Investoren in der Bundesliga - Sind Unions Werte (un)verkäuflich?
Dass Vereinspräsident Dirk Zingler für Investoren in der DFL gekämpft hat, hat viele Unioner verärgert. Dabei passt die Konstruktion des Deals zu Unions Umgang mit Investitionen. Die Diskussion über die gemeinsamen Werte des Vereins wird sich fortsetzen. Von Till Oppermann
"Man soll die Feste feiern, wie sie fallen", das wusste der Schlagersänger Chris Roberts schon in den 1970er-Jahren. Beim 1. FC Union fallen die Feste in den letzten Jahren in der Regel in den späten Mai: Seit fünf Saisons gelingt es den Köpenickern, jeweils am Ende des Jahres einen neuen Meilenstein zu erreichen.
In diesem Jahr war es die Qualifikation zur Champions League als Krönung der punktbesten Saison der Vereinsgeschichte. Nach dem 1:0-Heimsieg wurde in Köpenick getanzt, bis es wieder hell wurde. Präsident Dirk Zingler: "Wir haben uns entschieden, dass wir den ganzen Verein einladen - alle Mitarbeiter mit Familie und Freunden - und haben in der Nacht eine große Vereinsparty gemacht."
Für ihn ist dieses Fest am Ende der Saison genau richtig gefallen. Denn in den kommenden Wochen und Monaten wird er versuchen, einen Graben in der Union-Familie zu überwinden, den er selbst mit geschaufelt hat. Denn in Köpenick geht es derzeit um mehr als nur Fußball: Der 1. FC Union diskutiert über die Werte des Vereins.
Was ist der Konflikt?
Dirk Zingler gehörte zu den Vereinsbossen im deutschen Fußball, die den Plan der Deutschen Fußball-Liga (DFL), Anteile an den künftigen Erlösen der Auslandsvermarktung der Bundesliga an einen Private-Equity-Investor zu verkaufen, am vehementesten auch öffentlich unterstützten. Zwei Milliarden Euro wollte die Liga für 12,5 Prozent der Erlöse im Ausland über 20 Jahre bekommen. Das Geld sollte nach der Fernsehtabelle unter den 36 Profivereinen verteilt werden.
Dieser Plan ist gescheitert, aber Zinglers Rolle dabei wird unter Fans und Mitgliedern heiß diskutiert. Denn noch vor wenigen Jahren forderte der Präsident in seinem Positionspapier zur Zukunft des deutschen Fußballs die Abschaffung dieser Art der Geldverteilung. "Die derzeitige Verteilung der Erlöse aus der Zentralverwertung verfestige den Status Quo der sportlichen Leistungsfähigkeit der Vereine und verhindere besseren Wettbewerb", so Zingler damals.
Viele Unioner sahen das ähnlich. Und nun stimmt ihr Präsident für weitere zwei Milliarden Euro, um den Status Quo einer Liga zu erhalten, die seit elf Saisons den selben Meister kürt? Dabei ist ihr Klub nach ihrem Selbstverständnis doch eine der letzten Bastionen des "echten Fußballs": ein eingetragener Verein zu 100 Prozent unter Kontrolle der Fans, die am Spieltag im Stadion stehen, wo es nur um Fußball geht. Ein ursprüngliches Stadionerlebnis ganz ohne Kiss-Cam und Werbejingles, um die Zahl der Eckbälle zu präsentieren, aber dafür singen alle vor dem Spiel "wer lässt sich nicht vom Westen kaufen".
Was schreibt Zingler?
Kein Wunder, dass sich in den vergangenen Wochen in der Alten Försterei der Protest gegen den geplanten DFL-Deal regte. Vor dem Spiel gegen Freiburg präsentierte die aktive Fanszene auf der Waldseite zahlreiche kritische Spruchbänder. Manche richteten sich direkt gegen Zingler: "Wenn Prinzipientreue vom Nutzen abhängt, sind es keine Prinzipien", warf man ihm vor.
