ICC Berlin - Die umstrittene Ikone

So 22.01.23 | 16:28 Uhr | Von Kira Pieper
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Das ICC in Berlin-Westend (Quelle: Bildagentur-online/Schoening)
Kulturradio | 18.01.2023 |Theresa Keilhacker | Bild: Bildagentur-online/Schoening

Die einen beschimpfen es als hässlich und Millionen-Grab, die anderen sprechen von Blickfang und Bau-Ikone: das ICC in Berlin-Charlottenburg. Zwei Meinungen, die es schon bei der Eröffnung gab und die bis heute überdauert haben. Von Kira Pieper

  • Das Internationale Congress Centrum (ICC) wurde 1979 eröffnet
  • Seitdem reißt die Debatte über das Aussehen des riesigen Gebäudes mit Aluminium-Hülle nicht ab
  • Seit 2012 ist das sanierungsbedürftige ICC geschlossen, seit 2019 steht es unter Denkmalschutz
  • Wie es in Zukunft genutzt witrd, ist unklar

Das Internationale Congress Centrum (ICC) im Berliner Westend hat viele Spitznamen: "Raumschiff", "Arche Noah", "Panzerkreuzer Charlottenburg", "Alu-Monster" oder "Ufo". Alle Kosenamen eint: Sie thematisieren außergewöhnliche Größe, unbekannte Welt und vielleicht auch: streitbarerer Koloss.

Symbolbild: Blick aus dem Fenster zum ICC (Quelle: dpa/Doris Spiekermann)
Bild: dpa/Doris Spiekermann

Großer Saal gewünscht

Mit einer Grundfläche von rund 27.900 Quadratmetern ist das ICC das größte Kongresszentrum Europas, das am Autobahndreieck Funkturm gelegene Bauwerk ist unübersehbar. Mitte der 70er-Jahre erhielt der Entwurf des Berliner Architektenpaars Ralf Schüler und Ursulina Schüler-Witte den Zuschlag für die Realisierung des Kongresszentrums.

Der Berliner Senat hatte damals eine entscheidende Vorgabe: Man wollte einen Saal in West-Berlin, der mindestens 5.000 Leute fasst. Vielleicht schielten die Politiker damals auch Richtung Ost-Berlin, wo mit dem Palast der Republik ebenfalls in den 70er-Jahren bereits ein ähnlich genutztes Bauwerk entstanden war.

Bedeutendes Gebäude der Nachkriegszeit

Einen dermaßen großen Saal gab es seinerzeit nur im Kreml-Palast. Also machte sich das Architekenpaar auf den Weg nach Moskau und schaute sich den Kongresssaal im Kreml an. Das Resultat: West-Berlin bekam seinen riesigen Saal mit 5.000 Plätzen und noch 81 weitere Säle, alles in einem Gebäude.

Für fast eine Milliarde D-Mark kreierten Ralf Schüler und Ursulina Schüler-Witte den teuersten Bau in West-Berlin und gleichzeitig eines der bedeutendsten Gebäude der Nachkriegszeit. Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Dietrich Stobbe (SPD), formulierte den neuen Stolz West-Berlins in seiner ICC-Eröffnungsrede am 2. April 1979 so: Das ICC demonstriere Weltoffenheit in einer Stadt, die von Mauern umgeben sei.

Scheel: Funktturm wirkt wie eine Hausantenne

Die Dimension des Gebäudes gefiel allerdings nicht jedem. Kritiker fanden, das ICC sei ein Ausdruck der West-Berliner Großkotzigkeit. Bundespräsident Walter Scheel sagte in seiner ICC-Eröffnungsrede 1979 – wenn auch ironisch – über das neue Kongresszentrum: "Ein Gebäude, hinter dem selbst der gute alte Funkturm wie eine mittlere Hausantenne erscheint."

Und er sagte auch: "Beton ist extrem haltbar, und so hat dieses Kongresszentrum gute Chancen, hier noch zu stehen, wenn die Cheops-Pyramide möglicherweise schon verwittert ist. Die Berliner haben also genügend Zeit, sich mit ihrem Kongresszentrum zu befreunden."

Das Internationale Congress Centrum in Berlin (Quelle: dpa/Stephan Laude)
Bild: dpa/Stephan Laude

Silbriger Glanz ist längst verflogen

Seinen silbrigen Glanz hat das Gebäude mittlerweile verloren. Die Fassade ist von Autoabgasen verdreckt, im Inneren des Gebäudes wurden 2010 in einem Gutachten 6.000 Asbest-Fundstellen dokumentiert. Der sanierungsbedürftige Bau wurde 2014 geschlossen. Zwischenzeitlich wurde er als Notunterkunft für Geflüchtete und für ein Corona-Impfzentrum genutzt. Seit 2019 steht das Gebäude unter Denkmalschutz.

