Fragen und Antworten - Wie es nun mit der A100 weitergeht
Kai Wegner (CDU) wird voraussichtlich der nächste Regierende Bürgermeister Berlins. Damit kommt auch das umstrittene Großprojekt A100 auf ihn zu. Er ist für den Ausbau und schlägt eine Volksbefragung vor. Was würde sie bedeuten - und wie geht es mit dem Ausbau weiter?
Was genau hat Kai Wegner zum Weiterbau der A100 vorgeschlagen?
Wegner hat sich in der Vergangenheit - genau wie sein CDU-Landesverband - immer wieder für einen Ausbau der A100 ausgesprochen. In einem Interview mit dem "Tagesspiegel" vom 4. März sagte der designierte Regierende Bürgermeister, er könne sich gut vorstellen, eine Bürgerbefragung zu der Verlängerung der Autobahn anzustoßen. "Ich bin sehr optimistisch, dass eine breite Mehrheit für das Vorhaben votieren würde. Zumindest zeigen das alle Umfragen", sagte Wegner. Auch einen erneuten Volksentscheid über die Randbebauung des Tempelhofer Felds schlug er in dem Interview vor. Man werde sich mit der SPD in den Koalitionsverhandlungen über die Themen verständigen. Diese Verhandlungen beginnen am Donnerstag.
Welche Auswirkungen hätte eine Volksbefragung zur Verlängerung?
Nach jetzigem Stand keine. Denn Autobahnen sind in Deutschland Sache des Bundes, er entscheidet über den Bau, er trägt auch den größten Teil der Kosten. Das Ergebnis einer Volksbefragung über die Verlängerung der A100 wäre also rechtlich nicht bindend. Stimmt die Mehrheit der teilnehmenden Bürgerinnen und Bürger dafür, könnte ein Regierender Bürgermeister Wegner sich damit zusätzliche Legitimation für das seit Jahrzehnten umstrittene Projekt holen. Stimmt sie dagegen, könnte der Bau trotzdem wie geplant weitergehen.
Es wird doch gerade schon an einer Verlängerung der A100 gebaut. Geht's darum?
Nein. Das ist der 16. Bauabschnitt. Dieser führt vom Autobahndreieck Neukölln bis zur Anschlussstelle Treptower Park [autobahn.de]. Kommt nichts mehr dazwischen, wird der Abschnitt im Dezember 2024 fertig. Das wäre zwei Jahre später als geplant.
Wo würde die A100 weiter verlaufen?
Der 16. Bauabschnitt verläuft vom Süden her bis zum S-Bahnhof Treptower Park.
Der 17. Abschnitt soll von dort aus Richtung Norden über die Elsenbrücke verlaufen und damit die Spree überqueren. Die marode Brücke wird allerdings gerade grundlegend saniert. Ein Teil von ihr müsste der Autobahnverlängerung wieder Platz machen. Ein anderer Vorschlag ist, die A100 in einem Tunnel unter der Spree weiterzuführen - was allerdings deutlich teurer werden würde.
Ab der nördlichen Spreeseite arbeitet sich die A100 durch Wohnstraßen vor, taucht in einem zweistöckigen Tunnel unter dem Ostkreuz durch. Fünf massive Betonblöcke wurden bereits als Vorleistungen unter den Bahnhof gebaut. Auf der östlichen Seite der Ringbahn kommt die Autobahn wieder ans Licht, führt auf einer Rampe über das Ring-Center hinweg, überkreuzt die Frankfurter Allee und endet nach 4,1 Kilometern nahe des S-Bahnhofs Storkower Straße, an der Südspitze von Prenzlauer Berg. Die Storkower Straße soll dafür bis zur Landsberger Allee ausgebaut werden, damit der Autobahnverkehr besser ab- und zufließen kann.
Was müsste der A100-Verlängerung weichen?
Clubs, einige Wohnhäuser, Gewerbehöfe unter anderem am Markgrafendamm. Nach jetzigem Planungsstand müssten die Else nahe des Treptower Parks, der Club Ost, die Zukunft am Ostkreuz, Oxi, Void und das About Blank weg. Gleichzeitig stimmt, dass mehrere dieser Clubs ihre jetzigen Flächen nicht erhalten hätten, wenn das Areal sich nicht seit vielen Jahren im Schwebezustand befinden würde - denn dass auf diese Vorhalteflächen die A100 hinkommen soll, ist seit Jahrzehnten bekannt.
