American Football - Potsdams Quarterback Jaylon Henderson: der Beste in Europa?
Die Potsdam Royals zogen als absolutes Topteam in die Play Offs der German Football League ein. Starspieler der Royals ist Quarterback Jaylon Henderson, für viele der momentan kompletteste Footballspieler in ganz Europa. Von Fabian Friedmann
Die Dominanz hat einen Namen in der German Football League (GFL): Jaylon Henderson. Der Quarterback der Potsdam Royals stellt die nationale Konkurrenz völlig in den Schatten. In allen relevanten Statistiken der GFL liegt der 27-jährige Amerikaner an der Spitze: Er wirft 374 Yards pro Spiel, bringt 78,7 Prozent seiner Versuche an den Mitspieler und hat in dieser Saison bereits 72-Touchdown-Pässe geworfen – in nur 12 Spielen. Zum Vergleich: der Zweitplatzierte in dieser Statistik Allgäu Comets-Spielmacher Xeaiver Bullock kommt auf gerade mal 48 Pässe in die Endzone.
Beeindruckende Erfolgszahlen
"Natürlich hat er überragende Fähigkeiten. Ihn allein für den Erfolg verantwortlich zu machen, wäre aber ein bisschen einfach", sagt Royals-Trainer Michael Vogt. Sicher, American Football ist ein Sport, in dem der Teamgedanke eine große Rolle spielt. Ohne eine funktionierende Offensiv-Line, ausgestattet mit Tacklern, die den Quarterback beschützen, kann kein Spielmacher der Welt so viele erfolgreiche Pässe werfen.
Doch die Erfolgszahlen der Royals (12 Siege aus 12 Spielen in der GFL) und durchschnittlich über 60 erzielte Punkte pro Spiel sind sehr eng verbunden mit dem Namen Jaylon Henderson.
Die Aura des Spielführers
Henderson war das fehlende Puzzleteil für die Brandenburger. Aus einem guten GFL-Team hat er die Royals zu einem absoluten Meisterschafts-Favoriten gemacht. Aber was zeichnet Potsdams Starspieler genau aus? "Er ist unheimlich athletisch und hat eine besondere Armkraft. Jaylon kann den Ball unheimlich tief werfen", sagt sein Coach über die körperlichen Voraussetzungen seines Spielführers. 1,93 Meter Körpergröße bei 95 Kilo sind die Maße, die die Athletik des Jaylon Henderson unterstreichen und verdeutlichen, dass er nicht nur ein guter Werfer ist, sondern auch mit dem Ball schnell laufen kann. Die dann folgenden Tackles der Gegenspieler kann er dank seiner Masse gut wegstecken.
Hinzu kommt noch eine weitere Gabe. Henderson bringt ein Talent mit, was die guten von den sehr guten Quarterbacks unterscheidet: Intuition. Die Trainer geben zwar Spielzüge vor, aber im Spiel kann immer etwas Unvorhergesehenes passieren. Dann braucht es schnelle und vor allem richtige Entscheidungen – und die trifft Henderson. "Er kann leichte Veränderungen vornehmen, kann Defensivreihen gut lesen, ist intelligent und weiß, was er in entscheidenden Momenten machen muss", erklärt Michael Vogt. Henderson behält den Überblick, gerät auch unter Druck nie in Panik und strahlt dazu ein ungeheures Selbstbewusstsein aus.
Sein Trainer kommt da schnell ins Schwärmen: "Er schafft eine Aura des Spielführers, der eine Unverwundbarkeit ausstrahlt. Man sieht ihm quasi an, dass er ein Gewinner ist." Und diese Aura strahlt auf seine Nebenleute ab. Jaylon Henderson will von so viel Lob gar nichts wissen: "Ich versuche mir eine Underdog-Mentalität zu bewahren, weil mich genau das hungrig macht und mich anstachelt, zu dem besten Spieler zu werden, der ich sein kann."
Vom Finanzberater in den "Rice Bowl"
Die Karriere des Mannes aus Kingwood in Texas beginnt im College der Boise State Universität im US-Bundesstaat Idaho. Für das Team der Boise Broncos spielt er 2019 eine solide Saison. In neun Spielen erzielt er 1080 Yards für 14 Touchdowns. Doch für die große NFL kann er sich nicht empfehlen, denn Corona kommt ihm dazwischen. Die offizielle "NFL Scouting Combine", in der die College-Spieler vor NFL-Scouts ihre Können zeigen dürfen, fallen aus. Nur die Top-Spieler kommen in die Liga. "Ich hatte nie die Chance, vor einem NFL-Coach meine Würfe zu zeigen", sagt Henderson.
