Unbefriedigendes 0:0 gegen Hansa Rostock - Hertha-Trainer Dardai fehlt der Plan B

So 05.11.23 | 17:48 Uhr
  12
Hertha-Trainer Pal Dardai (imago images/Michael Taeger)
Audio: rbb24 Inforadio | 5.11.2023 | Jakob Rüger | Bild: imago images/Michael Taeger

Hertha BSC verpasst gegen Hansa Rostock den Sprung auf Tabellenplatz sechs. Dass die Berliner nicht über ein Unentschieden hinauskamen, lag zum einen an einem gut eingestellten Gegner, aber auch an der fehlenden Initiative von Trainer Pal Dardai. Von Marc Schwitzky

Pal Dardai versteht sich noch als klassischer "Fußball-Lehrer", sein Fokus liegt klar auf der Ausbildung von Fußballspielern. Diesen Förderauftrag genoss unter der Woche auch Torhüter Tjark Ernst, der zusammen mit Trainer Dardai die Spieltags-Pressekonferenz bestritt.

Als die Medienrunde von Hertha beinahe vorbei war, riss Dardai die Leitung an sich und forderte lachend die Journalisten auf, Ernst "komische Fragen" zu stellen, deren Antworten schwerfallen. Schließlich sei der Torwart noch jung und müsse solche Situationen kennenlernen. Der 20-Jährige bekam anschließend die Frage gestellt, inwiefern ihn die Rückkehr von Marius Gersbeck und damit einhergehende Konkurrenzsituation beeinflussen würde. Ernst antworte kurz aber bestimmt.

Trainer Dardai schritt ein und gab Ernst direkt eine Medienschulung dazu, wie eine ausführlichere Antwort hätte aussehen können. Trainer und Schützling klatschten ein und lachten. Eine herrliche Szene, die das gute Verhältnis zwischen Dardai und Mannschaft unterstrich, aber auch zeigte: Pal Dardai hat oftmals eine sehr gute Antwort parat - auf und neben dem Platz.

Dardai findet die richtige Defensivkonstellation

Die große Frage für die Partie am Sonntagmittag gegen Hansa Rostock bestand darin, wie Hertha auf die Ausfälle von Marc Oliver Kempf und Kapitän Toni Leistner reagieren würde. Die beiden Routiniers bilden die Stamm-Innenverteidigung, fehlten jedoch beide gesperrt. Dardais Antwort: Marton Dardai rückte, wie schon im Pokalspiel gegen Mainz 05, nach hinten und bildete zusammen mit Rückkehrer Linus Gechter die Innenverteidigung. Pascal Klemens und Andreas Bouchalakis spielten davor auf der Doppelsechs.

Wie die eine Null im Endergebnis bereits andeutet: Auch hier fand Dardai die richtige Antwort. Die neue Defensivkonstellation aus unter anderem gleich drei jungen Eigengewächsen funktionierte. Über 90 Minuten ließ Hertha in Rostock kaum etwas zu, es gab nur zwei Schüsse direkt aufs eigene Tor, einmal musste Klemens mit einer herausragenden Rettungstat in letzter Sekunde klären. Ansonsten waren die Blau-Weißen stets auf der Höhe, sie lenkten die Hanseaten aufmerksam in die gewünschten Räume und zeigten sich resolut im Zweikampf.

Angesichts der völlig neuen Zusammenstellung und der kaum vorhandenen Erfahrung war es alles andere als selbstverständlich, dass Berlins Defensive so souverän agieren würde - auch gegen einen offensiv etwas harmlosen Gegner wie Rostock. Hier fand Trainer Dardai die richtige Mischung. Dass ausgerechnet die jungen Eigengewächse solch eine gute Partie machen würden, wird dem Talentförderer besonders gut schmecken.

Dardais größte Schwäche

Doch hier enden die positiven Eindrücke. Pal Dardai ist gut darin, einen Plan A zu entwickeln. So zuletzt gesehen beim Auswärtssieg auf Schalke oder aber auch beim beeindruckenden Pokalerfolg gegen Bundesligist Mainz. Der 47-Jährige hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder als echter Fuchs entpuppt, wenn es darum ging, dem Gegner durch besondere Maßnahmen ein Bein zu stellen. Dardai ist gut im Antworten - nur: Er braucht dafür Zeit. Auf einer Pressekonferenz wie auch während der Trainingswoche kann er auch mal überlegen - im Spiel jedoch kaum.

Und hier zeigt sich seine größte Schwäche. Abseits seiner klaren Prinzipien fällt es Dardai sehr schwer, spontan auf Spielverläufe zu reagieren. So ausgereift sein Plan A oftmals ist, so selten hat er einen Plan B zur Hand. Das 4-4-1-1 mit Florian Niederlechner im Zentrum griff zwar gegen Mainz 05 wunderbar, doch gegen Rostock - wo Hertha als Favorit auftrat - war es fehl am Platz. Hertha tat sich über beinahe die gesamte Spieldauer schwer, die sehr tief stehenden und aggressiv verteidigenden Rostocker zu knacken.

