Umstrittene Veranstaltung - Berliner Kulturzentrum Oyoun klagt wegen Ende von staatlicher Förderung

So 17.12.23 | 15:57 Uhr | Von Efthymis Angeloudis
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Kulturzentrum Oyoun; © Tomas Fitzel
Audio: rbb24 Kulturradio | 14.12.2023 | Tomas Fitzel | Bild: Tomas Fitzel

Ein Israel-kritischer Verein hält eine Veranstaltung im Kulturzentrum Oyoun ab. Dann wird Oyoun mitgeteilt, dass staatliche Gelder gestrichen werden. Das Haus klagt nun gegen den Senat, wird aber mit Antisemitismus-Vorwürfen konfrontiert. Von Efthymis Angeloudis

Eine Veranstaltung, die auf den ersten Blick nicht so wirkt, als könnte sie Aufsehen erregen, scheint dem Kulturzentrum Oyoun in Neukölln nun zum Verhängnis zu werden. Wegen der "Trauer- und Hoffnungsfeier" der "Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden im Nahen Osten", einem Israel-kritischen Verein von Jüdinnen und Juden, die am 4. November in den Räumen des Kulturzentrums in der Lucy-Lameck-Straße stattfand, soll dem Oyoun nun die staatliche Förderung gestrichen werden - so sehen es wenigstens seine Betreiber.

Kulturverwaltung: Förderung läuft regulär aus

"Es war eine Trauerfeier", sagt die Geschäftsführerin des Oyoun Louna Sbou rbb|24. "Es war zu dem Zeitpunkt unglaublich wichtig, dass diese Stimmen, diese Menschen zusammenkommen können, um gemeinsam zu trauern, nach jüdischer Tradition. Was soll daran verwerflich sein?"

Nichts, sagt seit Kurzem auch die Senatsverwaltung für Kultur. "Die Förderung des Oyoun läuft zum Jahresende regulär aus. Die Aussage des Oyoun, dass dies aufgrund einer Veranstaltung der "Jüdischen Stimme" passiert, ist nicht zutreffend", antwortet die Pressestelle auf Anfrage von rbb|24.

Zu Oyoun

Der Sitz des Berliner Kulturzentrums Oyoun in der Lucy-Lameck-Straße in Berlin-Neukölln.(Quelle:rbb/E.Angeloudis)
rbb/E.Angeloudis

Das Kulturzentrum Oyoun ist nach eigenen Angaben eine BIPOC-geleitete, kosmopolitische und intersektionale Kunst- und Kultureinrichtung. Das Haus in der Neuköllner Lucy-Lameck-Straße beschäftigt heute 32 Arbeitnehmer*innen und Fellows und erhält derzeit eine jährliche Förderung von 1 Millionen Euro sowie Lottomittel für Projekte.

Verbot von Nutzung von Räumen nicht rechtmäßig

Anfang November war die Position des Kultursenators Joe Chialo (CDU) noch eine andere. "Die Reaktionen, die seit dem 7. Oktober seitens Oyoun erfolgt sind, in Verbindung mit Vorfällen aus den Vorjahren, hat unser Haus in der vergangenen Woche zum Anlass genommen, die Förderung Oyouns grundsätzlich zu überprüfen", ließ er mitteilen. "Es ist meine Absicht, hier schnell zu einem Ergebnis zu kommen und zu handeln."

"Die "Jüdische Stimme" unterstützt laut ihrer Satzung die BDS-Bewegung. Oyoun wurde bereits von der vorangegangenen Hausleitung unter Klaus Lederer (Die Linke) mehrfach darauf hingewiesen, dass öffentlich finanzierte Räume nicht an Organisationen zur Verfügung gestellt werden dürfen, welche die Existenz Israels als jüdischen Staat delegitimieren", antwortete die Senatsverwaltung für Kultur auf Anfrage des rbb am 15. November. "Auch die neue Hausleitung steht hinter dem Landeskonzept zur Weiterentwicklung der Antisemitismusprävention. Die Fortsetzung der Förderung wird derzeit geprüft", sagte eine Sprecherin.

BDS steht für "Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen" und ist eine internationale Bewegung, die Menschen dazu aufruft, Unternehmen und Institute, denen BDS nachsagt, "Israels Politik der Besatzung, Kolonisierung und Apartheid" zu unterstützen, zu boykottieren. Sie fordert zudem internationale Sanktionen gegen Israel.