Wie stehen die Parteien im Berliner Abgeordnetenhaus zu dem Weiterbau?
Die CDU ist dafür, ebenso die FDP und AfD. Die CDU fordert dabei, die verlängerte A100 größtenteils unterirdisch verlaufen zu lassen, 2,7 der geplanten 4,1 Kilometer Strecke. Das steht in einem Antrag, den die CDU-Fraktion im Januar, noch vor der Wiederholungswahl, ins Abgeordnetenhaus einbrachte [parlament-berlin.de]. Auf dem Deckel der unterirdischen Autobahn könnte zusätzlich Platz für Sport, Freizeit, Grünanlagen und Solarmodule entstehen, argumentiert die CDU. Erst nach der Frankfurter Allee käme die A100 wieder ans Licht, würde dann bis zur Storkower Straße in einem Trog verlaufen. Der Solarstrom, den man auf dem Deckel der Autobahn gewinnen könne, würde den hohen CO2-Ausstoß wieder ausgleichen, der durch den Bau entstünde, hat sich die CDU ausgerechnet. Das alles würde den Bau allerdings sehr viel teurer machen, und die Bundesregierung würde sich mit weniger Geld daran beteiligen. Denn sie finanziert den Lärmschutz, andere eingebaute Maßnahmen aber nicht oder nur zum Teil.
Franziska Giffey aber ließ in der Vergangenheit keinen Zweifel daran, dass auch sie für den Weiterbau der A100 ist, genau wie der Stadtenwicklungssenator Andreas Geisel (SPD). Welche Rolle beide in einem neuen Senat genau spielen werden, ist jedoch noch offen. Die Berliner SPD-Basis hat offensichtlich andere Ansichten: Auf einem Landesparteitag stimmt im vergangenen Jahr die Mehrheit der Delegierten gegen einen Weiterbau der A100. Die kommenden Wochen der Koalitionsverhandlungen werden also sehr interessant, was diesen Konflikt angeht. Noch ist offen, welche der beiden Parteien in einer neuen Koalition das Verkehrsressort bekommt.
Grüne und Linke lehnen den Ausbau dagegen strikt ab. Rot-Rot-Grün und Rot-Grün-Rot hatten das Thema bisher einfach ausgesessen. So stand es auch im bisherigen Koalitionsvertrag: Bis zum Ende der Legislaturperiode 2026 wollte sich der Senat nicht an jeglichen Planungen zum Weiterbau beteiligen. In der noch amtierenden rot-grün-roten Koalition wollten die grüne Verkehrssenatorin Bettina Jarasch, aber auch die Linke, den Flächennutzungsplan durch das Land ändern lassen und die Pläne des Bundes dadurch erschweren. Alle für den Weiterbau vorgesehenen Flächen sollten für andere Nutzungsarten umgewidmet werden, zum Beispiel Wohnungen, Gärten oder Sport. Das Verfahren hätte allerdings mindestens zwei Jahre in Anspruch genommen - und am Ende hätte der Bund rechtlich trotzdem einen eigenen Planfeststellungsbeschluss fassen können. Das Nein des Senats hätte den Ausbau also nicht verhindert.
Was sagt die Bundesregierung?
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) will den 2016 von der damaligen großen Koalition beschlossenen "Bundesverkehrswegeplan 2030" unverändert umsetzen. Darin steht auch die Verlängerung der A100. Das Ministerium plant ein Gesetz, mit dem Verkehrsprojekte schneller genehmigt werden können, das würde auch für den Ausbau der A100 gelten.
Allerdings hatte sich die Bundes-Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP in ihrem Koalitionsvertrag darauf geeinigt, sämtliche großen Bauvorhaben nochmal auf ökologische Folgen zu überprüfen. Das sei nicht geschehen, kritisieren die Grünen im Bundestag. Inzwischen folgte der nächste Schritt: Im Januar 2023 beauftragte das Bundesverkehrsministerium ein Berliner Ingenieurbüro mit der Planung des 17. Bauabschnitts, zuerst hatte der "Tagesspiegel" darüber berichtet.
Wann soll das Ganze fertig sein?
Laut Bundesverkehrsministerium sollen die Arbeiten am 17. Bauabschnitt bis Ende 2035 abgeschlossen sein.
Wieviel würde die Verlängerung kosten?
