Vom Kino zur Wahlkabine - Defa-Stars machen sich für die Demokratie stark
Unter dem Slogan "Wir haben die Wahl!" rufen einige ostdeutsche Schauspielerinnen und Schauspieler dazu auf, sich an den Landtagswahlen zu beteiligen. Eine Kampagne der Defa-Stiftung, die Zuspruch, aber auch Gegenwind erntet. Von Corinne Orlowski
Angela Merkels Lieblingsfilm "Die Legende von Paul und Paula" (1973) ist der erfolgreichste Film der DDR-Geschichte. Das damalige Publikum war begeistert von der turbulenten Defa-Romanze, die SED-Führung beäugte sie misstrauisch – und Winfried Glatzeder wurde durch sie zum Star. Er spielte die männliche Hauptrolle Paul, der mit einer Axt eine Tür einschlägt, um das persönliche Glück gegen die sozialistische Norm zu erkämpfen. "Das war toll, das hat mir großen Spaß gemacht", kommentiert Glatzeder die Szene heute. "Jetzt bin ich fast 80, aber ich habe das Glück, 80 Jahre Friedenszeit erlebt zu haben. Ich kann nur jedem sagen: Es gibt nichts Schöneres als eine demokratische Gesellschaft, in der wir jetzt leben."
Eine Wahlempfehlung geben sie bewusst nicht
Glatzeder ist einer von vielen noch lebenden Defa-Schauspielerinnen und Schauspielern, die sich vor den Landtagswahlen im Osten um die Demokratie sorgen. Daher rufen sie in kurzen Videoclips dazu auf, wählen zu gehen. Initiiert wurde das Projekt von der Defa-Stiftung, die das DDR-Filmerbe verwaltet, und beunruhigt ist vom Ausgang der Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg.
Die AfD wird in den drei Bundesländern als gesichert rechtsextrem beziehungsweise als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft. Wenn sie stärkste Kraft wird, könne "sie Ämter und Gerichte umbesetzen, und ihre Haltung entsprechend verbreiten und praktizieren und sowas ist schwer wieder zurückzudrehen", befürchtet Stefanie Eckert aus dem Stiftungsvorstand. Sie war überrascht, wie viele der angefragten Defa-Stars Gesicht zeigen wollen, darunter Jutta Wachowiak ("Käthe Kollwitz"), Pierre Sanoussi-Bliss ("Coming Out") oder Carmen-Maja Antoni ("Die dicke Tilla").
"Ausländer raus ist keine Lösung"
Die Videoclips beginnen immer mit einem Filmausschnitt und werden mit einem Statement verknüpft. Eckert ist überzeugt, dass Defa-Filme zum Teil ganz universale Botschaften beinhalten. Diese haben sie für die Kampagne herausgesucht. "So kommentieren jetzt die Defa-Stars Sätze, die sie schon einmal vor 40 oder 50 Jahren in einem anderen Zusammenhang gesagt haben und die entweder noch immer von Relevanz sind oder die man hinterfragen kann." Eine Wahlempfehlung geben sie bewusst nicht.
Die Szenen greifen den Umgang mit Andersdenkenden, Frauenbilder, Rassismus oder Migration auf. Wie der Kinderfilm "Isabel auf der Treppe" von 1984 mit Jaeckie Schwarz. Im Film flieht eine Mutter nach dem Pinochet-Putsch aus Chile in die DDR – wie rund 2000 ihrer Landsleute. Schwarz wird nachdenklich, nachdem er die Szene heute wieder sieht: "Das liegt, glaube ich, in jedem, dass man ein bisschen Angst oder Furcht vor dem Anderen hat, vor dem Neuen. Und wenn er auch noch anders spricht, anders aussieht, eine andere Kultur hat, dann erst recht. Wenn man sagt, 'Ausländer raus', ist das keine Lösung. Man darf denen, die die Angst der Leute benutzen, um selbst an die Macht zu kommen, nicht glauben und die darf man auch nicht wählen."
Gegenwind im Netz
Die Videoclips "Wir haben die Wahl" werden noch bis September auf den Online-Kanälen der Defa-Stiftung veröffentlicht, darunter Facebook, Instagram und YouTube. Dafür gibt es nicht nur Zuspruch, erklärt Eckert, sondern auch Gegenwind. "Es ist erschreckend, wie stark die Kommentare zeigen, dass es offenbar eine Bevölkerungsschicht gibt, die das System, in dem wir gerade leben, komplett in Frage stellt. Also Kommentare, die die Sozialdemokratie mit Faschismus gleichsetzen und behaupten, dass sich die Defa-Schauspieler jetzt für Politik missbrauchen lassen."
Die vielen Reaktionen im Netz zeigen aber auch, dass die Defa-Kampagne wahrgenommen wird. Und vielleicht so Eckert, bewegt sie sogar ein paar von jenen zum Nachdenken an der Wahlurne, die man auf herkömmlichen Nachrichtenwegen schon gar nicht mehr erreicht.
Sendung: rbb24 Inforadio, 27.08.2024, 13:40 Uhr
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