Regionalliga Nordost der Frauen - Sechs besondere Geschichten aus der Regionalliga-Saison 2023/24
Am Wochenende ist eine unterhaltsame Saison in der Regionalliga Nordost der Frauen zu Ende gegangen. Für die Teams aus der Region gab es dabei große Erfolge, kleine Rückschläge, beeindruckende Zahlen, Premieren und Rekorde.
1. Mit Vollprofis zur perfekten Saison
22 Spiele, 22 Siege und ein Torverhältnis von 145:5 - diese unglaubliche Saisonbilanz hat das Frauen-Team des 1. FC Union Berlin in der abgelaufenen Spielzeit tatsächlich erreicht. Vom ersten Spieltag an dominierten die Köpenickerinnen die Regionalliga und zauberten eine perfekte Saison auf den Rasen.
Ganz unerwartet - wenn vielleicht auch nicht in dieser Deutlichkeit - war die Dominanz der "Eisernen Ladies" nicht. Denn der Klub machte sein Drittliga-Team vor der Saison zu einer reinen Profi-Mannschaft. Die Spielerinnen wurden zu Vollzeit-Fußballerinnen, verdienen mit dem Sport ihren Lebensunterhalt und können sich voll darauf fokussieren. Ein enormer Vorteil gegenüber den gegnerischen Vereinen, wie die Abschlusstabelle zeigt.
Noch ist die Saison jedoch nicht vergoldet, denn dem Traum von der 2. Bundesliga stehen noch die Aufstiegsduelle gegen den Champion der Regionalliga Nord im Wege. Am Sonntag empfangen die Berlinerinnen den SV Henstedt-Ulzburg zum Hinspiel im Stadion An der Alten Försterei. Dabei hoffen sie auf breite Unterstützung der Fans, eine vierstellige Anzahl an Tickets wurde bereits verkauft. Das Rückspiel im südlichen Schleswig-Holstein steht dann am 16. Juni an. Dort wird sich entscheiden, wie viel diese perfekte Spielzeit tatsächlich wert war.
2. Kick it like Lewandowski
Bei 145 geschossenen Toren ist natürlich auch völlig klar, dass im Angriff ein paar Knipserinnen am Werk sein müssen. Und das sind bei Union gleich drei. Das Trio aus Sarah Abu Sabbah, Dina Sophia Orschmann und Lisa Heiseler hat in der abgelaufenen Spielzeit gemeinsam 90 Tore erzielt.
Noch beeindruckender ist jedoch der Einzelwert von Abu Sabbah: Die 24-Jährige krönte sich mit 42 Treffern zur Torschützenkönigin. Das ist ein Tor mehr, als der Bundesliga-Rekord-Torschützenkönig Robert Lewandowski in der Saison 2020/21 für den FC Bayern München erzielte. Natürlich hinkt dieser Vergleich ein wenig und doch ist völlig klar, welch hohe Qualität Unions Stürmerin hat.
Kein Wunder, schließlich hat die junge Torjägerin vor ihrer Verpflichtung bereits jede Menge höherklassige Erfahrung gesammelt. Ihr Wechsel vom Bundesliga-Absteiger SV Meppen im vergangenen Sommer in die Regionalliga kam deshalb für viele auch ein wenig überraschend. Zuvor spielte sich bereits für Borussia Mönchengladbach und Bayer Leverkusen. Die gebürtige Düsseldorferin ist zudem Nationalspielerin Jordaniens. Nun ist sie mit dem 1. FC Union auf bestem Wege, schnell wieder oben mit dabei zu sein.
3. Ein Start-Up das (noch) nicht durchstartet
Große Aufstiegspläne gibt es in Lichterfelde bereits seit zwei Jahren. Im Juni 2022 hatte man gemeinsam mit prominenten Geldgeberinnen das Frauen-Team des FC Viktoria Berlin aus dem Gesamtverein ausgegliedert und eine Art Fußball-Start-Up geschaffen. Bis 2027 sollte es hoch in die 1. Bundesliga gehen.
Mit diesem Zeitplan wird es langsam eng, denn auch in diesem Jahr klappte es für Viktoria nicht mit dem Aufstieg. Mit der Vize-Meisterschaft ist Trainer Dennis Galleski trotzdem zufrieden: "In der Rückrunde haben wir nur einmal verloren und das gegen Union. Mit dieser Saison kann man also nur zufrieden und stolz auf das Team sein."