Es gibt eindeutige historische Gründe für das Unbehagen gegenüber Boykottaufrufen, die viele als vergleichbar mit den Nazi-Boykott-Aufrufen jüdischer Geschäfte betrachten. Ein Verbot der Nutzung von landeseigenen oder vom Land geförderten Räumen für Veranstaltungen zum Thema Israel-Boykott ist allerdings nicht rechtmäßig. Das entschied das Bundesverwaltungsgericht im Januar vergangenen Jahres [bverwg.de] unter Verweis auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit.

Terror-Angriff als "Gefängnisausbruch" bezeichnet

Auf eine Frage der Abgeordneten Manuela Schmidt (Die Linke) vom 7. November, welche Veranstaltungen eine Prüfung der staatlichen Zuwendung veranlasst hätten, antwortete der Kultursenat mit zwei Angaben: Eine Veranstaltung unter Mitwirkung von "Palästina spricht" am 11. Mai 2022 und die "Trauer- und Hoffnungsfeier" der "Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V.", am 4. November 2023. "Diese Veranstaltungen gaben Anlass zur Prüfung der Zuwendung an die Kultur NeuDenken gUG", antwortete die Senatsverwaltung.

Ganz so belanglos, wie die Kulturverwaltung behauptet, scheint die Veranstaltung vom 4. November also doch nicht gewesen zu sein. Verboten ist der Verein "Jüdische Stimme" nicht, ebenso wenig die Organisation "Palästina spricht". Allerdings stehen beide Organisationen in der Kritik, nachdem sie den Terror-Angriff der Hamas vom 7. Oktober als "Gefängnisausbruch" bezeichnet hatten [juedischestimme.de].

Antisemitismus-Vorwürfe gegen das Oyoun

Auch in der Vergangenheit habe es Druck gegeben, Veranstaltungen der "Jüdischen Stimme" abzusagen, sagte Oyoun-Geschäftsführerin Sbou dem rbb. Das Kulturzentrum hätte aus Angst vor der Streichung von Mitteln, diesem Druck nachgegeben. Dieses Mal habe man sich anders entschieden, auch weil man sich nicht länger habe anmaßen wollen, welche jüdischen Menschen das Haus mitnutzen und mitgestalten könnten und welche nicht. "Wir möchten uns nicht an antisemitischem Handeln beteiligen und einer jüdischen Organisation Räume verbieten", sagte die Mitgründerin des Oyoun, Nina Martin auf einer Pressekonferenz des Kulturzentrums am Donnerstag.

Ob die "Jüdische Stimme" nach Einschätzung der Kulturverwaltung eine Israel-feindliche oder antisemitische Gruppierung sei, ließ die Pressestelle unbeantwortet. Wohl auch weil es mehr als gewagt wäre, einem jüdischen Verein wie der "Jüdischen Stimme" Antisemitismus vorzuwerfen.

Sbou und die Leitung des Oyoun werden nun selbst mit Antisemitismus-Vorwürfen konfrontiert, wie der "Tagesspiegel" berichtete [Bezahlinhalt]. Unter anderem wird Mitarbeitern des Oyoun demnach vorgeworfen, einen Musiker, der zu Gast bei einer Veranstaltung war, unter antisemitischen Rufen aus dem Kulturzentrum verwiesen zu haben.

Nach einem Gespräch mit dem aus der Türkei stammenden Musiker berichtete rbbKultur, dass dies "kein antisemitischer Vorfall" gewesen sei, aber Fragen zum Pluralismus im Oyoun aufwerfe. Ein anderer Gast, mit dem der Musiker im Vorfeld eine Diskussion über Antisemitismus gehabt habe, habe dem Awareness-Team des Oyoun gemeldet, sich von ihm bedroht gefühlt zu haben, woraufhin der Musiker gebeten wurde zu gehen. Freunde dieser anderen Person sollen dem Musiker anschließend "Free Palestine" hinterhergerufen haben.

Läuft die Förderung regulär ab?

Auch in Anbetracht dieser Vorwürfe scheint ein reguläres "Ablaufen" der Förderung, wie sie der Kultursenat beschreibt, angesichts der schriftlichen Vergabe der Förderung von 2022 bis 2025, die dem rbb vorliegt, unpräzise. "Es ist üblich, dass im Zuwendungsverfahren grundsätzlich sowohl auf Antrag als auch fortlaufend geprüft wird, ob die Fördervoraussetzungen (noch) vorliegen", antwortet die Senatsverwaltung für Kultur.

Ein heikler juristischer Fall, bei dem Chialos Verwaltung nicht gerade Kontinuität bewiesen hat. Deshalb hat das Oyoun am 7. Dezember Klage gegen die Kulturverwaltung eingereicht. Die Leitung des Kulturzentrums will damit erreichen, dass die Senatsverwaltung die Förderung von einer Million Euro pro Jahr bis 2025 fortführt.

