Konzert | Benson Boone in Berlin - Hier kommt der neue Superstar
Vor ein paar Jahren kannte ihn noch niemand. Heute gehört Benson Boone zu den meistgestreamten Sängern der Welt. Und reißt bei seinen Live-Konzerten alle mit - so auch am Donnerstagabend in Berlin. Von Hendrik Schröder
Wer an diesem Abend in der Uber Eats Arena war, der wird später sagen können: "Tja, ich hab´ den schon live gesehen, als er noch vor ein paar Tausend Leuten in der Halle mit dem schlimmen Namen gespielt hat und nicht im Stadion". Denn eines ist klar: Benson Boone konnte die neue ganz große Nummer werden und wer ihm 90 Minuten live zuhört und zusieht, der weiß auch, warum.
Salti, Schnauzbart, Sensationen
Es ist noch kein ganzer Song gespielt da steht Benson Boone schon das erste mal auf seinem Flügel und springt zum Chorus mit einem Salto herunter. Ein Juchzen geht durch das Publikum. Im schwarzen ärmellosen Overral, so dass man den austrainierten Bizeps sieht, rote Turnschuhe, einen Berlin Schriftzug samt Bär auf dem Rücken, Schnauzbart unter der Nase, halblange dunkle Locken so tigert, jogt, hüpft, schleicht, schmachtet Boone über die Bühne. Er zeigt mit den Fingern ins Publikum, zwinkert, winkt.
"Berlin", ruft er kokett, seine Gestalt meterhoch und in allen Belangen überlebensgroß auf den Videowänden. So, dass man den Schweiß aus den Poren schießen sieht. Das ist so derart auf dicke Hose gemacht, eine Umdrehung weiter und sie würde platzen, die Hose. Also im übertragenen Sinne jetzt. Und zum Glück ist das gepflegte Rockstartum auch längst noch nicht alles, was der drauf hat.
Seine unglaubliche Geschichte
Benson Boones offizielle Geschichte zusammengefasst erzählt sich so: Vor ein paar Jahren fragten ihn Schulfreunde, ob er in ihrer Band singen wollte. Dabei erst kam heraus, was für eine unfassbare Stimme der Mann hat. Es folgten ein paar selbstgedrehte Videos im Netz (Klavier spielt er natürlich unter anderem auch noch ganz hervorragend), ein Fernsehauftritt in einer Musikshow, ein Album und zack: Gehörte er zu den meistgestreamten Künstlern der Welt. Wer ihn jetzt auf der Bühne sieht, kann es eigentlich gar nicht glauben, dass er quasi fast aus Versehen Popstar geworden ist. Aber jede gute Karriere braucht nun mal eine gute Erzählung. Ob sie genau so stimmt, ist auch egal.
"Passt auf euch auf"
Zwei Minuten später hängt Benson Boone mit dem Oberkörper über dem Absperrgitter und singt den ausschließlich weiblichen Fans in der ersten Reihe direkt ins Gesicht. Die kollabieren fast vor Freude. Trotz aller Muskelspiele und der athletischen Leistungsschau ist Benson Boon eine eher weiche Bühnenpersönlichkeit, die sich auch mal verletzlich und schwach inszeniert, das gefällt dem sehr jungen Publikum ganz gut.
Was die Inhalte seiner pathetischen Ansagen über Verlust, Sterben, das Leben an sich usw (schon erstaunlich, wie weise so ein 22-Jähriger sein kann, wenn er seine Ansagen selbst schreibt) angeht, ist allerdings gar nichts spontan oder zufällig. Alles ist ganz großes US-amerikanisches Entertainment. Dann wird Boone auch noch wirklich witzig, versucht sich, der Klassiker, in der Aussprache von Deutsch, scheitert, natürlich, das Publikum lacht sich kaputt. Smart ist er, selbstverliebt und selbstironisch zugleich. So leichtfüßig sieht das aus, doch so eine Sonderbegabung ist dieser Mann. Denn das Wichtigste kommt ja erst noch: Die Stimme! Live gesungen. Alles. Hammer.
Soli hinter dem Kopf
Hinter ihm steht seine Band, unter anderem ein Basser wie ein Baum, ein Schlagzeuger, der auch mal richtig draufhaut und eine lachende Gitarristin, die Gitarensoli hinter dem Kopf spielt. Ein Ereignis, das den Saal schier wahnsinnig macht, obwohl niemand in der Geschichte der E-Gitarre je herausgefunden hat, warum genau man das eigentlich macht, hinter dem Kopf spielen. Egal. Zu alldem singt Boone schlicht und einfach: grandios. Mit Volumen, Verve, Gefühl, totaler Souveränität. Hoffentlich dreht der nicht durch. Von wegen früher Erfolg und so. Hoffentlich hat der Leute in seinem Umfeld, die ihn ein bisschen einnorden und nicht abheben oder Mist machen lassen. Dann könnte er wirklich ein ganz Großer werden.
Sendung: rbb24 Inforadio, 15.11.2024, 10:00 Uhr