Frankfurt (Oder) - Sarah Calörtscher mit Kleist-Förderpreis ausgezeichnet
In ihrem Drama "Herz aus Polyester" beschreibt die Schweizerin Sarah Calörtscher das Rennen von Menschen um ein besseres Leben auf dem Mars - und wirft ein Schlaglicht auf die Tücken der Zivilisation. Jetzt bekommt sie dafür den Kleist-Förderpreis.
Der 29. Kleist-Förderpreis für jungen Dramatikerinnen und Dramatiker geht in diesem Jahr an Sarah Calörtscher. Das wurde am Mittwoch in Frankfurt (Oder) bekanntgegeben.
Calörtscher wurde 1991 in Graubünden in der Schweiz geboren. Nach einem Bachelor in Musik und Bewegung studierte sie Dramaturgie an der Zürcher Hochschule der Künste. Seitdem ist sie als freie Dramaturgin, Musikerin und Autorin unterwegs.
Stück über Fluch der Zivilisation
Von sich selbst sagt sie, dass sie am liebsten an Tastaturen sitzt. An Synthesizern mache sie Musik, am Computer entstünden dann auch Wortgebilde - so auch für das nun in Frankfurt (Oder) ausgezeichnete Drama "Herz aus Polyester". In der poetischen Science-Fiction-Geschichte geht es um eine geheimnisvolle Krankheit und Ressourcenmangel auf der Erde. Drei Menschen bewerben sich um einen der begehrten Plätze auf einer Mars-Kolonie, dem einzigen Ausweg. Die Auswahl und Eignungsprüfung wird allerdings durch einen künstlichen Algorithmus getroffen.
"Das Werk verbindet geschickt den Fluch der Zivilisation mit der Hoffnung auf ein verbessertes Leben auf dem Mars", heißt es von der Jury. Calörtscher beschreibe die Angst vor Stillstand, Hoffnungen und die Gier der Menschheit nach Fortschritt. "Mit beeindruckender Sprachgewalt erschafft sie nicht nur einem abstrakten Algorithmus eine lebendige Präsenz, sondern zeigt in dieser poetischen Science-Fiction auf, welche Möglichkeiten und Ausdrucksmittel das digitale Erzählen auf der Bühne bieten kann, ohne dabei das Menschliche aus den Augen zu verlieren."
Das Stück habe im Auswahlgremium, bestehend aus neun regionalen und nationalen Kunstschaffenden, direkt für Gesprächsstoff gesorgt, sagt Jury-Leiter Florian Vogel. "Das hat bei uns so einen großen Kosmos aufgemacht, was großartig ist. Wir haben uns auch jenseits des Stückes fast in einem großen gesellschaftlichen Diskurs befunden. Auch das macht das Stück spannend."
Uraufführung im Oktober in Frankfurt
Der Kleist-Förderpreis ist mit 7.500 Euro dotiert und garantiert die Uraufführung des prämierten Stückes. Insgesamt 61 junge Dramatikerinnen und Dramatiker hatten sich für die Auszeichnung beworben. Für die 32-jährige Gewinnerin ist die Entscheidung noch immer überraschend. "Ich kann gar nicht fassen, dass diese Chance meinem allerersten Theaterstück eingeräumt wurde und bin sehr dankbar für diese Gelegenheit", so Calörtscher dem rbb am Mittwoch.
Zu ihrer Motivation, das Stück zu schreiben, sagte sie: "Das Gefühl, mit einem System oder den Umständen nicht einverstanden zu sein und das irgendwie verändern zu wollen, dabei eine empfundene Ohnmacht. Diese Komplexität in eine Emotion, Bilder und Sprache zu packen, war sehr wichtig für mich."
Die offizielle Preisverleihung findet im Rahmen der Kleist-Festtage am 9. Oktober statt. Dort wird auch "Herz aus Polyester" erstmals in Frankfurt gezeigt, produziert vom Deutschen Theater Berlin in Zusammenarbeit mit dem Kleist-Forum. Mit all seinen abstrakten Ebenen kann das durchaus eine Herausforderung sein, so Karla Mäder, die leitende Dramaturgin. "Das Thema ist riesig und weit entfernt auf einer Raumstation zwischen Erde und Mars. Es tritt eine Mikroplastikteilchen-Band auf oder es gibt Zwillings-Sonden. Das ist eine wahnsinnig schöne Aufgabe, eine textgebundene in eine szenische Phantasie zu übersetzen." Bereits vor der Uraufführung ist das Stück als Premiere Ende September am Deutschen Theater in Berlin zu sehen.
Preis in Ehren eines berühmten Frankfurters
Der Kleist-Förderpreis wird seit 1996 von der Stadt vergeben. Bewerberinnen und Bewerber dürfen bei Einsendeschluss nicht älter als 35 Jahre alt sein.
Der Dramatiker und Lyriker Heinrich von Kleist wurde 1777 in Frankfurt (Oder) geboren und starb 1811 in Berlin-Wannsee. Zu seinen bekanntesten Werken gehören das Schauspiel "Das Käthchen von Heilbronn", sein Lustspiel "Der zerbrochne Krug" sowie die Novellen "Michael Kohlhaas" und "Die Marquise von O...".
Sendung: 31.01.2024, 12:30 Uhr
Mit Material von Eva Kirchner-Rätsch