XJazz!-Festival startet am Montag - Jazz ist nicht tot, er wandelt sich

Mo 08.05.23 | 11:10 Uhr | Von Holger Zimmer
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Roy Ayers am 01.06.2022 in London. (Quelle: Picture Alliance/Jules Annan)
Audio: rbbKultur | 07.05.2023 | Studiogespräch mit Festivalgründer Sebastian Studnitzky | Bild: Picture Alliance/Jules Annan

Das XJazz!-Festival in Berlin erweitert die Genre-Grenzen bewusst und denkt die Musikrichtung tanzbar. Neben der Neo-Soul-Legende, Roy Ayers, sind die Woche über etablierte, internationale Acts und lokale Künstler zu sehen. Von Holger Zimmer

Seit fast zehn Jahren ist es eine feste Größe im Berliner Jazzkalender, zieht jeden Mai viele junge Leute in die Berliner Clubs, das XJazz!-Festival. Es steht für eine Mischung aus Jazz, Soul, Groove, Funk, Elektro. Fast 60 Konzerte - über Berlin-Kreuzberg verstreut – bringen die Clubs zum Beben.

Doch kann man ein solch junges Musikfestival von einem 82-Jährigen eröffnen lassen? Klar kann man das, und sollte man auch, denn Roy Ayers steht für das, was das Festival will: Genregrenzen erweitern, auch skeptische junge Leute an inspirierende Klänge heranführen.

Der "Godfather of Neo Soul"

Ein Höhepunkt des Festivals gleich zu Beginn ist also das Konzert des Altmeisters Roy Ayers. Der Vibraphonist aus den USA ist beim XJazz! auf seiner Abschiedstournee, immerhin ist er ja schon 82 Jahre alt - eine starke Besetzung gleich zur Eröffnung am Montag.

Der Legende nach hat Ayers sein erstes Vibraphon schon im Alter von fünf Jahren bekommen, von niemand anderem als Lionel Hampton persönlich. Seit Jahrzehnten ist er eine feste Größe in Jazz und Funk, hat lange mit dem nigerianischen Allroundtalent Fela Kuti zusammengearbeitet. Man nennt ihn den "Godfather of Neo Soul".

Auch heute noch beeinflusst er viele aktuelle Künstler. Welche Rolle Roy Ayers für die heutige Generation spielt, erklärt Festival-Leiter Sebastian Studnitzky: "Grade bei Roy Ayers gab es mehrere Revival-Wellen. Anfang der 2000er haben viele Nu-Jazz-Musiker seine Platten gesampelt, und jetzt passiert das wieder. Wir merken beim XJazz! durch die Vermischung der Generationen, dass auch das Publikum viel diverser, viel jünger ist als auf anderen Jazz- Festivals."

Ein weiterer Höhepunkt sind auch die entspannten Grooves von Gyedu-Blay Ambolley, der schon seit den 1960er Jahren Furore macht – er wird auch der "James Brown von Ghana" genannt. Doch die beiden sind altersmäßig Ausreißer - die meisten der Künstler sind viel jünger.

Wir haben keinen einzelnen Kurator, der mit seinem Geschmack das Publikum missionieren will.

Sebastian Studnitzky, Festival-Leiter

Viele Entdeckungen und hierzulande eher noch unbekannte Künstlerinnen und Künstler sind dabei. Zum Beispiel der Syrer Milad Khawam. Der Trompeter ist seit 2015 hier in Deutschland und sein Album "To the West" kommt sehr leichtfüßig daher, aber in diesem Stück verarbeitet der Musiker aus Syrien seine Flucht in den Westen.

Ein starkes Kontingent an rauer, wilder Musik kommt dieses Jahr aus Großbritannien:
Die Musik der Britin Chelsea Carmichael ist vielschichtig, vertrackt, lustig, frisch – eine Entdeckung. Sie tritt am Freitagabend im Fluxbau auf, am gleichen Tag auch die Rapperin Nadia Rose, die mit ihrem Video- Hit "Skwod" eine vielbeachtete Hymne auf female empowerment geliefert hat: Freitag um 20 Uhr im Festsaal Kreuzberg.

Die Mischung mache es, meint Festival-Leiter Sebastian Studnitzky: "Das ist von Anfang an unser Konzept: Wir versuchen, etablierte und internationale Acts mit lokalen Acts gleichberechtigt auf die Bühne zu stellen. Wir haben keinen einzelnen Kurator, der mit seinem Geschmack das Publikum missionieren will, sondern sind eine große Gruppe: Jeder bringt seine Ideen in die Runde."

So ergibt sich Vielfalt. Schon seit dem letzten Jahr ist das Festival sehr aktiv, hat ganz bewusst ukrainische Künstlerinnen und Künstler ins Programm eingebunden. In diesem Jahr ist es etwa das Projekt RAY, mit Andrii und Anastasiia Pokaz, Sebastian Studnitzky und der "Apache Crew" – eine Performance aus Musik und Ballett.

Viele aktuelle Preisträger im Programm

Die frischgebackene Preisträgerin des Deutschen Jazzpreises in der Kategorie "Künstlerin des Jahres", die in Berlin lebende Performerin Sanni Est, mit Wurzeln aus Brasilien, spielt gegen Ende des Festivals. Damit hat XJazz! ziemlich viele aktuelle Preisträger im Programm, die vor kurzem in Bremen bei der Verleihung der deutschen Jazz-Preise ausgezeichnet worden sind.

Darunter eben Sanny Est mit ihrem Latin-Futurismo, aber auch Natalie Greffel. Die Sängerin und Bassistin Greffel ist in Mosambik geboren, in Dänemark aufgewachsen, lebt in Berlin und tritt am Freitagabend zusammen mit der US-Musikerin Angel Bat Dawid auf. Die Chicagoer Free-Jazz Klarinettistin und die Berliner Musikerin erzählen dabei sehr persönliche Geschichten. Weitere Tips sind das israelische Power-Trio Shalosh am Freitag im Privatclub oder die Londoner Afrobeat-Sensation KokoRoko am Sonntagabend im Festsaal Kreuzberg

Vorhang auf also für ein grandioses, buntes und lautes XJazz! Festival 2023. Es wird eklektisch werden und inspirierend. Jazz ist nicht tot – er wandelt sich – und verändert so auch die Szene in Berlin.

Sendung: rbbKultur, 07.05.2023, 23:00 Uhr

Beitrag von Holger Zimmer

3 Kommentare

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  1. 3.

    Jazz lebt!
    Klar ist die Popularität seit den 60er stetig abgekippt, aber wenn kümmert's.
    Die letzten Jahrzente haben gezeigt, dass da noch einiges geht.

  2. 2.

    Schade, dass Eric Alexander, der mitRevival of the Fittest in Kopenhagen zu sehen und zu hören war,
    nicht dabei ist.

  3. 1.

    Jazz isn´d dead. It just smells funny. Frank Zappa

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