Dritter Todestag von George Floyd - Was aus der Berliner "Black Lives Matter"-Bewegung wurde

Do 25.05.23 | 07:13 Uhr | Von Lena Petersen
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Eine Teilnehmerin einer Demonstration in Berlin am 02.07.2021 unter dem Motto "Black lives still matter" hebt ihre Faust. (Quelle: Picture Alliance/Fabian Sommer)
Audio: rbb24 Inforadio | 25.05.2023 | Lena Petersen | Bild: Picture Alliance/Fabian Sommer

Vor drei Jahren wurde der schwarze US-Amerikaner George Floyd bei einer brutalen Polizeikontrolle in Minneapolis getötet. Tausende gingen weltweit für die "Black Lives Matter"-Bewegung auf die Straße - auch in Berlin. Was hat sich seitdem hier geändert? Von Lena Petersen

Etwa neun Minuten dauerte der Todeskampf von George Floyd am 25. Mai 2020: Ein weißer Polizist drückte dem schwarzen US-Amerikaner den Hals zu und erstickte ihn. Das Video der Tat ging mit dem Hashtag "BlackLivesMatter" um die Welt. Es folgte eine globale Protestwelle gegen rassistische Polizeigewalt. Auch in Berlin demonstrierten Tausende auf dem Alexanderplatz.

Der Tod von Floyd wirke bis heute nach. So beschreibt Ernestina Boahemaa-Adjei das Gefühl, dass sie begleitet, seit sie das Video gesehen hat. "Das hat uns P.O.C. [Anm. d. Red.: People of Colour] sehr zusammengeschweißt."

Archivbild: Auf dem Bild zu sehen sind Aziz Lamere und Ernestina Boahemaa-Adjei von dem Verein NARUD e.V. in Berlin-Wedding. (Quelle: rbb/Lena Petersen)
Aziz Lamere und Ernestina Boahemaa-Adjei von dem Verein Narud e.V. | Bild: rbb/Lena Petersen

Schwarze Community zusammengewachsen

Schätzungsweise rund eine Million schwarze Menschen leben in Deutschland. Die schwarze Community sei im Zuge der Proteste 2020 zusammengewachsen, meint Ernestina Boahemaa-Adjei. "Mit George Floyds Tod ist es dazu gekommen, dass viele gemerkt haben, dass Alltagsrassismus nicht nur ihnen passiert und dass wir endlich etwas dagegen tun müssen."

Für Ernestina Boahemaa-Adjei war es eine Zeit des Erwachens. Die schwarze Berlinerin setzt sich im Wedding bei Narud e.V. inzwischen beruflich gegen Rassismus ein. Der Verein ist mit anti-rassistischen Workshops an Schulen aktiv und hat eine Meldestelle für Übergriffe. Der Verein dient vor allem als Anlaufstelle für afrikanische Eltern, deren Kinder Rassismus erfahren.

Rassismus an Schulen und Kindergärten

Seit der Verein 2020 das Projekt "Stärkung Afrikanischer Eltern" (SAfE) gestartet hat, haben Menschen in mehr als 400 Fällen, um Hilfe gebeten. Der Verein zählt mehr als 100 Vorfälle von Rassismus an Schulen und Kindergärten. "Was wir hier erleben, was für Fälle hier tagtäglich gemeldet werden, was die Eltern hier erzählen, was an Berliner Schulen passiert, wie Lehrkräfte sich heute immer noch benehmen, das ist katastrophal und frontaler Rassismus", sagt Aziz Lamere. Er ist Geschäftsführer von Narud. Einen Rückgang von Rassismus gebe es seit 2020 nicht. Es handle sich nicht um Einzelfälle, sondern um ein strukturelles Problem. Aus Sicht von Aziz Lamere könnte es unter anderem helfen, wenn mehr People of Color in Entscheidungspositionen säßen.

