Verkehrssicherheit wäre vielmehr eine Anpassung der Alkoholgrenzwerte erforderlich gewesen."

Verkehrspolizei-Votum: Legalisierung kann zu Anstieg der Getöteten führen

Um riskanten "Mischkonsum" strenger zu ahnden, soll bei Cannabiskonsum ein Alkoholverbot kommen - und ein höheres Bußgeld von 1.000 Euro. Außerdem soll in der Probezeit nach dem Führerscheinerwerb und für unter 21-Jährige wie bei Alkohol ein Cannabis-Verbot gelten. Sanktion: in der Regel ein Punkt und 250 Euro.

In einem verkehrspolizeilichen Votum [pdf] für die Expertengruppe der Bundesregierung zum THC-Grenzwert heißt es, es bleibe zu erwarten, "dass neben einer zukünftig generell erhöhten Anzahl an cannabisbeeinflussten Verkehrsteilnehmer auch die Anzahl an mischintoxikierten Verkehrsteilnehmern steigen wird". Der sogenannte Mischkonsum sei auch in kleinen Mengen in der Wechselwirkung unberechenbar. "Daher wird ausdrücklich begrüßt, dass ein bedingungsloses Verbot für Mischkonsum von Cannabis und Alkohol empfohlen wird." Gleichzeitig plädieren die Autor:innen für ein grundsätzliches THC-Verbot im Straßenverkehr: "Eine Legalisierung kann [...] wie in Auswertungen aus Colorado Oregon, Alaska und Washington konstatiert, gleichwohl zu einem Anstieg der Getöteten bei einem Verkehrsunfall führen."

GDV fordert Anpassung in Puncto Mischkonsum

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) mahnt mit Blick auf möglichen Mischkonsum eine Planänderung an. Denn der derzeitige Entwurf der Regierung ermöglichte es, weiter bis zu 0,5 Promille Alkohol und bis zu 3,5 Nanogramm THC im Blut zu haben. Sobald Alkohol getrunken werde, müsse aber eine Null-Toleranz-Grenze für Cannabis gelten - und umgekehrt.

Kris­tin Zeid­ler, Lei­te­rin Unfall­for­schung der Ver­si­che­rer (UDV), erklärte im Gespräch mit rbb|24, es sei erwiesen, dass Mischkonsum auch in kleinen Mengen dann noch eine verkehrsbeeinträchtigende Wirkung haben könne, wenn der THC-Rausch vorüber sei. Deshalb sie es wichtig, den Passus im Gesetzentwurf noch einmal anzupassen.

Zeidler sprach sich dafür aus, die Einhaltung des THC-Grenzwerts bei Verkehrsteilnehmern auch tatsächlich gut zu kontrollieren. Kontrollmöglichkeiten seien allerdings nicht nur für die Sicherheitsbehörden sinnvoll, sondern auch für Konsumierende. "Es muss hochsensitive Speicheltests geben, an denen die Konsumierenden erkennen können, ob sie sich hinters Steuer setzen dürfen." Zudem sei eine breitere Aufklärung der Bevölkerung über mögliche Risiken des Cannabis-Konsums vor dem Führen von Fahrzeugen notwendig. "Viele wissen nicht, welche Auswirkungen THC auch längere Zeit nach dem Konsum noch immer auf die Fahrtüchtigkeit haben kann", sagte Zeidler. "Da muss die Politik dringend für mehr Aufklärung sorgen."

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 06.06.2024, 19:40 Uhr

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68 Kommentare

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  1. 68.

    man konnte doch aber auch schon immer sein Bürgergeld versaufen - warum diese Ablehnung von Gras? Arbeiten Sie für Beck's ? =;-)

  2. 67.

    gekifft wird seit tausenden Jahren. Entweder 0,0 für alles oder halt einen "vernünftigen" Grenzwert wie Alkohol. Ist wohl einfach eine Abwägung wie das Tempolimit. Mir persönlich würde 0,0% für alles gefallen. In Polen wird Dein Auto Verkauft wenn Du betrunken erwischt wirst, die beste Strafe!

  3. 66.

    Die größten Kiffer sitzen wohl in der Politik , bei den idiotischsten Ideen was die wollen.

  4. 65.

    Wird Deutschland jetzt zum Takatukaland oder sind wir schon da. Vieles geht den Bach runter aber wir können uns das jetzt völlig legal Schönkiffen. Das wird dann sicher auch bald ins Bürgergeld eingepreist. Danke Karl, danke Hubertus.

  5. 63.

    Da versucht die Menschheit seit 2020 monatelang mit unsinnigsten Maßnahmen nicht an einem Virus zu erkranken und dann ist es plötzlich okay, bekifft beim Fahren und damit eine Gefahr für sich und andere zu sein. Muss man nicht verstehen.

  6. 61.