Der Angesprochene fühlt sich missverstanden. "Investoreneinstieg bei der DFL" sei seiner Meinung nach eine inhaltlich unzureichende Beschreibung der Pläne. Vielmehr habe es sich um den Versuch gehandelt, mehr Geld für alle herauszuholen. Dass Zingler den Schlüssel, nach dem dieses Geld verteilt werden soll, vor fünf Jahren selbst noch abschaffen wollte? Kein Thema mehr. Kein Wunder: Mit dem sportlichen Erfolg sind die Eisernen in der Fernsehgeldtabelle zu Großverdienern geworden und stehen mittlerweile auf dem sechsten Platz weit vor Quotenbringern wie Mönchengladbach, Bremen, Schalke oder Hamburg.
Sowieso sei es bei der Abstimmung nicht um einen Vertragsabschluss gegangen, sondern lediglich darum, der DFL-Führung das Mandat zu erteilen, weiter mit Investoren zu verhandeln, schreibt Zingler. Eingriffe in den Spielplan, Einflussnahme auf das Stadionerlebnis am Spieltag oder sogar den Spielort seien rechtlich ausgeschlossene "rote Linien" gewesen. Zingler findet: "Deshalb ist ein Ja zu Investoren eben nicht automatisch ein Nein zu Fußball für Menschen." Union sei der beste Beweis dafür, dass es auf den Einsatz der Mittel ankommt.
Union setzt auf ein ähnliches Modell
Ganz widersprechen mag man ihm da nicht. Denn Unions heutiger Erfolg hängt teilweise mit einem ganz ähnlichen Deal zusammen. Als die Eisernen 2016 vom Luxemburger Investmentfonds Quattrex 6,3 Millionen Euro bekamen, verkauften sie ebenfalls Anteile an zukünftigen Medienerlösen. Der Deal war also eine Wette auf den eigenen Erfolg. Um sich zu entwickeln, müsse man investieren, sagte der Logistikunternehmer schon im April in einem Interview, in dem er gemeinsam mit BVB-Boss Aki Watzke für den Investoreneinstieg bei der DFL trommelte.
In diesem Kontext wird Zinglers Kampf für den Deal noch logischer: Denn einen gewissen Anteil des Geldes hätten die Vereine zweckgebunden in ihre Infrastruktur investieren müssen. In Zeiten, in denen Union neben der finanziellen Etablierung in der Bundesliga auch ein neues Nachwuchsleistungszentrum und den geplanten Stadionausbau finanzieren muss, wäre dieses Geld goldrichtig gekommen.
Hat Zingler sich verändert?
Ein Image als gallisches Dorf im deutschen Fußball, das einsam gegen die voranschreitende Kommerzialisierung einsteht, passt schon länger nicht mehr zu Union. Die Vereinsführung wagt den anspruchsvollen Spagat zwischen rasanter sportlicher Entwicklung und möglichst wenig Veränderung rund um das Stadionerlebnis beim 1. FC Union. Und die meisten Fans gehen den Weg des Vereins gerne mit, immerhin hat Zingler sie aus der Oberliga bis in die Champions League geführt.
Es ist insbesondere Unions Kommunikationspolitik, die auch im Fall der DFL-Investoren-Diskussion zu Verstimmung im Verein geführt hat. Auf ihrer Internetseite kritisieren die Ultras, "dass einige wenige Funktionäre im Hinterzimmer Entscheidungen treffen und Weichen stellen, die über Jahrzehnte hinaus uns alle als Fußballfans betreffen."
Hätte Zingler die Mitglieder früher über seine Beweggründe und die "roten Linien" informiert, hätte seine Position zum Deal womöglich mehr Verständnis gefunden. Sein Motto ist "Union first". Zwar werde man sich weiterhin für Unions Werte und Ideen vom Fußball einsetzen, "Voraussetzung dafür ist jedoch ein starker und unabhängiger 1. FC Union Berlin e.V.", so Zingler. Ob seine Werte und die der Mehrzahl der Mitglieder dieselben sind, wird in der Zukunft noch häufig diskutiert werden.
Sendung: rbb24 Abendschau, 28.05.2023, 19:30 Uhr