Portrait: Dr. Céline Barry forscht als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU Berlin über Rassismus, Feminismus und Intersektionalität. Sie ist außerdem aktiv bei der Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt, KOP. (Quelle: rbb/Lena Petersen))Céline Barry forscht zu Rassismus und Feminismus an der TU Berlin

Rassistische Polizeigewalt an den eigenen Grenzen

Die Spitze Berlins ist inzwischen überraschend divers. Der Senat ist unter der schwarz-roten Regierung vielfältiger als je zuvor. Das reiche allerdings nicht, so die Meinung von Céline Barry. Sie forscht zu Rassismus und Feminismus an der Technischen Universität Berlin. "Dass in den Spitzen und in den oberen Schichten Diversität herrscht, ändert auch nichts daran, dass es Migrant:innen sind, die dann saubermachen und sich um die Kinder in den deutschen Familien kümmern oder Pflegepersonal werden und die Jobs machen, die sonst niemand mehr machen möchte", sagt die schwarze Wissenschaftlerin.

Sie sei darüber schockiert, dass Menschen nur auf die Straße gehen, wenn in den USA eine Bewegung angestoßen wird. Auch an den eigenen Grenzen würden Menschen an rassistischer Polizeigewalt sterben. "Wenn wir #BlackLives Matter für Berlin, Deutschland und Europa haben wollen, müssen wir uns besonders das Grenzregime anschauen", fordert Céline Barry.

Wir merken immer wieder, wenn wir Rassismus adressieren und thematisieren, dass oftmals Abwehrreaktionen stattfinden. Da wird gesagt: 'Das Problem in Deutschland ist nicht so umfassend.'

Tahir Della, Sprecher der Initiative "Schwarze Menschen in Deutschland"

Sie macht sich in der "Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt" (KOP) stark. Im Wahlkampf hat die CDU den Menschen in Berlin mehr Sicherheit versprochen. Als Konsequenz rechnet Céline Barry nun mit einer Verschärfung der polizeilichen Überwachung in der Stadt.

In "Communities of Color" führe das zu mehr Verunsicherung. Außerdem müsse die Zivilgesellschaft besonders darauf achten, dass die polizeikritische Arbeit nicht zurückgedrängt werde.

Fehlendes Bewusstsein für systemischen Rassismus

Der Sprecher der Initiative "Schwarze Menschen in Deutschland", Tahir Della, beurteilt das Problembewusstsein für systemischen Rassismus in Deutschland als mangelhaft. Insbesondere in Institutionen wie der Polizei oder der Justiz werde das Thema nicht ernst genommen. "Wir merken immer wieder, wenn wir Rassismus adressieren und thematisieren, dass oftmals Abwehrreaktionen stattfinden. Da wird gesagt: 'Das Problem in Deutschland ist nicht so umfassend. Wir haben das Problem nicht so stark wie in den USA oder in anderen Ländern.' Tatsächlich machen aber Daten, wie aus dem Afrozensus 2020 deutlich, dass alle gesellschaftlichen Bereiche von rassistischen Erfahrungen von Schwarzen Menschen durchdrungen sind", erklärt Tahir Della.

Er fordert, das Problem zur Kenntnis zu nehmen, anstatt zu versuchen, es klein zu reden. Erhebungen, wie die jüngste Studie zu Polizeigewalt in Deutschland würden helfen, dafür ein Bewusstsein zu schaffen. Rassismus in den Behörden und der Politik wirklich zu überwinden, sei aber auch drei Jahre nach dem Tod von George Floyd ein weiter Weg.

Sendung: rbb24 Inforadio, 25.05.2023, 08:40 Uhr

Beitrag von Lena Petersen

33 Kommentare

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  1. 33.

    Nachtrag:
    Die Definition auf
    https://en.wikipedia.org/wiki/Person_of_color
    entspricht dem, wie ich es dargestellt hatte und wie ich es aus England gewohnt war. Evtl. gibt es da eine Verschiebung in Nuancen in Deutschland, was nicht ungewöhnlich wäre, da hier einige Begriffe zwar aus dem Englischen über nommen werden aber dann leichte Bedeutungsverschiebungen erleiden.

  2. 31.