Die Position der Kulturverwaltung allerdings bleibt: Die Förderung laufe regulär zum Jahresende 2023 aus. Ein neues Konzept für die Lucy-Lameck-Straße werde derzeit noch entwickelt. "Im Rahmen der folgenden Ausschreibung kann sich auch Oyoun wieder bewerben", heißt es auf Nachfrage des rbb. Ob die Aussichten auf Erfolg des Oyoun, sollte es sich nochmal bewerben, nach dieser Vorgeschichte hoch sind, ist mehr als fraglich.

Sendung: rbb Kultur, 14.12.2023, 16:10 Uhr

Beitrag von Efthymis Angeloudis

14 Kommentare

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  1. 14.

    Vermutlich liegt es an meinem Begriff von Kultur. Was hat dieser seltsame Verein mit Kultur zu tun uns weshalb ist so etwas förderungswürdig?

  2. 13.

    Kritische Diskussionen sind bei Oyoun eh nicjt erwünscht. Als sich abzeichnet, dass eine geplante Diskussion im Anschluß an einen Film über die liberale Ibn-Rushd-Goethe-Moschee nicht den gewünschten Verlauf nehmen würde, wurde die ohne Begründung von Oyoun abgesagt und ließ stattdessen ein Statement verlesen, in dem man Ates "Islamophobie" vorwarf.

  3. 12.

    Wessen Brot ich ess, dessen Lied ich sing!

  4. 11.

    Realsatire...

  5. 10.

    Die Meinungsfreiheit wird nicht beschnitten. Es soll nur kein Geld mehr geben.

  6. 9.

    Meinungsfreiheit ist nicht eingeschränkt. Der Verein kann sich sich schließlich selber finanzieren. Können doch die. Mitglieder tragen wenn denen Meinungsfreiheit so wichtig ist.

  7. 8.

    Wenn nicht endlich Entspannung in die Diskussionen einzieht, die Bereitschaft, anderen zuzuhören und sie für abweichende Meinungen nicht persönlich anzugreifen, dann wird das so weiter gehen. Und schlimmer werden.

  8. 7.

    Der Berliner Senat streicht Kulturförderung, weil einem jüdischen Verein ermöglicht wurde, eine Veranstaltung durchzuführen?

    Ein klarer Fall von Antisemtismus. Chialo, Wegner und Co. sollten zurücktreten. Niemals ist jetzt!

  9. 6.

    Es nicht nur die Veranstaltungen. Auch die Mitgründerin, Geschäftsführerin und künstlerischen Leiterin des Hauses, Louna Sbou, hat sich laut Tagesspiegel in Widersprüche u.a. zu ihren Boykott-Aufrufen und Veranstaltungen mit PFLP-Terroristen verwickelt.

  10. 5.

    Besonders betroffen vom miesen Arbeitsbedingungen sind genau die mehrfachmarginalisierten Personen, für die das Oyoun eigentlich ein Ort sein will. Dass gelingt ihnen aber wesentlich schlechter als der Werkstatt der Kulturen, die daor jahrzentelang an dem Ort zu Hause war und vom Oyoun "feindlich übernommen" wurde(Zitat von Fuasi Abdul-Khaliq).

    Wer mit Leuten spricht, die Probleme mit dem Oyoun Management haben, hört aktuell immer wieder, dass es wohl schon mehrere Unterlassungsklagen gab. Juristisch sind de natürlich nicht haltbar, aber das Geld um diese anzufechten haben die meisten schlicht nicht. Was daran progressiv oder safer space sein soll, erschließt sich mir nicht.

  11. 4.

    So viel zur nicht vorhandenen meinungsfreiheit.

  12. 3.

    'Staatliche Förderung' heißt im Klartext: Wir Steuerzahler bezahlen das. Bin als Steuerzahler strikt dagegen.

  13. 2.

    In einer Stadt, wo die Mitglieder der Gruppe "Students for Free Palestine", die am Donnerstag zeitweilig einen Hörsaal der Freien Universität Berlin in Dahlem besetzt hatten und es dabei auch zu antisemitischen Äußerungen und Auseinandersetzungen gekommen sei, als "Aktivisten" bezeichnet werden, ist alles möglich. Wenn anderenorts ein gewisser Masha Gessen mit dem Hannah-Arendt-Preis ausgezeichnet wurde, obwohl er die Situation in Gaza mit den jüdischen Ghettos im besetzten Europa verglichen hatte.

  14. 1.

    Also blanker Antisemitismus seitens des Kultursenats, denn ma strich ja die Gelder, weil die Räume des Zentrums jüdischen Mitbürgern zur Verfügung gestellt wurde.

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