Also entscheidet er sich für einen anderen Weg. Zunächst arbeitet er eineinhalb Jahre als Finanzberater in Idaho. "Aber ich hatte das Gefühl, dass ich noch genügend Kraft im Tank hatte, um Football zu spielen", meint Henderson. Er zieht nach Las Vegas, um dort professionell "Arena Football" zu spielen. 2022 eröffnet sich ihm die Chance nach Japan zu gehen. Henderson spielt 2023 mit seinem Team Panasonic Impulse eine perfekte reguläre Saison ohne Niederlage, verliert aber mit seiner Mannschaft das Endspiel um den "Rice Bowl".
Das gute Netzwerk des David Saul
Dass ein Quarterback, der gerade noch am anderen Ende der Welt in Asien ein Finale verliert, kurze Zeit später von den Potsdam Royals verpflichtet wird, zeigt wie gut vernetzt man in der Welt des Footballs sein muss. Die Royals profitierten dabei vom Netzwerk ihres Tackle-Trainers David Saul, der weltweit die Augen nach guten Spielern offenhält: "Er hat mich immer wieder kontaktiert und nicht lockergelassen", sagt Henderson. Obwohl der Quarterback immer wieder beteuert, er wolle nicht in Europa Spielen, sondern zurück in die Staaten gehen, bleibt Saul an ihm dran. Irgendwann sagt er zu. Für Henderson eine sehr "lebensverändernde" Entscheidung, wie er heute sagt.
"Als es feststand, dass wir einen neuen Quarterback brauchen, haben wir eine Liste aufgestellt und Jaylon stand von Beginn an relativ weit oben", sagt sein Coach Michael Vogt über die Verpflichtung. Nach den ersten Gesprächen mit Henderson wurde den Verantwortlichen schnell klar: Es könnte passen.
Potsdam Royals: die Gejagten
Wie gut es passt, beweist Jaylon Henderson seit 2023 Woche für Woche in der GFL. Letztes Jahr holte man bereits die Meisterschaft, den "German Bowl". In diesem Jahr dominiert man die Liga noch deutlicher. Zwar dürfe das Team in den anstehenden Playoffs (Samstag um 16 Uhr Kick-off gegen die Allgäu Comets) keinen Gegner unterschätzen, betont Michael Vogt. Aber "wenn wir unsere Leistung abrufen, dann sind wir das Team, das man schlagen muss, um Meister zu werden." Wobei er hoffe, dass gerade die Schlüsselspieler möglichst verletzungsfrei durch die Spiele kommen.
Allen voran natürlich Jaylon Henderson. Das Football-Portal [Football Aktuell] bezeichnete den Royals-Quarterback zuletzt als den "komplettesten Football-Spieler in Europa". Eine Würdigung, die aus der Sicht seines Trainers absolut gerechtfertigt ist. "Er bringt wirklich alles mit und wäre auch in jedem ELF-Team der unangefochtene Leader." Aber, und das dürfe man laut Vogt auch nicht vergessen: "Wir sind auch ein sehr gutes Team. Er wirft ja nicht zu Leuten, die wir gerade am Straßenrand aufgelesen haben."
Zukunft von Henderson offen
Ob der Star-Quarterback auch nächste Saison noch das Trikot der Potsdam Royals trägt, ist ungewiss. Schon letztes Jahr gab es laut Vogt "Angebote en masse" für Henderson. Man müsse abwarten, was andere Teams auf den Tisch legen, um ihn aus Potsdam loszueisen. "Ich weiß, dass er sich in Potsdam mega wohl fühlt", bleibt Vogt optimistisch. Sogar ein Wechsel in die USA scheint möglich. In welche Liga, das könne man schwer vorhersagen.
Jaylon Henderson selbst hat den großen Traum der NFL noch nicht komplett begraben, wobei er realistisch bleiben möchte. "Ich weiß, wie das System funktioniert. Ich versuche, immer die beste Person zu sein, wo auch immer meine Füße mich hintragen. Und der Rest wird sich zeigen."
Sendung: rbb24, 21.09.2024, 21:45 Uhr