Dritter Todestag von George Floyd - Was aus der Berliner "Black Lives Matter"-Bewegung wurde
Vor drei Jahren wurde der schwarze US-Amerikaner George Floyd bei einer brutalen Polizeikontrolle in Minneapolis getötet. Tausende gingen weltweit für die "Black Lives Matter"-Bewegung auf die Straße - auch in Berlin. Was hat sich seitdem hier geändert? Von Lena Petersen
Etwa neun Minuten dauerte der Todeskampf von George Floyd am 25. Mai 2020: Ein weißer Polizist drückte dem schwarzen US-Amerikaner den Hals zu und erstickte ihn. Das Video der Tat ging mit dem Hashtag "BlackLivesMatter" um die Welt. Es folgte eine globale Protestwelle gegen rassistische Polizeigewalt. Auch in Berlin demonstrierten Tausende auf dem Alexanderplatz.
Der Tod von Floyd wirke bis heute nach. So beschreibt Ernestina Boahemaa-Adjei das Gefühl, dass sie begleitet, seit sie das Video gesehen hat. "Das hat uns P.O.C. [Anm. d. Red.: People of Colour] sehr zusammengeschweißt."
Schwarze Community zusammengewachsen
Schätzungsweise rund eine Million schwarze Menschen leben in Deutschland. Die schwarze Community sei im Zuge der Proteste 2020 zusammengewachsen, meint Ernestina Boahemaa-Adjei. "Mit George Floyds Tod ist es dazu gekommen, dass viele gemerkt haben, dass Alltagsrassismus nicht nur ihnen passiert und dass wir endlich etwas dagegen tun müssen."
Für Ernestina Boahemaa-Adjei war es eine Zeit des Erwachens. Die schwarze Berlinerin setzt sich im Wedding bei Narud e.V. inzwischen beruflich gegen Rassismus ein. Der Verein ist mit anti-rassistischen Workshops an Schulen aktiv und hat eine Meldestelle für Übergriffe. Der Verein dient vor allem als Anlaufstelle für afrikanische Eltern, deren Kinder Rassismus erfahren.
Rassismus an Schulen und Kindergärten
Seit der Verein 2020 das Projekt "Stärkung Afrikanischer Eltern" (SAfE) gestartet hat, haben Menschen in mehr als 400 Fällen, um Hilfe gebeten. Der Verein zählt mehr als 100 Vorfälle von Rassismus an Schulen und Kindergärten. "Was wir hier erleben, was für Fälle hier tagtäglich gemeldet werden, was die Eltern hier erzählen, was an Berliner Schulen passiert, wie Lehrkräfte sich heute immer noch benehmen, das ist katastrophal und frontaler Rassismus", sagt Aziz Lamere. Er ist Geschäftsführer von Narud. Einen Rückgang von Rassismus gebe es seit 2020 nicht. Es handle sich nicht um Einzelfälle, sondern um ein strukturelles Problem. Aus Sicht von Aziz Lamere könnte es unter anderem helfen, wenn mehr People of Color in Entscheidungspositionen säßen.
Rassistische Polizeigewalt an den eigenen Grenzen
Die Spitze Berlins ist inzwischen überraschend divers. Der Senat ist unter der schwarz-roten Regierung vielfältiger als je zuvor. Das reiche allerdings nicht, so die Meinung von Céline Barry. Sie forscht zu Rassismus und Feminismus an der Technischen Universität Berlin. "Dass in den Spitzen und in den oberen Schichten Diversität herrscht, ändert auch nichts daran, dass es Migrant:innen sind, die dann saubermachen und sich um die Kinder in den deutschen Familien kümmern oder Pflegepersonal werden und die Jobs machen, die sonst niemand mehr machen möchte", sagt die schwarze Wissenschaftlerin.
Sie sei darüber schockiert, dass Menschen nur auf die Straße gehen, wenn in den USA eine Bewegung angestoßen wird. Auch an den eigenen Grenzen würden Menschen an rassistischer Polizeigewalt sterben. "Wenn wir #BlackLives Matter für Berlin, Deutschland und Europa haben wollen, müssen wir uns besonders das Grenzregime anschauen", fordert Céline Barry.
Sie macht sich in der "Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt" (KOP) stark. Im Wahlkampf hat die CDU den Menschen in Berlin mehr Sicherheit versprochen. Als Konsequenz rechnet Céline Barry nun mit einer Verschärfung der polizeilichen Überwachung in der Stadt.
In "Communities of Color" führe das zu mehr Verunsicherung. Außerdem müsse die Zivilgesellschaft besonders darauf achten, dass die polizeikritische Arbeit nicht zurückgedrängt werde.
Fehlendes Bewusstsein für systemischen Rassismus
Der Sprecher der Initiative "Schwarze Menschen in Deutschland", Tahir Della, beurteilt das Problembewusstsein für systemischen Rassismus in Deutschland als mangelhaft. Insbesondere in Institutionen wie der Polizei oder der Justiz werde das Thema nicht ernst genommen. "Wir merken immer wieder, wenn wir Rassismus adressieren und thematisieren, dass oftmals Abwehrreaktionen stattfinden. Da wird gesagt: 'Das Problem in Deutschland ist nicht so umfassend. Wir haben das Problem nicht so stark wie in den USA oder in anderen Ländern.' Tatsächlich machen aber Daten, wie aus dem Afrozensus 2020 deutlich, dass alle gesellschaftlichen Bereiche von rassistischen Erfahrungen von Schwarzen Menschen durchdrungen sind", erklärt Tahir Della.
Er fordert, das Problem zur Kenntnis zu nehmen, anstatt zu versuchen, es klein zu reden. Erhebungen, wie die jüngste Studie zu Polizeigewalt in Deutschland würden helfen, dafür ein Bewusstsein zu schaffen. Rassismus in den Behörden und der Politik wirklich zu überwinden, sei aber auch drei Jahre nach dem Tod von George Floyd ein weiter Weg.
Sendung: rbb24 Inforadio, 25.05.2023, 08:40 Uhr