Tatsächlich litt Viktoria in dieser Saison einzig und allein unter der Dominanz der Köpenickerinnen. Denn auch die Himmelblauen haben insgesamt beeindruckende 19 Siege geholt und hatten in der Abschlusstabelle einen Vorsprung von 15 Zählern auf Rang drei. "Wir sind sehr dominant Vizemeister geworden. Und wer das dieses Jahr so dominant geschafft hat, der plant im nächsten natürlich den Aufstieg", sagt Galleski.
Dafür ist aber völlig klar, dass Union raus aus der Liga und den Weg an die Spitze wieder frei machen muss. In Lichterfelde heißt es jetzt also: Daumen drücken für die Aufstiegsspiele der Köpenickerinnen.
4. Blau-weiße Premiere
Eine Premiere gab es hingegen bei Hertha BSC. Im vergangenen Sommer hatte der Klub die Frauenfußballabteilung von Hertha 03 Zehlendorf übernommen und ließ zum ersten Mal ein Team unter eigener Flagge in der Regionalliga antreten. Gerade in der Hinrunde schlug sich dieses gar nicht schlecht und ging mit 21 Punkten auf Rang vier in die Winterpause. Danach fehlte es aber an Konstanz und die Leistung brach ein wenig ein. Am Ende reichte es nur für Platz sechs.
"Wir sind mit dem Ziel in die Saison gegangen, nichts mit dem Abstieg zu tun zu haben. Trotzdem war die Delle nach der Winterpause zu hoch. Aber wir haben am Ende mehr Siege als Niederlagen und eine positive Tordifferenz. Mit so einer jungen Mannschaft muss man da schon zufrieden sein", so das positive Fazit von Trainer Manuel Meister.
Zum Saisonabschluss spielten die ehemaligen Zehlendorferinnen noch einmal auf dem Ernst-Reuter-Sportfeld von Hertha 03. Der 10:0-Sieg gegen Berolina Mitte könnte dort ein Abschied für immer gewesen sein - ab der kommenden Saison soll das Team voraussichtlich für immer nach Westend auf das Gelände seines neuen Vereins Hertha BSC ziehen.
5. Rekordkulisse beim Derby
Durch den Einstieg von Hertha BSC im Frauenfußball kam es erstmals auch dort zu einem Stadtderby mit Union Berlin. Und das sorgte im April für einen Rekord: Zum Rückspiel zwischen den beiden Rivalen kamen 12.511 Zuschauer ins Stadion An der Alten Försterei - so viele, wie niemals zuvor in der Regionalliga Nordost.
Sportlich gesehen hatten - wie zuletzt auch bei den Männern - die Köpenickerinnen deutlich die Nase vorne. Das Hinspiel gewannen sie 6:1, das Rückspiel 5:0.
6. Ein Kiez-Klub im Haifischbecken
Auch für den SV Blau Weiß Berolina Mitte war diese Saison ein Schritt ins Neuland. Etwas unverhofft hatte "Bero" sich im letzten Sommer in der Relegation durchgesetzt und erstmals den Aufstieg in die Regionalliga geschafft. Dementsprechend waren aber auch die Voraussetzungen, unter denen der Kiez-Klub die Spielzeit antrat, völlig andere als bei den Stadtrivalen.
Der Torwart-Trainer schafft es berufsbedingt zwar meistens, aber nicht immer zum Training. Einen Athletik-Trainer und einen Physiotherapeuten hat Berolina zwar auch, mehr als entschädigt werden sie für ihre Arbeitszeit allerdings nicht. "Wir sind wahrscheinlich der einzige Verein in der Regionalliga, der immer noch komplett aus Ehrenamtlichen besteht," erklärte Trainer Oliver Thomaschewski vor der Saison. So bekämen auch seine Spielerinnen keinen Cent für Training und Spiele. Im Gegenteil: "Alle müssen ihre Fußballschuhe selbst kaufen und ihre Trikots zum Waschen mit nach Hause nehmen", sagte er.
Die Regionalliga wurde so zwar zum Abenteuer, war eben aber auch ein bisschen zu groß für Berolina. Auch ein Trainerwechsel Anfang April konnte daran nichts mehr ändern. Als abgeschlagener Tabellenletzter geht der Klub nun zurück in die Verbandsliga. Zumindest der einzige Saisonsieg gegen Dresden (3:2) dürfte vielen aber freudig im Gedächtnis bleiben.
Sendung: rbb24, 4.6.2024, 18 Uhr