Nach aktuellem Stand würden beide Bauabschnitte zusammen 1,498 Milliarden Euro kosten, das besagt eine Berechnung des Bundesverkehrsministeriums aus dem vergangenen Herbst, die rbb|24 vorliegt. Davon fallen rund 700 Millionen Euro auf den 16. Abschnitt, der gerade gebaut wird, und etwa 800 Millionen Euro auf den 17. Abschnitt. Damit haben sich die Baukosten seit der letzten vorherigen Schätzung aus dem Jahr 2013 verdoppelt. Dass es dabei bleiben wird, ist unwahrscheinlich, angesichts der allgemein deutlich gestiegenen Baukosten. Experten rechnen im Gespräch mit rbb|24 mit gut einer Milliarde Euro nur für den 17. Abschnitt. Den größten Teil der Summe zahlt nach jetziger Planung der Bund - er ist für Autobahnen zuständig.
Was spricht für eine Verlängerung der A100?
Nicht nur die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner, sondern auch die Zahl der zugelassenen Pkw in Berlin wächst. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Zahl der Neuzulassungen 2022 um knapp zehn Prozent - und all diese Autos müssen irgendwo hin. Die A100 ist heute eine der meistbefahrenen Autobahnen des Landes. Befürworter leiten daraus den Bedarf für mehr Autobahnkilometer ab, der Weiterbau würde weniger Staus in der Innenstadt bedeuten. Könnten mehr Autos auf der A100 fahren, bedeute das weniger Verkehr in den Wohngebieten, somit weniger Lärm und weniger Abgase. Das Teilstück sei wichtig, um den Osten und Südosten der Stadt besser anzubinden. Und: Auch in näherer bis mittlerer Zukunft wird der Wirtschaftsverkehr in Berlin über die Straße kommen, dafür brauche es schnelle Hauptverkehrsachsen.
Der Bund argumentiert, der 16. Bauabschnitt mache nur Sinn, wenn auch der nächste Abschnitt bis zur Storkower Straße komme. Erst dann würde sich "die angestrebte vollständige Verkehrswirkung entfalten", heißt es im bis heute gültigen Bundesverkehrswegeplan (BVWP) von 2016. Beide Teile seien aneinandergekoppelt. Würde die A100 stattdessen am S-Bahnhof Treptower Park enden, wären die umliegenden Straßen mit den Massen an ab- und auffahrenden Autos, Lkw und Bussen überfordert. Und: Der Bund trägt fast die gesamten Kosten, die A100 würde also den Berliner Haushalt kaum belasten.
Verkehrsforscher sagen, dass durch einen solchen Ausbau durchaus ein Zeitgewinn zu erwarten sei, auch die Lärmbelastung lasse sich durch modernen Schallschutz begrenzen. Dem stünden allerdings ökologische Kosten entgegen.
Was spricht dagegen?
Die Gegner der A100-Verlängerung bezeichnen das Projekt als klimaschädlich und teuer. Bereits der 16. Bauabschnitt kostet umgerechnet 218.000 Euro pro Straßenmeter. Motorisierten Individualverkehr zu fördern, anstatt wie in anderen Metropolen wie Madrid, Barcelona, Seoul oder Paris zu erschweren, sei nicht mehr zeitgemäß und angesichts der Klimakrise nicht mehr tragbar. Die Milliarden für den Ausbau sollten lieber in einen Ausbau des ÖPNV gesteckt werden, fordern sie.
Zwar würden die Autos, Laster und Busse auf der Stadtautobahn nach dem Ende der Verbrennermotoren nicht mehr Abgase ausstoßen. Beton ist allerdings unabhängig davon einer der größten Klimakiller, der Bau einer der größten Faktoren beim Co2-Ausstoß. Ob sich diese Umweltbelastungen durch die Effekte, weniger Verkehr in den Wohngebieten zu haben, wirklich rechnen, ist offen. Klimafolgen wurden in der Kosten-Nutzen-Berechnung, die der Bund für das Bauprojekt anstellen ließ, nicht berücksichtigt.
Die Erkenntnisse der Verkehrsforschung weisen darauf hin: Mehr Straßen ziehen meist auch mehr Verkehr nach sich, sogenannten induzierten Verkehr. Die Menschen nutzten dasselbe Zeitbudget für ihre Verkehrswege, um damit längere Strecken zu fahren, sagt etwa der Mobilitätsforscher Wulf-Holger Arndt von der TU Berlin. Für die A100 würde das heißen, dass Menschen von weiter draußen künftig den Weg mit dem Auto bestreiten, statt mit dem ÖPNV.
Sendung: rbb24 Abendschau, 08.03.2023, 19:30 Uhr