Altbekannte Probleme im Ballbesitz

Und so verrät die andere Null des 0:0-Endergebnisses: Hertha strahlte offensiv kaum Gefahr aus. Rostock nahm Mittelfeldregisseur Andreas Bouchalakis in Manndeckung, der sich aufgrund seines fehlenden Tempos nur selten daraus lösen konnte. Mittelfeldpartner Klemens stand qua seiner Natur als gelernter Innenverteidiger immer mal wieder zu tief und Niederlechner traf mit Ball deutlich zu viele falsche Entscheidungen. So ergab sich besonders im ersten Durchgang ein überaus zähes Spiel ohne große Höhepunkte.

Es waren die altbekannten Probleme: Seit den Ausfällen von Palko Dardai und Jeremy Dudziak fehlen Hertha Dynamik und Kreativität im Mittelfeldzentrum. Hansa verstand es gut, Tabakovic und Fabian Reese - Herthas offensive Lebensversicherung - durch ständiges Doppeln und viele Fouls aus dem Spiel zu nehmen. Das reichte, um der wenig dynamischen "alten Dame" den Offensivdruck zu nehmen. Da Herthas Zentrum unpassend besetzt ist, wird nicht konsequent genug nachgerückt - und so wird ein defensiv eingestellter Gegner nicht aus der Reserve gelockt.

Keine Chance für kreative Spieler

All das war bereits nach den ersten 45 Minuten ersichtlich und zog sich auch über weite Teile der zweiten Halbzeit. Nur zwischen der 55. und 65. Minute war Hertha deutlich zwingender, die Tor-Chancen entsprangen jedoch keinen klaren Mustern, sondern waren vielmehr Stückwerk. Ab der 70. Minute agierte Rostock gefährlicher. Das 0:0 war somit durchaus verdient. Hertha hatte zu wenig Dominanz ausgestrahlt und zu wenig klare Möglichkeiten erspielt, als dass ein Sieg Pflicht gewesen wäre. Es ist das Ergebnis, wenn die Effizienz - anders als noch in den letzten Wochen - über die eigentlich durchwachsene Leistung hinwegtäuscht.

Und Dardai? Ihm ist anzulasten, zu stoisch an seinem Plan A festgehalten und nicht flexibel auf den Spielverlauf reagiert zu haben. Die gravierenden Probleme im Mittelfeldzentrum wurden erneut nicht adressiert, sichtlich erschöpfte Spieler wie Reese gar nicht oder zu spät ausgewechselt. Es fühlte sich an, als ob Dardai die Phase ab der 70. Minute schlicht ungenutzt ließ. Der Ungar wechselte nur drei Mal, Spieler wie Bilal Hussein oder Michal Karbownik, die sich über Kreativität definieren, erhielten keine Chance.

Für ganz oben reicht es derzeit nicht

Womöglich war es Dardai wichtiger, am Ende einer kräftezehrenden Woche den Punkt mitzunehmen, als auf einen Sieg zu pokern. Und doch kitzelte er nicht alles aus den Möglichkeiten dieser Begegnung heraus. Die Mittel dazu wären vorhanden gewesen, auch wenn die personellen Ausfälle durchaus schwer wiegen.

Es ist diese stoische Art, mit der Dardai die Blau-Weißen nach einem disruptiven Sommer bemerkenswert stabilisiert und die Reihen geschlossen hat. Andererseits lässt ihn diese Art in gewissen Spielsituationen zu spät oder gar nicht reagieren. Hertha fällt unter Dardai selten unter ein gewisses Niveau, schwebt aber auch kaum darüber. So ergibt sich ein sehr kleines Leistungsintervall, das in seiner Beständigkeit in der noch jungen Saison womöglich gut tut, mit der Zeit aber zu einem Problem werden kann. Hertha war gegen Rostock weder schlecht noch gut, sondern solide. Derzeit reicht es mit dieser Herangehensweise jedenfalls nur für das Tabellenmittelfeld.

Damit Hertha am kommenden Wochenende gegen den Karlsruher SC den nun verpassten Sprung ins obere Tabellendrittel vollzieht, muss man hoffen, dass Pal Dardai den richtigen Plan A dabei hat.

Sendung: rbb24, 5.11.2023, 18 Uhr

12 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 12.

    "Dass ausgerechnet die jungen Eigengewächse solch eine gute Partie machen würden, wird dem Talentförderer besonders gut schmecken."
    Und das schmeckt uns Herthanern auch sehr gut.
    Ich bin immer stolz wenn ich sehe dass mit meinem Mitgliedsbeitrag auch etwas positives bewirkt wird.
    Weiter so...

  2. 11.

    Sind Sie sicher, den Bericht und die Kommentare erfasst zu haben? Sie verdrehen es nämlich. Der Bericht kritisiert Dardai und die Foristen stützen Dardai.

  3. 9.

