Rund 131 Millionen weniger - Was die Haushaltskürzungen für die Berliner Wirtschaftspolitik bedeuten

Mi 20.11.24 | 09:55 Uhr | Von Sebastian Schöbel
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Die Berliner Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey sitzt mit aufgeschlagenenen Unterlagen im Abgeordnetenhaus. (Quelle: imago-images/dts)
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Mehr als elf Prozent muss die Berliner Wirtschaftssenatorin in ihrem Ressort einsparen - nicht so viel, wie zunächst befürchtet, aber immerhin rund 131 Millionen Euro. In welchen Bereichen konkret gespart wird und in welchen nicht. Von Sebastian Schöbel

Dass die Berliner Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey zu den Verliererinnen der Haushaltskürzungen gezählt wird, hat mit ihrem Geschäftsbereich eigentlich gar nichts zu tun. Denn mit der Sozialdemokratin wird vor allem das Aus des von ihr vorangetriebenen 29-Euro-Tickets verbunden. Giffey galt selbst in ihrer eigenen Partei als letzte Verteidigerin des subventionierten Tickets, das nun nicht fortgeführt wird.

Der Haushalt ihrer eigenen Verwaltung stand bei den Sparvorgaben hingegen nicht im Mittelpunkt – dabei hätte es für sie deutlich schlimmer kommen können. Interne Unterlagen aus den Verhandlungen zeigen, dass die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe sogar Einsparungen um rund 27 Prozent fürchten musste – so jedenfalls sah nach rbb-Informationen die Forderung der CDU aus. Am Ende sind es 11,4 Prozent geworden, rund 131 Millionen Euro.

Weniger Geld für das Stadtmarketing

Ein großer Teil kommt aus der Abwicklung der Corona-Förderungen, rund 24 Millionen Euro. Dazu gehört das Neustartprogramm, mit dem Unternehmen aus Handel, Tourismus, Gastronomie und Veranstaltungswirtschaft bei der Erholung nach der Pandemie geholfen werden sollte. Eigentlich sollte das Programm weitereinwickelt werden, nun aber wird es deutlich zusammengekürzt. Der Investitionsbonus, der ohnehin nur spärlich abgerufen wurde, und die Liquiditätshilfen, die zur Energiekrise aufgelegt wurden, werden drastisch reduziert.

Schmerzlicher dürfte für Giffey die Einsparungen beim Stadtmarketing sein. Hier werden 5,6 Millionen Euro gekürzt. Die Vermarktung Berlins spielt eine große Rolle für die Bewerbung des Wirtschaftsstandorts. Auch die Tourismus-Agentur des Landes, Visit Berlin, bekommt rund eine Million weniger zur Verfügung gestellt, genauso wie die Förderagentur Berlin Partner.

Dehoga fürchtet weitere Belastung für Hotels

Dass im Gegenzug die City Tax, die Berlin-Touristen auf jede Übernachtung zahlen müssen, angehoben wird, dürfte zusätzlich für Missstimmung sorgen. "In einer Zeit, in der die Branche immer noch die Auswirkungen der Pandemie und anderer Krisen spürt, setzt diese Maßnahme das falsche Signal", kritisierte Gerrit Buchhorn, Hauptgeschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga in Berlin. Die Hotels der Stadt seien längst noch nicht so ausgelastet wie vor der Krise, die höheren Steuern würden Berlin-Besuche verteuern und zu einem Rückgang der Besucherzahlen führen. Die schwarz-rote Koalition wiederum erhofft sich davon 27 Millionen Euro Mehreinnahmen.

Die Anhebung der Anwohnerparkgebühren hätte allerdings fast genauso viel gebracht, so die Schätzung von Haushaltsverhandlern, die Anhebung der Grundsteuer sogar fast viermal so viel.

Erheblich ist auch die Reduzierung der Mittel für die diversen Innovationsprogramme, hier werden von 46 Millionen Euro 8,5 Millionen gestrichen. Die Digitalprämie für Unternehmen fällt weg, das Kreativfestival findet gar nicht erst statt, und der Fonds für Ökologischen Tourismus wird eingestampft, bevor er starten konnte.

Kein Kahlschlag - aber auch keine Euphorie

Kahlschlag im Wirtschaftsetat hinterlassen die Kürzungen allerdings nicht. Der 25-Millionen-Topf für den Ausbau von Solaranlagen und Elektromobilität bleibt genauso erhalten wie die Förderung für Gründer und Startups, die Senatorin Giffey so wichtig sind. Auch die Förderung für Frauen in der Wirtschaft geht weiter. Der Meister:innen-Bonus wird eingeführt, und die wachsenden Branchen Games, Virtuelle Effekte und Deep Tech können sich auch weiterhin über finanzielle Unterstützung freuen.

Euphorie kommt in der Berliner Wirtschaft natürlich dennoch nicht auf. "Endlich" habe die Koalition die Einsparungen beschlossen, so IHK-Präsident Sebastian Stietzel. "Die Verzögerung in der Debatte hat in den letzten Monaten für enorme Unsicherheit bei Unternehmen und im gesamten Innovationsökosystem gesorgt." Dass nun viele Investitionen in Wissenschaft, Wirtschaftsförderung und Verkehr ausbleiben müssten, werde "die Wirtschaft weiter belasten".

Beitrag von Sebastian Schöbel

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35 Kommentare

  1. 34.

    Zum fast null Tarif, wird es nicht besser, sondern schlechter.
    Übrigens, der Wähler verlangt Geschenke, und "geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul", das wussten unsere Vorfahren, aber heute?
    Wenn die Politik weiterhin auf solche "Wunschkonzerte" immer wieder reinfällt, dann gute Nacht .

  2. 33.

