"Staatsakt"-Label aus Berlin wird 20 - "Wir dachten, wir regieren aus unserer WG-Küche jetzt den Pop-Markt"

Fr 29.09.23 | 10:20 Uhr | Von Hendrik Schröder
Isolation Berlin spielten am 12.05.2018 im Berliner Astra Kulturhaus. (Foto: imago/Carsten Thesing)
Audio: Inforadio | 29.09.2023 | Hendrik Schröder | Bild: imago/Carsten Thesing

"Staatsakt" wurde einst aus der Not geboren und gehört heute längst zu den spannendsten und findigsten Labels für deutschsprachigen Indie-Pop. Jetzt feiert es 20-jähriges Jubiläum. Von Hendrik Schröder

Die Story von "Staatsakt" fängt an, wie so viele Gründungsmythen von kleinen Independent-Labels. Ein paar Kumpels hatten eine Band: "Die Türen". "Die Türen" waren auch gar nicht schlecht, spielten Auftritte, passten aber so recht in keine Schublade, so dass kein Label im ganzen Land eine Platte mit ihnen machen wollte. Also gründeten sie einfach ihre eigene Plattenfirma. "Staatsakt" war geboren. "Das Herz war Nihilismus" hieß das "Die Türen"-Debüt.

2004 kam es raus und es wurde ein fulminanter Erfolg. Damals saßen die Musiker und Neu-Labelbetreiber in ihrer WG-Küche und dachten, sie hätten die Weltformel gefunden, erinnert sich Sänger und Labelchef Maurice Summen heute. "Wir dachten, alles klar, hier aus unserer WG-Küche heraus regieren wir jetzt den Pop-Markt. Dann mussten wir feststellen, dass das nicht bei allen Veröffentlichungen so läuft. Aber zum Glück gab es immer wieder Veröffentlichungen, die durch die Decke gegangen sind."

Indie-Pop abseits vom Mainstream

Denn "Staatsakt" hat den richtigen Riecher. Sie spezialisieren sich, ob mit Absicht oder aus Versehen, weil es eben die Musik ist, die sie mögen, auf deutschsprachige Indie-Pop-Musik abseits des Mainstreams. Und diese Nische soll in den kommenden zwanzig Jahren immer größer werden. "Staatsakt" veröffentlichen neben vielen vielen anderen Platten von "Ja, Panik", "Die Sterne", "Isolation Berlin" und Christiane Rösinger. Das sind allesamt Acts, die keine großen Hallen füllen, sich aber in der zweiten oder dritten Liga gut etabliert haben.

So könne man arbeiten, sagt auch Rösinger. "Das sind tolle Leute bei Staatsakt, aber nicht überambitioniert. Bisschen unordentlich, bisschen unorganisiert, aber sehr sympathisch und immer mit neuen Ideen." Es ist wahrscheinlich auch diese Attitüde, dass Business und Gewinn nicht ständig im Vordergrund stehen, sondern eher Freundschaften, Ideen, künstlerische Visionen, weswegen das Label allerorten so einen guten, liebenswerten Ruf hat.

Info-Box

Das Label "Staatsakt" wird 20 Jahre alt, feiert Freitag und Samstag mit einer Gala im Hebbel am Ufer [hebbel-am-ufer.de]. Unter anderem Die Türen, Hans Unstern und Jens Friebe treten auf. Eine Bigband spielt Songs aus dem Repertoire des Labels. Für den Samstagabend gibt es (Stand Donnerstag) noch Tickets.

"Die CD konnte ich eh nie leiden"

Allerdings muss auch ein Indie-Label irgendwie die Kohle reinholen. Und die Luft für Veröffentlichungen wird ja, wie man überall lesen kann, immer dünner. Bei "Staatsakt" arbeiten aktuell nur zwei Leute: Gründer und Chef Maurice Summen und PR-Stratege Markus Görres.

Kann man nur mit so einer Minimalbesetzung überleben? Nein, widerspricht Summen, man überlege sogar, im kommenden Jahr jemand Dritten einzustellen, denn die Zeiten seien gar nicht so schlecht. "Verglichen mit 2003, als wir angefangen haben, haben sich sehr viele Sachen zum Positiven entwickelt. Man denke an bezahlte Streaming-Dienste, an Fördertöpfe wie die Initiative Musik, man denke an das Comeback der Vinyl-Schallplatte. Und ganz ehrlich, die CD konnte ich eh nie leiden."

Die Guten landen alle bei "Staatsakt"

Die Abspielmedien wechseln, "Staatsakt bleibt"; so klingt es. Christiane Rösinger findet jedenfalls, dass fast alles, was immer mal wieder mit interessanter deutschsprachiger Musik um die Ecke kommt, am Ende auf dem "Staatsakt"-Label lande: "Also wenn ich dann mal 'Nichseattle', 'Düsseldorf Düsterboys' oder 'Isolation Berlin' höre und denke, nicht schlecht, dann kommt deren Platte mit Sicherheit ein halbes Jahr später bei Staatsakt raus."

Nicht unwahrscheinlich, dass das Kleinstlabel aus Berlin mit diesem Händchen auch in weiteren 20 Jahren immer noch gute Musik veröffentlichen wird. Auf welchem Wege auch immer.

Sendung: Radioeins, 29.09.2023, 15:44 Uhr

Beitrag von Hendrik Schröder

Nächster Artikel