Schau in der Alten Nationalgalerie - "Monet war ein Trendsetter"

Fr 27.09.24 | 06:28 Uhr | Von Marie Kaiser
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Eine Serie von Pariser Stadtansichten steht im Zentrum der Ausstellung "Monet und die impressionistische Stadt", mit der die Alte Nationalgalerie in Berlin ab Freitag 150 Jahre Impressionismus wuerdigt. (Quelle: dpa/Blume)
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Erstmals ist das Paris-Trio von Claude Monet in Europa zu sehen. Die Ausstellung "Die impressionistische Stadt" vereint Monets drei früheste Ansichten von Paris. Die Perspektive ist ungewöhnlich: Der Künstler hatte seine Staffelei auf dem Balkon des Louvre aufgebaut. Von Marie Kaiser

Normalerweise pilgerten die Künstler Mitte des 19. Jahrhunderts in den Louvre, um vor bedeutsamen Kunstwerken ihre Staffelei aufzubauen und ihren Blick beim Kopieren der Alten Meister an der Kunstgeschichte zu schulen. Um das tun zu können, mussten die Maler immer eine Genehmigung beim Museumsdirektor beantragen. Im Jahr 1867 erhielt der Direktor des Louvre allerdings eine ungewöhnliche Anfrage. Der damals wenig bekannte Künstler Claude Monet bat um die Erlaubnis, draußen auf dem Balkon des Louvre seine Staffelei aufbauen zu dürfen. Im Jahr der Weltausstellung in Paris kehrte der 26-jährige Maler den Alten Meistern bewusst den Rücken. Vom Balkon aus wollte er seine Heimatstadt Paris malen.

Das Balkon-Trio ist wiedervereint

Drei Stadtansichten sind 1867 auf dem Balkon des Louvre entstanden. Auf einem der Gemälde, das schon lange im Besitz der Alten Nationalgalerie ist und jetzt den Mittelpunkt der Ausstellung bildet, ist die mittelalterliche Kirche "Saint-Germain-L'Auxerrois" zu sehen, die direkt gegenüber vom Louvre steht. Dass nun die anderen beiden Gemälde "Saint-Germain-L'Auxerrois" flankieren, ist eine kleine Sensation. Das Balkon-Trio wird zum ersten Mal in Europa wiedervereint gezeigt. In der Leihgabe aus Ohio "Le Jardin de l'Infante" hat Monet den Garten der Infantin eingefangen, in dem zahllose herausgeputzte Menschen flanieren. Auch auf "Quai du Louvre", eine Leihgabe aus Den Haag, spazieren Flaneure zwischen Pferdekutschen entlang der Uferstraße der Seine.

Der Anblick, der sich Claude Monet damals geboten hat, muss dem Maler unglaublich modern vorgekommen sein. Das Paris aus Monets Kindheit war seit 1852 durch den Stadtpräfekten Georges-Eugène Haussmann radikal umgestaltet worden. Aus einer dunklen und verwinkelten mittelalterlichen Stadt wurde eine moderne Metropole mit breiten Boulevards und Avenuen, prächtigen Plätzen und Parks. Für den Direktor der Alten Nationalgalerie Ralph Gleis offenbart sich in diesen drei Stadtansichten nicht nur Monets Begeisterung für die Moderne, sondern auch ein kunsthistorischer Umbruch.

Eine Serie von Pariser Stadtansichten steht im Zentrum der Ausstellung "Monet und die impressionistische Stadt", mit der die Alte Nationalgalerie. (Quelle: dpa/Blume)
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Monet als Trendsetter

"Monet war einer der ersten Maler, der die moderne Stadt in den Blick genommen hat, die damals zu einer Bühne für das Bürgertum wurde", erklärt Gleis, der die Ausstellung "Die impressionistische Stadt" kuratiert hat. "Monet war ein Trendsetter, der mit einer alten Tradition gebrochen hat. Andere Künstler hielten in ihren Gemälden und Zeichnungen eher die Spuren der mittelalterlichen Stadt fest. Abrisshäuser, Schuttberge und zerstörte Gässchen. Da war auch eine Portion Nostalgie dabei."

Dieser Sehnsucht nach dem alten Paris setzte Monet seine Begeisterung für die moderne Metropole entgegen. Eine Begeisterung, die viele überraschen dürfte, denn wirklich berühmt wurde Claude Monet erst später für seine Landschaftsbilder, wie der Impressionismus sich allgemein für seine Begeisterung für die Natur auszeichnet. In der Natur wurde das Motiv zur Nebensache und das Malerische konnte in den Vordergrund rücken. Klassische Architekturmalerei hingegen erfordern eigentlich eine gewisse Präzision in der Darstellung, damit Gebäude wiedererkannt werden. Steckt also nicht schon im Titel der Ausstellung "Die impressionistische Stadt" ein Widerspruch?

