Protest gegen Umstrukturierung - Finsterwalde kämpft um sein Krankenhaus

Mi 16.08.23 | 11:57 Uhr
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Rund 2.000 Menschen demonstrieren am 15.08.2023 für den Erhalt des Krankenhauses in Finsterwalde. (Quelle: rbb)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 15.08.2023 | Philipp Manske | Bild: rbb

Erstmalig wird das Elbe-Elster-Klinikum in diesem Jahr Verlust einfahren. Der Landkreis plant eine umfassende Umstrukturierung. Die drei Standorte des Klinikums könnten massiv zurückgefahren werden. In Finsterwalde wurde nun protestiert. Von A. Kabisch, P. Manske und F. Ludwig

Mehr als 2.000 Menschen haben am Dienstagabend auf dem Finsterwalder Marktplatz für den Erhalt des Krankenhauses im Ort demonstriert. Friedlich, aber bestimmt äußerten sie ihren Unmut zu den aktuell kursierenden Plänen für das Elbe-Elster-Klinikum, zu dem auch der Standort Finsterwalde gehört. Und die haben es in sich.

Neun Millionen Euro Verlust bei halber Auslastung

Das Elbe-Elster-Klinikum mit Krankenhäusern in Herzberg, Elsterwerda und eben Finsterwalde hat enorme finanzielle Probleme. Etwa neun Millionen Euro Verlust wird das Klinikum in diesem Jahr einfahren, sagt Elbe-Elster-Landrat Christian Jaschinski, erstmalig in der Geschichte des Hauses. Der Landkreis ist Gesellschafter des Klinikums. Hinzu kommt die schlechte Auslastung - sie liegt laut Jaschinski auf alle Standorte gerechnet bei etwas über 50 Prozent. Vor der Corona-Pandemie lag sie noch bei 78 Prozent.

Während die Einnahmen sinken, steigen die Ausgaben, erklärt der Landrat. Da ist zum einen der Fachkräftemangel, es gibt zu wenig Ärzte. Teure Honorarkräfte müssen deshalb beschäftigt werden - die kosten deutlich mehr als regulär angestellte Ärzte. Energiekosten und Inflation machen dem Klinikum zusätzlich das Leben schwer, sagt Jaschinski.

Fest steht, es muss etwas passieren - das Elbe-Elster-Klinikum ist in seiner jetzigen Form nicht zu halten, erst recht nicht, wenn die Finanzierung durch die großangelegte Krankenhausreform des Bundes noch einmal auf neue Füße gestellt wird. Der Landkreis wirbt deshalb offensiv für sein Vorhaben, hat ganzseitige Anzeigen in regionalen Tageszeitungen geschaltet, um für Verständnis zu werben.

Neubau für Spezialversorgung

Der Landkreis hat gemeinsam mit einer Beraterfirma einen ambitionierten Plan entwickelt. Das Modell heißt "3+1" und sieht im Kern vor, die drei aktuellen Klinikum-Standorte zu ambulant-stationären Versorgungszentren umzubauen - die klassische Krankenhausversorgung also zurückzufahren und Fachabteilungen zu schließen. Gleichzeitig soll die Spezialversorgung durch einen Krankenhausneubau in zentraler Lage sichergestellt werden. Dem Vernehmen nach ist der für Doberlug-Kirchhain vorgesehen.

Ein neues Krankenhaus könnte Fachabteilungen bündeln, die es aktuell noch in allen drei Klinik-Standorten gibt. Dazu gehören Notaufnahmen, die Anästhesie, Radiologie oder auch die Intensivstationen. Diese Fachabteilungen an allen Standorten zu unterhalten, kann sich das Klinikum nicht mehr leisten.

Schlechtere Versorgung befürchtet

Durch die Krankenhausreform des Bundes könnten viele ländliche Krankenhäuser zu ambulant-stationären Gesundheitszentren umgebaut werden. Das Krankenhaus in Spremberg (Spree-Neiße) ist ein aktuelles Beispiel dafür. Auch hier ist die finanzielle Lage schlecht, die Umstrukturierung läuft. Proteste gibt es nicht.

Auch in den anderen beiden Elbe-Elster-Klinikum-Standorten Elsterwerda und Herzberg ist es ruhig - dabei hätten die Einwohner von dort sogar einen längeren Weg in das neue Spezialkrankenhaus in Doberlug-Kirchhain. Die Finsterwalder hingegen wollen die Pläne nicht akzeptieren.

Die Demo-Teilnehmer am Dienstag befürchten etwa, dass die Patientenversorgung durch die neuen Pläne schlechter wird, mindestens aber die Versorgung in den drei aktuellen Standorten. Schon jetzt werde nicht mehr in das Haus investiert, das sei ein Grund dafür, dass viele Ärzte gegangen seien, so eine Demonstrantin. Die Befürchtungen sind groß, dass die Häuser in Herzberg, Elsterwerda und Finsterwalde zukünftig noch mehr vernachlässigt werden.