Diskussionsgrundlage bietet der Koloss also immer noch. Weil die Sanierung aufwendig ist und die Kosten mittlerweile im dreistelligen Millionenbereich liegen, stand zwischenzeitlich auch schon mal das Thema Abriss im Raum. Diese Idee ist zwar vom Tisch, geblieben sind die Fragen: Wie soll das ICC künftig genutzt werden - und wer soll die aufwendige Sanierung bezahlen?

Nutzungskonzept und Kostenübernahme gewünscht

Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos) schlug zuletzt vor, aus dem in die Jahre gekommenen Kongresszentrum ein Kunst- und Kulturzentrum zu machen. Das ICC könne ein regelrechter Magnet werden, wie es das Centre Pompidou in Paris seit den 1970er Jahren sehr erfolgreich vorlebe, argumentierte er.

Gesucht wird nun ein Investor, der mit seinem Nutzungskonzept überzeugt und die Sanierungskosten trägt. Schwarz sagte zu der Vorgehensweise: "Was bringt es, Millionen für eine Sanierung in die Hand zu nehmen, ohne zu wissen, wie das Gebäude künftig genutzt wird."

Das ICC als Instagram-Ort

In der kreativen Szene der Stadt ist man auf der einen Seite begeistert von der Pompidou-Idee, aber auch skeptisch. Kulturmanager Thomas Oberender, der 2021 in dem Gebäude das Kunst-Festival "The Sun Machine is Coming down" durchführte, sagte im Gespräch mit dem rbb: Er habe sich über die Worte des Wirtschaftssenator gefreut, denn er habe die Bauikone 2021 als Instagram-Ort erlebt. "Unsere Erfahrungen waren überwältigend, wir hatten auch den Eindruck, dass die Berliner froh waren, mal wieder in das Gebäude zu kommen. Es ist einzigartig." Gleichzeitig sagt er aber auch: Das ICC sollte kein privates Investment sein. "Das Land Berlin sollte sich an den Kosten beteiligen."

Ähnlich äußert sich die Präsidentin der Berliner Architektenkammer, Theresa Keilhacker. Wie das Pompidou, habe das ICC Potenzial über Berlin hinaus zu strahlen, sagte sie im Gespräch mit dem rbb. Das Gebäude und auch die Innenarchitektur seien architektonisch "extrem wertvoll". "Es ist ein aus einem Guss entstandenes Gebäude mit einer Innenarchitektur, die es so einfach sonst nicht gibt. Man sieht da zum Beispiel noch den original Aschenbecher am Stuhl."

Höhepunkt der High-Tech-Architektur

Den Architektur-Kritiker und -Historiker Falk Jaeger schmerzt es, wenn Menschen das Kongresszentrum als hässlich und gar abrisswürdig bezeichnen. Das Gebäude sei schließlich ein Höhepunkt der High-Tech-Architektur-Bewegung, sagt er auf Nachfrage von rbb|24.

Eine Besonderheit aus den 70er-Jahren, die es sich zum Ziel gesetzt habe, konstruktive Elemente wie zum Beispiel Leitungen nicht zu verstecken. Dies mache die Schönheit des Bauwerks aus. "Man müsste das Gebäude einfach mal ordentlich kärchern und pflegen und nicht verkommen lassen." Dann würden es noch viel mehr Menschen als schön empfinden.

Sendung: rbb24 Inforadio, 18.01.2023, 15:55 Uhr

Beitrag von Kira Pieper

50 Kommentare

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  1. 50.

    Antwort auf [Lothar/Berlin ] vom 23.01.2023 um 13:53
    "durch gründliches lesen angeeignet"?
    Dann kennen Sie sich ja aus. Bestimmt einer dieser Artikel aus der BILD. Dann haben Sie ja richtig Ahnung vom Palast der Republik. Wahrscheinlich war das YES-Konzert auch durch "gründliches lesen angeeignet". Was für eine Geschichte eines West-Berliner Lackierer.

  2. 49.

    Gute Idee. Man kann auch, wenn alles andere gescheitert ist, das ganze Ding, ohne Gier, den Kreativen übergeben. Ein Versuch ist es wert. Machen die es gut, steigen auch die Begehrlichkeiten in der Umgebung und es folgt eine Wertsteigerung. Warum nicht einen ganz normalen Prozess, so wie in Prenzlauer Berg oder Kreuzberg, so nutzen, dass kreative Kraft selbst gestaltet?

  3. 48.

