Landgericht Cottbus - Prozess um getötete ägyptische Studentin wird neu aufgerollt

Di 07.11.23 | 15:36 Uhr
"Landgericht" steht über dem Eingang zum Gerichtsgebäude des Landgerichts Cottbus, aufgenommen am 23.06.2023. (Quelle: dpa/Frank Hammerschmidt)
Audio: Studio Cottbus | 07.11.2023 | Sebastian Schiller | Bild: dpa/Frank Hammerschmidt

Sechs Jahre nach dem Tod einer ägyptischen Studentin in Cottbus wird über den Fall neu verhandelt. In erster Instanz hatte ein Autofahrer eine Bewährungsstrafe wegen fahrlässiger Tötung bekommen - und dagegen Berufung eingelegt.

Vor dem Cottbuser Landgericht wird seit Dienstag ein Fall aus dem Jahr 2017 neu verhandelt. Damals war eine ägyptische Studentin an der Straßenbahnhaltestelle an der Cottbuser Stadthalle von einem Auto erfasst worden und kurz darauf an ihren Verletzungen verstorben. Der Fahrer des Autos war vom Cottbuser Amtsgericht drei Jahre nach der Tat schuldig gesprochen und zu einer Jugendstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt worden. Außerdem waren ihm 200 Sozialstunden beim Rettungsdienst auferlegt worden.

Gegen das Urteil der fahrlässigen Tötung hatte der Fahrer Berufung eingelegt. Ein Risiko geht er damit nicht ein. Weil nur der Angeklagte, nicht aber die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel eingelegt hatte, kann der Angeklagte nicht schwerer bestraft werden als im ersten Urteil.

Zeugen extra aus Ägypten eingeflogen

Anders als bei einer Revision muss bei einer Berufung der komplette Prozess wiederholt werden, inklusive Beweisaufnahme. 17 Zeugen sind für die Neuauflage insgesamt geladen worden. Drei Zeugen werden, wie auch schon im ersten Verfahren, eigens aus Ägypten eingeflogen. Zwei Sachverständige werden ihre Gutachten vorstellen. Vorerst sind sieben Verhandlungstage angesetzt.

Auch dieses Mal geht es um die Frage, ob der zum Tatzeitpunkt 20-jährige Fahrer schuld am Tod der Studentin ist. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm fahrlässige Tötung vor. Er soll zu schnell an der Haltestelle Stadthalle vorbeigefahren sein - statt mit den erlaubten 30 mit 50 Kilometern pro Stunde. Das Urteil in erster Instanz hatte erklärt, dass der Unfall auch mit einer geringeren Geschwindigkeit wohl nicht verhindert worden wäre. Die Studentin war aus einer Gruppe heraus plötzlich auf die Straße getreten. Ihre Verletzungen wären dann aber deutlich weniger schwer ausgefallen, sie hätte möglicherweise überlebt.

Eineinhalb Jahre länger wegen internationaler Gerichtshilfe

Die Verteidigung des Angeklagten erklärte am Dienstag auf rbb-Nachfrage, dass sich das damalige Urteil teilweise auf Schätzwerte gestützt hätte, auch deswegen sei das Urteil falsch gewesen. So seien beispielsweise weder das Gewicht, noch die Größe des Opfers ermittelt worden. Das sei aber wichtig bei der Frage, ob die Verletzungen auch dann zum Tode geführt hätten, wenn sein Mandant langsamer gefahren wäre.

Der Prozess sollte schon 2021 neu aufgerollt werden, sagte der Anwalt der Nebenklage Wolfgang Schönekerl dem rbb am Dienstag. Damals waren aber wichtige Zeugen aus der Unfallnacht nicht greifbar. Die Zeugen seien "europaweit verstreut" gewesen. Das habe sich bei der Ladung der Zeugen als großes Hindernis herausgestellt.

Das Gericht musste deshalb internationale Gerichtshilfe in Anspruch nehmen. Das habe noch einmal eineinhalb Jahre gedauert.

Beim ersten Urteil hatte das Gericht sogar über der Forderung der Staatsanwaltschaft gelegen. Und auch Schönekerl, als Vertreter der Gegenseite, erkennt an, dass das erste Urteil verhältnismäßig hart war. "Ein Jahr Freiheitsentzug auf Bewährung ist tatsächlich für einen unbestraften Ersttäter, noch dazu in dem Alter, eine aus deutschen Rechtsgesichtspunkten schon heftige Strafe gewesen", so Schönekerl.

Hinzu kommen die Gerichtskosten. Die waren dem Angeklagten schon im ersten Verfahren auferlegt worden. Sollte er erneut verurteilt werden, muss er die Kosten aus beiden Verfahren tragen - inklusive der Kosten, die durch das Einfliegen der Zeugen aus Ägypten entstehen.

Mutmaßliche rassistische Beleidigungen spielen keine Rolle

International hatte der Fall deswegen Aufsehen erregt, weil das Opfer ersten Informationen zufolge nach dem Zusammenstoß aus dem unfallverursachenden Auto heraus rassistisch beleidigt worden sein soll. Die Heimatuniversität der getöteten Studentin hatte ihren Studierenden in Cottbus daraufhin empfohlen, ihren Wohnsitz nach Berlin zu verlegen.

Dieser Vorwurf konnte allerdings schon vor dem ersten Verfahren entkräftet werden. Schon 2018 waren die Ermittlungen dazu eingestellt worden. Die Vorwürfe seien in keiner Hinsicht erwiesen, hieß es damals vom Leitenden Oberstaatsanwalt Bernhard Brocher. Mehrere Dutzend Zeugen, darunter Sanitäter und Polizisten, hätten nicht bestätigen können, dass ein Beifahrer das Opfer beleidigt habe.

Sendung: Antenne Brandenburg, 07.11.2023, 15:10 Uhr

Nächster Artikel