    Der Kommentar beschreibt das Offensichtliche, weil notwendige

    Hätte Hertha dieses Spiel im Angesicht einer heiklen Personalsituation verloren, wäre die Ausgangslage kritisch. So bleibt eine Mannschaft, die offenkundig in der Lage ist, stabiler zu werden. Und genau das ist Dardais Aufgabe, nach den desaströsen Jahren. Er soll eine Stabilität in diesen Kader bringen. Dieser soll und muss sich entwickeln. Allen die hier klug kommentieren kann ich nur sagen: Ihr habt nie einen Mannschafts(Ball)-sport kennengelernt bzw. selber betrieben. Es braucht Zeit, bis die Komponenten dauerhaft erfolgreich sind. Plan A, B und C.... alles schön und gut. Unter dem Strich hat Hertha in den letzten drei Spielen 7 Punkte geholt und damit alles tutti. Aufstieg ist aus meiner Sicht ein Thema für die nächste Saison. Dardai macht das sehr gut. Er ist genau der Richtige. Und Fans und Kommentatoren dürfen auch mal dazu lernen... wieviele Trainer hatte Hertha noch in den letzten drei Jahre?

  4. 8.

    Herr Schwitzky überhöht die Möglichkeiten von der Mannschaft.

    Er selbst nennt die Ausfälle beim Namen, alle zusammen ergeben die halbe Mannschaft aus Stammspieler und trotzdem soll er mit einer dann noch nie zusammengestellten Truppe auf Sieg spielen. Unfug.

    Das Mannschaftsgefüge ist noch nicht stabil genug für solche Experimente. Wenn das nach hinten losgeht, braucht es wieder Wochen um da raus zu kommen. Den noch neuen Spielern solche Verantwortung zu geben ist in der Situation gefährlich. Hertha braucht bis zum Winter Ergebnisse und da kommt ein Unentschieden ganz recht.

    Es ist übrigens das Erste, ansonsten gab es nur Hop oder Flop...

    Ha Ho He

  5. 7.

    Was soll dieser Kommentar? Wir wissen doch, dass Dardai keineswegs davon ausgeht, dass diese Mannschaft aufsteigen wird. Und damit eine Mannschaft sich festigen kann, muss so ein Spiel mal nur nicht verloren werden. Deshalb war es für mich vollkommen richtig, hier nicht Harakiri zu spielen und damit etwa das wachsende Selbstvertrauen der Spieler wieder zu erschüttern durch eine Niederlage in den letzten Minuten, wie in der Abstiegssaison oft genug geschehen.
    Also bitte auf dem Boden bleiben!

  6. 6.

    "aber diese Mannschaft hat kein Potenzial für den Aufstieg."
    Soll sie ja auch noch gar nicht haben. Wie sagte Dardai am Anfang der Saison: (in etwa) "Der Aufstieg kann 3-4 Jahre dauern."
    Also für mich noch alles im Soll.
    Ansonsten stimme ich dir zu. Nur keine Panik verbreiten.

  7. 5.

    Da stimme ich dir voll zu! Vor einigen Wochen wurde nur auf Hertha 'eingeprügelt' wegen den verlorenen Spielen, da sollte man sich über die letzten Erfolge und auch ein Unentschieden gegen Hansa freuen können. Die Saison ist noch lang und wenn die erste Liga nicht 2024 klappt...dann eben später.

  8. 4.

    Immer schön den Ball flach halten. Der Sommer und die Finanzen bitte nicht vergessen und der Mannschaft plus Staff einfach mal machen lassen.
    Wer vom Aufstieg spricht sollte an einen Marathon denken. Das alles hier benötigt Zeit. Und Geduld. Und die Schwalbe "Mainz" macht noch keinen Sommer.
    Ha Ho He
    Der Spandauer

  9. 3.

    Ein gerechtes Ergebnis auf dem Platz.
    Ein paar wenige Hertha Fans mussten mal wieder zeigen was sie von Fairplay unter Fans halten, die dachten eine Pyroshow wäre ja mal angebracht um friedliche Fans zu gefähren.
    Diese Chaoten haben für mich in keinen Stadion was zu suchen.

  10. 2.

    Warum habe ich das Gefühl, daß jetzt wieder der nächste Trainer auseinander genommen werden soll.
    Mag sein, dass ein PlanB noch nicht möglich ist, weil die Mannschaft erst den PlanA verinnerlichen muss.
    Ich hoffe, dass der Vorstand und die Fans nicht auf die Schlagzeilengeilheit reinfällt und den Trainer in Ruhe arbeiten lässt.
    Für den Aufstieg wird es wohl noch nicht reichen. Aber um eine gute Zweitligamannschaft zu sein, allemal. Fordert nicht mehr...
    Eisernes HaHoHe

  11. 1.

    Wenn man bedenkt, mit was für finanziellen Mitteln Benny Weber diese Mannschaft zusammen stellte, empfinde ich schon als ein kleines Wunder, eine konkurrenzfähige Mannschaft haben. In der Analyse stimme ich dir zu, aber diese Mannschaft hat kein Potenzial für den Aufstieg. Solange wir nicht die 40 Punkte haben gucke ich eher nach unten, als nach oben. Trotz aller Defizite dieser Mannschaft macht sie spaß. Das ganze gequatsche vom Aufstiegskampf finde ich einfach absurd.

Nächster Artikel