    1. Polizisten haben, gemäß Grundgesetz, nach Recht und Gesetz zu handeln und nicht nach Reflexen.
    2. Generell flüchtet niemand gerne, sondern aus Angst vor Repressalien.
    3." Solche Bewegungen, in einem Land, in das sich nahezu alle PoC gerne flüchten, schaden dem eigentlichen Ansinnen, und nutzen den Menschen, die echten Rassismus erfahren NULL, die nutzen eher den nicht Integrationswilligen um sich hinter sowas zu verstecken !" Dieser Satz ist ist einfach Nonsens!
    4. Wenn es um Diskriminierung von Frauen geht, heißt das Sexismus und Menschen die Unterdrückung ausgesetzt sind gegen andere Unterdrückte auszuspielen ist auf gut deutsch gesagt "Pfui Deibel"!
    5. Arbeitspflicht aufgrund von "rassischen " Merkmalen hatte wir schon einmal und ich kann aus Erfahrung meines Opas berichten, das war unmenschlich,entwürdigent und jeder vernunftbegabte Mensch kann als Erkenntnis daraus nur folgern: NIE WIEDER!

  3. 30.

    Hallo hier der link zur Meldestelle: https://www.antidiskriminierungsstelle.de/DE/startseite/startseite-node.html
    Dort bekommen Sie auch Unterstützung, die über das Erstatten einer Strafanzeige hinaus geht.

  4. 29.

    Hallo Björn, hier für dich zum besseren Verständnis der Terminologie: https://www.ikud.de/glossar/people-of-color-poc-definition.html

  5. 28.

    Die Sensibilisierung für Ausgrenzungen, Deprivilegierungen und Delegitimation sind dringend geboten. Eine Protestwelle ändert am grundlegenden, gesamtgesellschaftlichen Problem grds. nichts, jedenfalls nicht allein. Ob u.a. schwarze Menschen oder z.B. Roma und Sinti in ihrer Sozialisation, Erziehung oder Bildung Ausgrenzungen erfahren, ist nicht so sehr die Frage. Der Rassismus ist evident, wer ihn kleinzureden versucht, legitimiert ihn. Auch eine Gesellschaft ohne Rassismus kann es nicht geben bzgl. Deutschland. Es geht darum, wie mit den Ausgrenzungen, nicht selten grobe Rechtsbrüche, umgegangen wird, wie sie problematisiert werden und inwieweit Sensibilisierung stattfindet und gefördert wird. Die bloße Änderung der Zusammensetzung nach Quoten führt nur oberflächlich an den Ausgrenzungen vorbei. Der aktuelle Kultursenator hat z.B. die rechtsextremen Parolen und Falschbehauptungen von Merz bzgl. "Sozialtourismus" verteidigt. Auf die Handlungen kommt es an.

  6. 27.

    Die Farbe von Haut und Haaren sagt gar nichts über den Menschen aus. Das sind reine Äußerlichkeiten. Fehlt nur noch die obligatorische Frage nach "ausländischem" Vornamen. Dann haben wir den Rassismus komplett.

  7. 26.

    „Wenn ein Mensch rassistisch angegriffen wird dann gibt es nur eine "Meldestelle" und die nennt sich Polizei.“

    Unterm anderem ist von Vorfällen an Schulen und in Kindergärten die Rede. Und damit wollen Sie in jedem Fall zur Polizei gehen? Selbst, wenn die Übergriffe von Lehrkräften und Erzieher:innen verübt werden: Wollen Sie dann immer sämtliche Kinder dazu vernehmen und aussagen lassen?

  8. 25.

    "Was wünsche ich mir die allgemeine Arbeitspflicht für alle," Unklar, was Sie sich genau da vorstellen. Organisation Todt? RAD? DAF? Sie merken, in welche Ideenecke ich das stecken würde.

  9. 22.

    Aus einem "Reflex" von Polizisten, im Zweifel eher einem 2 Meter grossen Schwarzafrikaner im Görlie hinterherzulaufen, als einer weissen Frau, das halte ich jetzt ehrlich gesagt für logisch, nicht rassistisch. Solche Bewegungen, in einem Land, in das sich nahezu alle PoC gerne flüchten, schaden dem eigentlichen Ansinnen, und nutzen den Menschen, die echten Rassismus erfahren NULL, die nutzen eher den nicht Integrationswilligen um sich hinter sowas zu verstecken !

