Berliner Clubs - Der Mainstream boomt, die Nische leidet
Die Berliner Club-Szene kämpft weiter mit den Folgen der Corona-Pandemie und der hohen Inflation. Dabei sind die Auswirkungen von Club zu Club sehr unterschiedlich. Hendrik Schröder und Christoph Schrag haben mit Machern aus der Szene gesprochen.
Woher bekomme ich Personal? Wie gehe ich mit steigenden Kosten um? Ist das Programm interessant genug für das Publikum? Die Berliner Clublandschaft muss sich mit vielen Problemen arrangieren. Drei Akteure berichten aus dem Nachtleben über die aktuelle Situation, die berlin-like unsicher bleibt.
Der Big Player - Dimitri Hegemann (Betreiber Tresor)
"Wir hatten bei Ausbruch der Pandemie die Schließungen nicht so ernst genommen und dachten, nach ein paar Wochen können wir wieder aufmachen. Als dann Kurzarbeit angemeldet wurde, wurde es hart. Wir haben über 100 Mitarbeiter, das ist keine Kleinigkeit. Und dass es so lange braucht, hätten wir immer noch nicht gedacht. Die Kasse wurde dann aber immer schmaler.
Mir war klar, wenn wir die Miete nicht zahlen, dann ist der Mietvertrag weg, dann ist der Club weg. Durch die Überbrückungshilfen konnten wir einen Stamm an Leuten halten und die Miete weiter zahlen. Wir hatten am Ende dieser Zeit aber keine finanziellen Polster mehr."
"Als es dann wieder losging, habe ich aber gemerkt, dass die Leute sehr hungrig waren. Es sind sehr schnell wieder Leute gekommen. Es sind wieder sehr viele Touristen da. Für manches war die lange Pause auch gut: Wir haben an der Akustik gearbeitet, haben sogenannte Awareness Teams installiert, damit Sachen wie mit K.O.-Tropfen nicht mehr passieren.
Bei uns ist es fast schon wieder wie vor Corona. Erstaunlicherweise sind die Leute jünger und diverser geworden nach der Pandemie. Sehr international. Wir mussten die Preise auch ein bisschen erhöhen, vor allem die Getränkepreise. Aber wir geben das weiter an die Mitarbeiter, als Inflationsausgleich. Die Besucher nehmen das eigentlich so an, ich kann nicht feststellen, dass sie weniger Getränke bestellen würden."
Der kleine Konzertladen: Daniel Kokavecz (Booker Badehaus Berlin)
"Auch wir haben das Vorkrisenniveau fast wieder erreicht. Nur die Personalsituation war erst mal schwierig, sowohl in der Gastro als auch im Management. Es brauchte viel Einarbeitungszeit, weil wir relativ viele neue Leute einstellen mussten. Aber natürlich ist alles teurer geworden. Die Getränkefirmen haben seit Corona drei Mal die Preise erhöht.
Unsere Kosten haben sich deutlich erhöht, das müssen wir natürlich auch weitergeben an die Besucher. Konzerte sind teurer geworden für die Zuschauer, das ist ganz klar. Aber die Leute kommen, vielleicht sparen sie woanders und nicht im Club?"
"Wir haben versucht das alles jetzt ein bisschen zu optimieren, Veranstaltungen, die finanziell nicht so gut funktionieren zu verhindern - da schauen wir jetzt genauer hin. Wir müssen wirtschaftlich arbeiten. Aber natürlich ist unser Anspruch, auch künstlerisch wertvolle Sachen zu machen, die sich nicht unbedingt immer finanziell lohnen - oder auch Künstler mit aufzubauen, damit verdient man natürlich erst mal kein Geld. Dafür könnte es wirklich mehr Förderprogramme geben, dass wir es uns auch mal leisten können, Bands auf die Bühne zu stellen, die im Moment noch kein Geld einbringen, in denen wir aber Potenzial sehen. Das können wir uns aus eigener Tasche derzeit nicht leisten."