    Alles was ich über den Palast der Republik weiß, habe ich mir durch gründliches lesen angeeignet und somit weiß ich um die damalige und sicherlich auch wichtige Kulturstätte in der ehem. DDR Bescheid. Wenn ich aber technisch gesehen innen sowie auch außen eine Wertung dieser beiden Gebäude anstellen sollte, so fällt mir zumindest beim ICC beides auf. Da ist zuerst einmal der Bau an sich. Dieser wird nur durch die an den Seiten stehenden Säulen getragen. Schon alleine das ist sehr beeindruckend. Innen ist das ICC mit der für damalige Verhältnisse best ausgestatteten Technik versehen für Konferenzen u.a. Zudem modern und heute noch ein echter Hingucker. Was man leider vom P.d.R. nicht sagen konnte. Deshalb steht ja auch das ICC immernoch und verdient gar den Denkmalschutz. Was nun daraus wird entscheide nicht ich. Doch habe ich schon sehr gut Entwürfe zur Weiterführung des Gebäudes gesehen.

  4. 47.

    Ja, da ist was dran. So waren die 70er. In nur vier Jahren Bauzeit wurde so ein Komplex fertiggestellt und mit einer zu seiner Zeit sehr fortschrittlichen Technik, die heute immer noch funktioniert und Maßstäbe gesetzt hat, der Öffentlichkeit übergeben. Bekommt nicht jeder hin und scheint in der "Neuzeit" wohl etwas aus der Mode gekommen zu sein.
    Die glänzende Fassade verrottet leider, weil die regelmäßige Reinigung auch eingespart wurde. Stellen sie sich vor, sie würden ihre Unterhosen 14 Tage lang nicht wechseln - das sieht bestimmt auch nicht schön aus und der Geruch dürfte dem in der Passerelle sehr nahe kommen.

  5. 46.

    Da bin ich wohl der falsche Ansprechpartner, aber die die Schließung damals initiierenden Politiker, Parteien und Interessenverbände werden Ihnen bestimmt Auskunft geben können. Ob diese das wollen oder machen kann ich leider auch nicht sagen. Aber wenn sie sich schon für diese Hintergründe so interessieren, können sie die Frage auch um den Inhalt "Deutschlandhalle" und "Eissporthalle" erweitern.

  6. 45.

    Die "Bau-Ikone" braucht Nutzer, die die extrem hohen Kosten für Asbestsanierung, Instandhaltung, Instandsetzung, Modernisierung der Innenausstattung und der "Energiefresser" (Klimaanlagen, Beleuchtung, Rolltreppen, Fahrstühle u.v.a.) dauerhaft tragen können. Das hoch verschuldete Berlin (ca. 65 Millionen EUR) ist dazu nicht in der Lage.

    Wie wär's mit einem neuen ICC mit neuem Out- und Infit? Mit einem kapitalstarken Nutzer? Mit einer neuen Dauernutzung als attraktivem Ausstellungs- und Veranstaltungsort.

    Wie wär's mit einem "International Chinese Center (ICC)", finanziert vom chinesischen Staat und von chinesischen Unternehmen. Wäre diese Dauerausstellung aktueller chinesischer Produkte nicht eine ideale Ergänzung für die benachbarte "Messe Berlin"?

  7. 44.

    würde das icc für ein schlossnachbau und nicht für ein bahhof sowie autobahndreick im wege stehen, dann wäre es wohl niemals unter denkmalschutz gekommen, der aus- umbau des s-bahnhofs westkreuz zu enen reginal und fernbahnhof mit busbahnhof und autobahnanschluss ist wohl zu innovativ für das konservative berlin.

  8. 43.



    Hallo Lothar! Ich würde das" das aussen hui,innen pfui " eher ür das ICC nehmen,denn Du warst wahrscheinlich nie im " Palast der
    Repubik " gewesen.







  9. 42.

    Trotzdem wir tolle Stunden im ICC bei Konzerten verbracht haben lautet mein Vorschlag, ABREIßEN und Wohnhäuser bauen.
    Was der Herr Schwarz sich vorstellt, das gibt es zu Genüge in Berlin.

    Wichtig für Berlin sind

    BEZAHLBARE WOHNUNGEN !!

  10. 41.

    So waren sie die siebziger Jahre: Ohne Rücksicht auf kommende Generationen wurden Gebäude errichtet, die leider wirklich stabiler zu sein scheinen als die Pyramiden. Das ICC ist Ausdruck seiner Zeit: Westberliner Großkotzigkeit bezahlt aus Bundesgeldern. Vermutlich hat auch niemand gewußt, daß diese Art Gebäude ein Energiefresser ohne Ende ist, daß es nicht umnutzbar ist und daß seine glänzende Fassade so schnell verschmutzt, sonst hätte man es ja nicht auf dieses Autobahnkreuz gesetzt. Wer hat schon Lust, sich dort im Umfeld aufzuhalten?
    Ein ästhetisch nicht uninteressantes Gebäude, aber sonst in jeder Hinsicht eigentlich eine Zumutung.
    Das Centre Pompidou steht übrigens - schon lange - in einer Fußgängerzone ...