    Ich sehe in den Massnahmen der Grünpflege übrigens ausschliesslich weisse Frauen... sprechen wir hier über institutionellen Rassismus ?

    gleicher Umstand andere Hautfarbe: "Sklaventum oder sexuelle Präferenz des Einstellenden" ???

    Was wünsche ich mir die allgemeine Arbeitspflicht für alle, damit sowas endgültig mal abgeräumt ist, und nicht Minderheiten auch nur im Ansatz durch schwarze Schaafe Projektionsfläche böten !

  10. 21.

    Ich sehe es genauso wie Shirin. Besser hätte ich es nicht formulieren können. Was mich noch verwundert ist das Wort "Meldestelle". Mich hätte interessiert was dort als Meldungen erfasst wird? Wenn ein Mensch rassistisch angegriffen wird dann gibt es nur eine "Meldestelle" und die nennt sich Polizei.

  11. 20.

    "Alltagsrassismus gegenüber PoC" Black people sind aber nur eine Untergruppe der People of Colour und bei Black Lives Matter geht es doch um die Black people und nicht andere.

  12. 19.

    Aus der Bewegung wurde, lt. diesem Artikel, nichts. Nichts Messbares. Artikel wie diese erfüllen eine Aufgabe, etwas am Leben zu erhalten, um Quoten für sich zu beanspruchen? Spitzenpositionen bei Entscheidern? Selbst hier steht ja, dass es kein gravierendes Problem ist. Die geringen Zahlen belegen das eine hauptberufliche Existenz nicht haltbar ist, auf Dauer. Benachteiligungen zu bekämpfen ist eine Daueraufgabe und nicht an die Hautfarbe gebunden. Jede „Marotte“ erfährt irgendwann eine Abfuhr. Wenn man hier bei „schwarze Menschen“ das Schwarz weggelassen hätte, wäre es ehrlicher rübergekommen. Bei Straftaten lässt man hier ja auch zu gerne jede Herkunft weg. Es sei denn man hat eine deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. Dann steht hier „ein Deutscher hat....“ und jeder weiß was das bedeutet....
    Erst wenn alle gleich behandelt werden, erst dann ist Gleichberechtigung erreicht. Und solche Artikel entsprechen nicht mehr dem Zeitgeist. Jeder Mensch ist ein Mensch, egal welche Hautfarbe.

  13. 18.

    Deutschland hat eine sehr besondere Verbindung mit den USA. Das sollte eigentlich aus der Geschichte bekannt sein.

  14. 17.

    Das Geld ist wohl dewegen bei BLM knapp geworden:

    "Black Lives Matter is headed for INSOLVENCY after plunging $8.5M into the red - but founder Patrisse Cullors' brother was still paid $1.6M for 'security services' in 2022, while sister of board member earned $1.1M for 'consulting'"

    https://www.dailymail.co.uk/news/article-12117957/Black-Lives-Matter-headed-INSOLVENCY-plunging-8-5M-red.html

  15. 16.

    Sie haben recht, Wir haben viel zu lange Rassismus und Rechtsextremismus in unserer Gesellschaft und insbesondere auch in der Verfassungsorganen totgeschwiegen. Langsam fällt es uns auf die Füsse.

    Rechtes Gedankengut sollte systematisch in Polizei und co verbannt werden. Rassismus hat da einfach keinen Platz.

  16. 15.

    Sprechen Sie bitte für sich selbst oder liefern Quellen. 80% der Deutschen wünschen sich eine restriktivere Migrationspolitik? wollen sie das sagen?

    Dann sag ich Bullshit. Hose runter und Quelle her.

  17. 14.

    Ja richtig erkannt es geht hierbei auch um Qualifikation, um genauer zu sein um die nicht Anerkennung von fachlicher Qualifikation. Und daraus folgende Deplazierung von migrantischen Fachkräften in Berufsbereiche die kein Deutscher machen möchte.

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