    Nun wird Life-Balance-Generation doch noch gezwungen, für ihren Lebensunterhalt zu arbeiten. Man muss in allem auch immer etwas positives sehen!

  3. 32.

    Wäre die Wirtschaftssenatorin eine waschechte Sozialdemokratin dann hätte sie die 3 Mrd in "ihrem" Haus gefunden, aber so wird bei dem (Bildung, Infrastruktur, Kunst und Kultur) gekürzt was diese Stadt attraktiv macht und kein "Marketing" ersetzen kann.

  4. 31.

    Akzeptieren Sie als links Wählerin aber bitte auch, dass andere eine andere Meinung haben. Auch die linke Vorgängerregierung hat nicht an der Preisschraube gedreht. Und das ist auch gut so.

  5. 29.

    Doch das geht, abgesehen vom nervigen gendern, eigentlich schon. Andere Schwurbler dürfen hingegen nicht kritisiert werden. Da kommt dann der Löschknopf und verrichtet übles. Das ist schon kurios hier.

  6. 28.

    Guten Morgen, als Linkenwählerin und Autobesitzerin hat mich das Festhalten an den jährlich 10 Euro für die Anwohnervignette sehr geärgert. Gern hätte ich mehr bezahlt, damit das Geld an anderer Stelle zur Verfügung stehen kann. Das hat mit Wahlverhalten nach mM nichts zu tun, sondern mit gesundem Menschenverstand.

  7. 27.

    Lieber Autofahrer, in dem Beitrag "Das ist die Sparliste des Berliner Senats", findest du die konkreten Zahlen.

    Viele Grüße aus der Redaktion!

  8. 25.

    >"Deutschland will ja unbedingt die etwaig ausfallenden Waffen- und Geldlieferungen der USA kompensieren."
    >"Denen wurde ja die gesamte Wärmeproduktion in Klump geschossen."
    Eben weil die Ukraine zu wenige Abwehrwaffen hat, die verhindern würden, dass ihre Wärmeproduktion in Klump geschossen wird. - um mal ihren Gedankenkreis logisch zu schließen.
    Die Kriegshilfen an die Ukraine sind zudem kein geschenktes Geld. Das wird über Kredite finaziert, wie seinerzeit der Marshall-Plan nach dem 2. WK für Deutschland.
    Der Berliner Landeshaushalt hat damit auch nichts zu tun, weils Bundesmittel sind. Berlin muss halt, wie alle anderen Kommunen in Deutschland auch, die Flüchtlinge aus diesen Kriegsgebieten irgendwie stämmen.

  9. 24.

    Wo finde ich denn einmal konkrete Zahlen?
    Welcher Haushaltsbereich bekommt wieviel, absolut und prozentual?

  10. 23.

    Deutschland will ja unbedingt die etwaig ausfallenden Waffen- und Geldlieferungen der USA kompensieren.
    Da bleibt dann letztlich noch weniger, zumal jetzt wieder vermehrt Ukrainer kommen. Denen wurde ja die gesamte Wärmeproduktion in Klump geschossen. Das kostet Freunde. Dann will die NATO ja auch mehr als 2 %. Die Panzer gehen im stattfindenden Drohnenkrieg viel zu schnell kaputt....
    Auf der anderen Seite lauern AfD und BSW. Weniger Steuern und Regulierung...
    Das Ganze liquidiert den Sozialstaat und damit das Rest an Demokratie bis Ende 25.

  11. 22.

    @Mark
    Entschuldigung, aber ich glaube Ihre Tastatur ist defekt . Ich kann das wirre Geschreibsel nicht lesen

  12. 21.

    >"Kann ihnen nur zustimmen, 20,40 € für zwei Jahre sind ein Witz, eigentlich geschenkt."
    Find ich auch. Bei uns kostet Anwohnerparkausweis für die Altstadt im Bereich der Parkraumbewirtschaftung 25,70 EUR - pro Jahr! Und hier ist nicht Berlin - zum Glück ;-)

  13. 19.

    Schon bizarr, dass Menschen pro Monat das zehnfache Zahlen für ein Netflix-Abo anstatt für Anwohnerparken . Am Geld kann es nicht liegen....

  14. 18.

    Als CDU Wähler und Autobesitzer bin ich grundsätzlich für Anwohnerparkkosten. Denke min. 20 € pro Monat ist mehr als angemessen! Das bringt nicht nur Einnahmen, sondern garantiert weniger zugelassene Kfz in Berlin!

  15. 17.

    >"Man sollte die Erfolge in der Legislaturperiode beurteilen und danach sein Kreuz machen."
    Das ist aber dann auch nur relativ in der Beuurteilung. Das sagt nichts, wie erfolgreich die anderen Parteien unter diesen Umständen gewesen wären. Wenn Sie dann eine andere Partei wählen, ist es wie ein Lottospiel. Kann gut gehen, kann aber ihre Vorstellung von Politik ebensowenig erfüllen. Es ist eine Krux mit der Wahl... ;-)

  16. 16.

    Ein weiteres Argument, um das Anwohnerparken und Parken generell deutlich teurer zu machen. Dann braucht man auch weniger Parkplätze. Da gibt es noch viel Luft nach oben. Auch für Anreize. z.B. Tagsüber-Dauerparkausweise für Autos, die zu 75% gefüllt sind, sprich Mitfahrgemeinschaften. Viel mehr Verkehrsberuhigung in den Nebenstraßen, da müssen die Autos nicht durchpreschen. So einengen (durch Parkplätze, wenn es sein muß, und gepollerte Radwege) dass wirklich nur noch ein Auto durchfahren kann. Das schafft oder erhält dann dort auch Parkplätze. Poller kann man übrigens auch umlegbar gestalten. Also, diese Feuerwehr-Argumente sind völlig an den Haaren herbeigezogen.

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