  11. 40.

    Nun frage ich Sie, warum das "minimale Problem" nicht beseitigt wurde, um den hässlichen Kasten weiter zu betreiben und warum wird das von Ihnen benannte "minimale Problem" so aufgeblasen, dass es asbestverseucht gewertet wird?

  12. 38.

    Dass der Palast der Republik abgerissen wurde, hat zweifellos mit am Spritzasbest gelegen. Das Hauptargument war jedoch ein städtebauliches: Soweit alle Architekten jeglicher Coleur sich nach dem Krieg darüber einig waren, die Straße Unter den Linden zu restaurieren und zu rekonstruieren, so war der Palast dagegen eine Fehlstelle.

    Der Verlauf (der Linden) war da, das Finale in Form des Brandenburger Tores war da, der Auftakt, der Ursprung nicht. Das hat der Palast von seiner Architektur gar nicht leisten können und sollen - völlig gleich einmal, wer ihn wann gebaut hat.

  13. 37.

    Es ist das richtige Bauwerk am falschen Ort:
    In den Wüsten Arabiens, Afrikas und Nordamerikas wäre so ein Bauwerk incl. verkehrstechnischer Zuführungen drumherum tausendmal platzierter als im gewachsenen Stadtraum von Berlin. Dort heben sich das ICC und die Stadtautobahn entlang eines 1970er-Musters brutal heraus.

    Das Bauwerk im Kontext der Verkehrsbauten in Beziehung zur Bebauung - v. a. der östlich davon gelegenen in Charlottenburg - gesetzt, würde ich weit eher von einem Mahnmal sprechen. Vielleicht haben die Chinesen und die Katarer schon ausgetüftelte Möglichkeiten, das ICC per Luftfracht unentgeltlich für ihre Wüsten zu übernehmen?

  14. 36.

    Ja. Die Crux liegt hier: "wurden 2010 in einem Gutachten 6.000 Asbest-Fundstellen dokumentiert. Der sanierungsbedürftige Bau wurde 2014 geschlossen." Da es ein Zweckbau ist, würde ich nach Wirtschaftlichkeit entscheiden, ob Sanierung oder Abriß und Neubebauung sinnvoller ist und nicht zu lange krampfhaft nach einer Nachnutzung suchen, für die der vorhandene Zuschnitt des Baus wahrscheinlich nach der Sanierung auch noch umgebaut werden müßte.

  15. 35.

    Werte Foristen, beim Bau des ICC wurde kein Spitzasbest sondern Kafko verwendet. Dieser Werkstoff stammte aus den USA, hatte ähnliche Eigenschaften. Eine karzinogene Wrikung ist bisher nicht nachgewiesen. Heute würde vermutlich Promat verwendet werden.
    Bei einem asbesthaltigen Brandschutz wäre beispielweise die Nachnutzung als Flüchtlingsunterkunft, Impfzentrum etc. ausgeschlossen gewesen. Sollte sich Asbest in der nachträglich montierten Dämmung der Rohre befinden, wäre das Problem minimal, schnell zu beheben und würde einer Nachnutzung nicht im Wege stehen.

  16. 34.

    Lorenz, Lothar ist doch einer der Altwestberliner, der sich trotz seines Alters an den Abrißbagger kleben wird.
    Leider hat er dazu noch nicht einmal Ahnung wovon er spricht. "Wurde mir damals auch mehrfach berichtet dass im Großen Saal des ICC die Akustik schlecht sei, ...", um später uns weismachen zu wollen, "Ich war nur bei diesem einen Konzert der Gruppe Yes drin und es war einfach genial und hörbar." 1978?

  17. 32.

    Wenn ich hier schon wieder lese „…durch Abgase ist der Glanz weg…“ Welches Klientel soll hier bitte wieder bedient werden?

    Wenn man sich aber wirklich mit beschäftigt was die Architekten dort innen erschaffen haben ist es ein Bau der seines gleichen in oder aus der Zeit sucht! Man hätte im inneren ohne Probleme in den 80er einen Film aus den Jahren 2050 drehen können! Es muss auch nicht jedem gefallen es ist aber schon ein Stück Architekturgeschichte Berlin!

  18. 31.

    Das wäre eine Alternative.....jedenfalls zum Teil. Dieses "Raumschiff" ist riesig. Ich denke da wäre fast für jeden etwas dabei....wenn man junge kreative Köpfe das machen lässt.

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