    >"THC ist der Wirkstoff und nicht die Langzeitwirkung."
    Wenn ein körperfremder Wirkstoff im Körper ist, hat er immer eine Wirkung. Auf lange Zeit eben, weil er lange Zeit noch im Körper ist und damit auch auf Organe und Nerven einwirkt.
    >"Und welche Langzeitwirkung meinen Sie überhaupt?"
    Ich bin kein Mediziner. Ich weiß aber sicher, dass z.B. Wirkstoffe von wichtigen Medikamenten eben als Langzeitwirkung auf Organe oder Nerven einwirken. THC ist auch ein solcher Wirkstoff, der in der Midizin kontrolliert genutzt wird. Weil dieser eben eine Langzeitwirkung vor allem auf bestimmte Nervenrezeptoren hat.
    Meine Mutter bekam in ihren letzten Lebensjahren THC-Pflaster alle 3 Tage verordnet und ja es half zum allgemeinen Wohlbefinden ohne große Nebenwirkungen. Aber es vom Arzt immer kontrolliert mit alle 3 Monate Blutbild usw.
    Ungeachtet davon: Im Straßenverkehr haben nerven- und reaktiosbeeinflussende Wirkstoffe nichts zu suchen.

  7. 60.

    Wer sich berauschen will, soll das tun. Warum ich aber hinnehmen soll, das mich u.U. ein berauschter Fahrer gefährdet und dann ggf. auch noch vermindert schuldfähig ist, erschließt sich mir nicht. Wer unter Drogen steht, sollte nicht selbst fahren dürfen. Ich habe dafür kein Verständnis.

  8. 58.

    Dann hat die Politik offenbar eines der dringendsten Probleme gelöst.
    Wobei ich zugeben muß, daß ich mehr Polizeipräsenz in problematischen Vierteln wichtiger gefunden hätte.

  9. 57.

    Falsch, die Justiz hat den Grenzwert deshalb so niedrig festgelegt, weil bei einer Überschreitung Rauschbedingte Beeinträchtigungen der Fahrtüchtigkeit zu befürchten sind. Und die Cannabislobby sind die einflußreichen Kreise, die um jeden Preis unter Ignorierung jedweder Bedenken die Cannabislegalisierung durchs Parlament gepeitscht haben.

  10. 56.

    >"Die Politik muss nicht aufklären sonder verbieten. "
    Die Politik mit der seit Jahrzehnten bekannten Straßenverkehrsordnung verbietet doch schon zum Schutz aller Verkehrsteilnehmer das Fahren unter allen möglichen Rauschmitteln und Medikamenten. Die entsprechenden Maximal-Restmengen sind auch gesetztlich festgelegt. Für THC-Restmengen wird noch gefeilscht.
    Gesetzlich ist Fahren im Straßenverkehr unter Rausch verboten.
    Und ja... Aufklärung über potenzielle Drogen tut immer Not. Egal ob Straßenverkehr oder Alltagsleben.

  11. 54.

    „ Die Politik muss nicht aufklären sonder verbieten.“
    Also so wie es bisher war und deshalb gab es keine Unfälle ?

  12. 53.

    00:14min - E-Roller aufm Gehweg is aber auch so ne Sache mit Blick auf den Bußgeldkatalog ;) Vlt. das nächste Mal nicht für den Beitrag den Interviewten vor laufender Kamera zu einer Ordnungswidrigkeit nötigen...

  13. 51.

    THC ist der Wirkstoff und nicht die Langzeitwirkung. Und welche Langzeitwirkung meinen Sie überhaupt? Dass die Abbauprodukte von Cannabis länger im Körper nachweisbar sind als die vom Alkohol, ist für die Wirkung völlig irrelevant. Die Mär von Cannabis als Einstiegsdroge ist auch längst widerlegt. Die Einstiegsdroge Nummer Eins ist übrigens ganz klar Alkohol. Und das eigentlich schlimme ist, dass ich Ihnen das alles schon vor Wochen in einem anderen Thread mitgeteilt habe. Wieso sind Sie denn so überhaupt nicht empfänglich für Sachargumente? Liegt das am Alkohol?

  14. 50.

    Wenn bisher jemand im Straßenverkehr auf Cannabis/Drogen kontrolliert wurde, warum denn? Eben weil er auffällig war! Die vorhandenen Tests haben ab 1 Ng angeschlagen und ab den Wert wurde man dann bestraft/verurteilt. Wenn man bereits ab 1 Ng so auffällig war, dass man kontrolliert wurde, warum soll dann der Wert - egal welche Beteuerungen/Studien/Vergleiche angeführt werden - erhöht werden?

    Klar soll und kann jeder Kiffen. Aber dann unbeeinflusst bitte am Straßenverkehr teilnehmen.

  15. 49.

    Bei langfristigen übermäßigem Alkoholkonsum kann es zu Schizophrenie kommen, nicht beim Kiffen. Dort können aber durchaus Depressionen, die Folge sein, da in den Serotoninhaushalt eingegriffen wird.
    Das mit dem Verstand ist auch der Alkohol, nennt man Alkoholdemenz und kommt nicht vom Kiffen.
    Im Straßenverkehr sollte generell 0,0 gelten und nicht nur für Autofahrer.

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