Finanzierung noch völlig unklar

Zum Protest aufgerufen hatte auch der Bürgermeister von Finsterwalde, Jörg Gampe. Egal, ob das "3+1"-Konzept umgesetzt wird oder nicht, ihm sei bereits deutlich signalisiert worden, dass etwa die Notaufnahme in seiner Stadt geschlossen werden muss, um das ganze Klinikum zu retten. Gampe will das nicht akzeptieren.

Mit einer Unterschriftensammlung wollen die Demonstranten erreichen, dass sich der Kreistag noch einmal mit dem geplanten Umbau beschäftigt. Der Landkreis hält dagegen, dass sich die Patientenversorgung durch die Umstrukturierung verbessern würde. Das neue Krankenhaus soll den höchsten medizinischen Standards entsprechen.

Nach wie vor ist aber auch die Finanzierung des Neubaus nicht geklärt. Zuletzt hatte die BVB/Freie Wähler-Fraktion im Brandenburger Landtag eine kleine Anfrage an die Landesregierung gestellt. Die Beraterfirma, die das "3+1"-Konzept für den Landkreis aufgestellt hatte, sei davon ausgegangen, dass das Land den Neubau zu 100 Prozent finanziere.

Die Antwort der Landesregierung: Seit 2013 gibt es für die Krankenhäuser im Land eine jährliche Investitionspauschale, keine Einzelförderung mehr. Diese Pauschale reicht bei weitem nicht für den 150-Millionen-Euro-Bau. Das Land wird also nicht bezahlen.

Bis Ende des Jahres soll abschließend geklärt werden, ob es einen Neubau geben wird. Die Finsterwalder werden so lange weiter für ihren Krankenhausstandort kämpfen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 16.08.2023, 7:30 Uhr

11 Kommentare

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  1. 11.

    Wie "Krankenhausnutzer" es geschrieben hat, sehe ich es auch. Genau diese Erfahrungen spiegeln vermutlich auch wieder, warum es nur noch zu 50% Auslastung kommt: nämlich, weil sich die Patienten, wenn sie planen können (also geplanter Eingriff/Behandlung) schon selbst auf spezialisierte Einrichtungen schauen. Z.b. großes Tumorboard inklusiver neuester Behandlungsstrategien bei Krebs....wenn es ans eigene Leben und die Gesundheit geht, wird jeder dafür natürlich nur das Beste für sich wollen. Es fehlen auch in den EE-Krankenhäusern einfach die Fachärzte bestimmter Fachrichtungen und die dazugehörigen Behandlungen....deshalb "taugt" es einfach auch nur noch als Grundversorgung. Mehr nicht. Hinzukommen hausgemachte Probleme, die die Patientenmeinungen auch noch negativ stimmen....hier nenne ich nur mangelnde Kooperation mit schon behandelnden Fachärzten, Unfreundlichkeit oder das nicht ernst nehmen von Patienten. An letzteren Problemen hätte man arbeiten können.

  2. 10.

    Ich durfte dieses Jahr schon diverse Krankenhäuser testen.

    Im ersten Brandenburger Krankenhaus wurden 7! komplizierte Brüche übersehen, die sofort hätten operiert werden müssen. Gut, wurde 3 Wochen später vom Prof in der Spezialklinik gemacht. Wenn die mich in der "Dorfklinik" operiert hätten, wäre das wohl eher ungünstig gewesen. Am besten hätte man mich ins BG Unfallklinikum Berlin geflogen...

    Das andere mal wurde ich von einem EE Krankenhaus abgelehnt und kam deswegen doch noch zu meinem Hubschrauberflug in die Spezialklinik.

    Ein schlechtes Krankenhaus "um die Ecke" ist oft eher gefährlich, Qualität der Versorgung muss Vorrang vor Entfernung haben!

  3. 9.

    Schöne neue Welt, ich sehe es ja wie es läuft bei uns in Schwedt und Frankfurt Oder wurden die Abteilungen für HNO Operationen bei Kindern dicht gemacht, weil es sich nicht mehr rechnet so das aus mehren Landkreisen die Leute nach Eberswalde müssen, sogar aus Berlin. Es gibt aktuell Wartezeiten für eine "einfache" Mandel OP von über 6 Monaten. Tendenz steigend. Und das wird dann die Zukunft? Wenn jemand stirbt, weil man paar Euro gespart hat, sich aber die Entfernung oder Zeit verdoppelt bis der Patient im Krankenhaus angekommt, hat sich das "gelohnt" ein "zukünftiger Rentner weniger". Bei Schlaganfall und Herzinfakt zählt jede Sekunde. Aber Hauptsache man spart. Beim Bildungssystem klappt das ja auch super. Aber Hauptsache Canabis für alle.

  4. 8.

    Dit muss man sich mal auf der Zunge ergehen lassen:

    In dieser Stadt wohnen 17.861 Menschen und die politischen, neoliberalen Erbsenzähler wollen wegen 9 Millionen Verlust, was gleichbedeutend mit einem Betrag von 41 EUR im Monat bzw. 1,40 EUR am Tag für jeden dieser Einwohner (wobei das Einzugsgebiet noch größer und die Beträge tatsächlich noch geringer sind) das Krankenhaus, welches seit 1908 existiert, schließen?