"Bei uns passen 250 Leute rein zu Konzerten, und wir machen fast jeden Abend eine Veranstaltung. Oft ist der Laden wieder voll, obwohl es ein krasses Überangebot an Konzerten gibt und gefühlt alle derzeit auf Tour sind. Aber in meinen Augen normalisiert sich das gerade wieder. Die ganzen Nachholtermine aus der Corona-Zeit sind langsam abgearbeitet.
Aber eines muss ich dazu sagen: Es war natürlich so, dass viele Bands sehr offen kommuniziert haben, dass sie nach Corona Konzerte absagen mussten, weil sie nicht genug Karten verkauft haben. Das ist natürlich sehr transparent, hat aber nicht unbedingt das Vertrauen bei den Zuschauern erhöht, sich so schnell Tickets zu kaufen, wenn dann doch wieder abgesagt wird.
Gerade bei kleinen Künstlern ist das aber wichtig, dass Leute im Vorverkauf Tickets kaufen. Jetzt hatte sich eher das Gefühl breit gemacht: Wird ja eh nicht ausverkauft sein. Deswegen merken wir, dass immer später Tickets gekauft werden."
Die Übersicht und die Nische - Marcel Weber (Vorstandsmitglied Club Commission und Geschäftsführer SchwuZ)
"Wir beim SchwuZ sind mittlerweile bei 80 Prozent Umsatz im Vergleich zu Vor-Corona. Das klingt jetzt erst mal viel und gut, aber wenn man überlegt, dass da immer noch 20 Prozent fehlen, dann ist das schon nicht so rosig. Generell können wir in Berlin froh sein, dass der Tourismus wieder so angezogen hat, das bringt wirklich viele Leute. Ohne die würde es nicht gehen.
Denn die Eintrittspreise sind natürlich gestiegen, aber es geht nicht anders, die Energiepreise, die Mieten, die Gagen, für uns wird ja auch alles teurer. Wir versuchen trotzdem weiter ein diverses Programm zu bieten. Auch die Sachen, die wirtschaftlich nichts bringen, machen wir weiter. Wir versuchen irgendwie die Leute zu halten, die auch wenig Geld haben, indem wir manche Sachen zum Beispiel mit freiem Eintritt machen."
"Wir müssen schauen, wie sich das im Laufe des Jahres entwickelt. Das Thema der gestiegenen Energiepreise wird für viele erst im Herbst kommen, wenn die Betriebskosten abgerechnet werden. Es kann sein, dass einige Clubs dann Probleme bekommen. Bisher gab es keine Schließungen, aber ich halte das für möglich, dass nicht alle überleben werden. Die Lage ist total unterschiedlich.
Je spartenspezifischer, desto schwieriger ist es. Kommerzielle Sachen funktionieren, Nachwuchssachen funktionieren nicht mehr. Die meisten Clubs machen aber ein umfangreiches Programm, die haben ihre Säulen, meist Electro-Veranstaltungen, dazu die Nischenprogramme. Die Kostensteigerungen schlagen jetzt halt durch und die Leute überlegen: Wofür gebe ich mein Geld aus? Und dann gehen sie eher zu Sachen, wo sie wissen, was sie erwartet und dass es voll wird. Und bei Experimentellem finden sie es dann eher schade um das Geld."
"Nach Corona und der Inflation steht mit dem geplanten Weiterbau der A100 auch schon der nächste Hammer für viele Clubs vor der Tür. Die A100 wird die Clubszene nämlich massiv bedrohen. Der Weiterbau gefährdet ganz konkret Clubstandorte, Proberäume und Ateliers. Der Weiterbau wäre wirklich ein Desaster für die aktuelle Clubkultur in Berlin.
Der Druck auf die wenigen Freiflächen wird dadurch immer größer: Renate, Club Ost, About blank, Else, Oxy - all diese Clubs müssten verschwinden, wenn die A100 weitergebaut werden würde. Also entspannen können wir Clubmacher:innen uns noch lange nicht."