"Monet macht aus seinen Stadtansichten wirklich etwas ganz Malerisches", erzählt Ralph Gleis im Interview mit rbb|24. "Die blühenden Kastanienbäume, darunter die Menschenmenge. Alles ist nur angedeutet in einzelnen Pinselstrichen und trotzdem kann man sofort erkennen, was jeder da eigentlich trägt. Die Dame einen türkisfarbenen Hut, der Mann Zylinder und Frack. Alles nur einzelne kleine Pinselstriche und trotzdem hat man also das Gefühl, hier in die Szenerie eintauchen zu können. Die Flüchtigkeit und das Dynamische, was sich später noch verstärkt, sind hier schon erkennbar."

Eine Serie von Pariser Stadtansichten steht im Zentrum der Ausstellung "Monet und die impressionistische Stadt", mit der die Alte Nationalgalerie in Berlin ab Freitag 150 Jahre Impressionismus wuerdigt. (Quelle: dpa/Blume)

Ein folgenreicher Blick von oben herab

Auch damit, dass Monet einen Blick von oben vom Balkon hinunter auf die Stadt wählte, erwies sich der junge Maler als Trendsetter. Die kleine konzentrierte Ausstellung beleuchtet anhand der Arbeiten von Camille Pissaro, Gustave Caillebotte, Auguste Renoir, Maximilien Luce oder Henri Matisse wie folgenreich das für andere französische Maler war. "Wir wollten in der Ausstellung zeigen, was für ein wichtiger Impuls von diesen Gemälden damals ausging, die Blickrichtung zu verändern", sagt Ralph Gleis. "Camille Pissaro schrieb damals in einem Brief an seinen Sohn, dass er sich extra in ein Hotels in diesen neuen Straßenzügen eingemietet habe, um sein Atelier in den 6. Stock zu verlegen und von oben herab auf die Straße malen zu können."

Mit nur 25 Arbeiten in einem einzigen Raum ist "Die impressionistische Stadt" eine sehr kleine Ausstellung. Sie überzeugt aber gerade deshalb, weil sie so konzentriert ist und wirklich jedes gezeigte Kunstwerk mit Bedacht ausgewählt wurde.

Wir wollten zeigen, was für ein wichtiger Impuls von diesen Gemälden damals ausging, die Blickrichtung zu verändern

Ralph Gleis

Kutsche oder Käfer?

Wer sich Zeit nimmt, in diese Arbeiten einzutauchen, die sich rund um die drei Balkon-Bilder gruppieren, kann nachvollziehen, wie sich Monets Idee fortentwickelt hat: Wie etwa Gustave Caillebotte 1877 beim Blick aus der sechsten Etage der "Rue Halévy" unkonventionellen Bildausschnitte erprobt. Im Vordergrund wuchern grüne Balkonpflanzen. Die Straßenzüge erscheinen nur undeutlich und blau vernebelt dahinter. Wie Maximilien Luce die Stadt Paris im pointillistischen Stil in einem Gewirr aus unzähligen Farbpunkten zum Tanzen bringt. Das gipfelt schließlich im jüngsten Bild der Ausstellung aus dem Jahr 1904. 37 Jahre nach Monets Balkonbildern fängt Henri Matisse beim Blick aus dem Fenster mit nur wenigen Pinselstrichen das Charakteristische der Kathedrale Notre Dame ein. In seinem "Blick auf Notre-Dame" schillert der Himmel lila, blau, rosa und grün und "die Kutsche, die unten in der Straße vorbeifährt könnte auch ein zerdrückter Käfer sein", scherzt Ralph Gleis.

Die Ausstellung "Monet und die impressionistische Stadt" eröffnet am 27. September und ist dann noch bis 26. Januar zu sehen in der Alten Nationalgalerie.

Sendung: rbb24 Inforadio, 26.09.2024, 16:45 Uhr

Beitrag von Marie Kaiser

3 Kommentare

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  1. 3.

    Amüsant, wie die Dame mit Katalog, ein pixeliges Gemälde mit ihrem iPhone fotografiert. Das Foto mag ich.

  2. 2.

    Lesen Sie einfach den Text nochmal durch und gehen Sie in die Ausstellung, dann wissen Sie Bescheid.

  3. 1.

    Ich freue mich schon sehr auf die Ausstellung. Weiß jemand, ob dort auch Bilder ausgestellt sind, die schon im Barberini zu sehen waren?

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