  5. 7.

    In Finsterwalde wird protestiert, was bringt es allein für eine Region? Seit Jahren wird eine neue Krankenhausreform in Deutschland diskutiert. Bei dem Mammutprojekt der Reform 2023 die erst langfristig umgesetzt werden kann, nennt Herr Lauterbach eine Revolution für deutsche Krankenhäuser. Nicht rein den wirtschaftlichen Zielen folgen, sondern die Medizin soll wieder in den Vordergrund gebracht werden. Freie Rede. Wie das in der Zeit der Energiewende und hohen Kosten zustande kommen soll, bleibt ein Rätsel. Das Rädchen pauschal im Gesundheitswesen, dreht sich nicht zu Gunsten der Patienten.

  6. 6.

    Um die Krankenhäuser zu retten, sollte über einen Neubau in der Mitte der drei Städte nachgedacht werden. Quasi die drei Standorte an einem - neuen - gemeinsamen Standort zusammenführen. Das gesamte Personal an diesem einem Standort zentralisieren. Verbunden mit einer ausreichend großen Rettungswache und einem Heliport. Selbst habe ich solch eine Fusion im Landkreis Miesbach erlebt, als ich auswärts einige Jahre dort lebte und arbeitete. Mit dem Krankenhaus Agatharied wurden alle medizinischen, technischen und Catering-Mitarbeiter von ehemals drei eigenständigen Krankenhäusern zusammengeführt. Kein Mitarbeiter verlor seine Arbeit und mehr noch, durch die moderne Ausstattung als Schwerpunktkrankenhaus, gewann die Klinik neues Personal hinzu. Auch kamen neue Bereiche und die Zusammenarbeit mit anderen großen Kliniken, hinzu.

  7. 5.

    Das Problem ist aber, dass sich diese vielen Krankenhäuser gegenseitig die Patienten wegnehmen. Wären die Einzugsbereiche pro Krankenhaus größer, wäre auch die Auslastung höher. Natürlich braucht es Reserven, eine Auslastung von nahe 100% ist auch schlecht. Aber halbvolle Krankenhäuser kosten halt pro Patient deutlich mehr, als gut ausgelastete. Das muss letztlich von den Krankenversicherungen und damit aus den Beiträgen finanziert werden, teilweise extra noch mit Steuerzuschuss. Und selbst die Auslastung von 50% ist höchstwahrscheinlich noch geschönt, weil darunter Aufenthalte sind, die medizinisch gar nicht zwingend nötig gewesen wären. Unnötige orthopädische OPs oder einfach mal zur Beobachtung aufgenommen bringen dem Patienten nichts, kosten aber. Deutschland hat (mit) die meisten Krankenhaustage in der EU, ohne dass die Patientenversorgung wirklich besser wäre.
    Wie #3 bereits schrieb stehen aber Bürger und Lokalpolitiker sinnvollen Reformen immer wieder entgegen.

  8. 4.

    Wie schlimm wäre es, wenn zu 105% ausgelastet wäre. Ich drücke den Menschen in der Region die Daumen das es noch weniger wie 50% Auslastung werden. Schön das es dort so viele gesunde Bürger gibt.

  9. 3.

    Ja, das ist richtig. Dafür müssten die Menschen allerdings bereit sein, das System als Ganzes zu betrachten. Auf der anderen Seite werden Reformen verwässert und es wird demonstriert weil man ja bloß nicht das Kleinkrankenhaus im Ort verlieren möchte.
    Ein typischer Fall von "Wasch' mich, aber mach mich nicht nass".

  10. 2.

    Unterschriften für ein dauerhaftes 9 Mille Defizit? Da sind die Demonstranten schlecht beraten worden.

  11. 1.

    So bitter es klingt, aber Deutschland hat eine Krankenhausüberversorgung. Dadurch entstehen nicht nur hohe Kosten wegen unvollständiger Auslastung, es steigen auch die Kosten für die Krankenversicherungen und auch das Personalproblem kann nicht gelöst werden. Das Pflegepersonal müsste an zentralen Kliniken konzentriert werden, die dann auch besser ausgelastet sind. Das senkt auch den Quasi-Zwang zu unnötigen Behandlungen und Operationen, die derzeit notwendig sind, um bestehende Krankenhäuser überhaupt einigermaßen wirtschaftlich zu betreiben.
    Deutschland sollte hier dem Beispiel Dänemarks folgen. Weniger Kliniken, diese aber sowohl personell, als auch technisch hervorragend ausgestattet. Die längeren Fahrtwege sind zwar nervig, aber für die Versorgung und Sicherheit unproblematisch. Ein Patient, der die Fahrt nicht überlebt, wäre auch in der Notaufnahme leider verstorben. Nahe gelegene Kliniken erhöhen die Überlebenschance statistisch leider nicht.

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